Fall Lübcke: Stephan E. „hochwahrscheinlicher“ Todesschütze

dpa Karlsruhe. Wer hat den Kasseler Regierungspräsidenten erschossen? Der Hauptverdächtige will die Tat einem Komplizen in die Schuhe schieben. Die Ermittler glauben ihm nicht. In U-Haft bleiben aber beide Männer.

Fall Lübcke: Stephan E. „hochwahrscheinlicher“ Todesschütze

Stephan E., Tatverdächtiger im Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Foto: Uli Deck/dpa/Archivbild

Im Mordfall Lübcke beschuldigt der Hauptverdächtige Stephan E. inzwischen seinen mutmaßlichen Komplizen - die Ermittler halten ihn aber unverändert für den Todesschützen. Das sei „nach wie vor hochwahrscheinlich“, heißt es in einem Beschluss des Karlsruher Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3. März, der am Montag veröffentlicht wurde. Das frühere Geständnis des 46-Jährigen füge sich „in die Spurenlage am Tatort ein“. Sein mutmaßlicher Helfer, Markus H., ist allerdings nach wie vor der Beihilfe zum Mord dringend verdächtig und bleibt deshalb in Untersuchungshaft. (Az. AK 63/19)

Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war Anfang Juni 2019 nachts auf seiner Terrasse aus nächster Nähe erschossen worden. Die Bundesanwaltschaft geht von einem rechtsextremen Hintergrund aus. Der CDU-Politiker war für die Aufnahme von Flüchtlingen eingetreten.

E. hatte die Tat zunächst gestanden, dann sein Geständnis widerrufen und schließlich in einer neuen Aussage H. (43) beschuldigt, mit bei Lübcke gewesen zu sein und den tödlichen Schuss versehentlich abgegeben zu haben. Sie hätten den Politiker mit vorgehaltener Waffe nur einschüchtern wollen, dann habe sich der Schuss gelöst.

Das halten die Ermittler dem Beschluss zufolge nach zwei weiteren Vernehmungen von E. am 8. Januar und 5. Februar nicht für glaubhaft. So sei an der Tatwaffe und der Munition ausschließlich dessen DNA gefunden worden. Auch der bei der Obduktion festgestellte Verlauf des Schusskanals spreche eher für die These, dass E. sich Lübcke unbemerkt näherte. Dazu passe auch, dass Lübcke laut einem Zeugen nach der Tat noch seine Zigarette in der Hand gehalten habe.

Anlass für die Entscheidung der BGH-Richter war die nach sechs Monaten vorgeschriebene Haftprüfung, die für Markus H. mit Verspätung stattfand. Sein Verteidiger hatte um Aufschub gebeten.

E.'s U-Haft war bereits Mitte Januar verlängert worden. Ein dritter Beschuldigter musste damals freigelassen werden. Er soll E. im Jahr 2016 die spätere Tatwaffe verkauft haben. Es ist aber unklar, ob er zu diesem Zeitpunkt schon wissen konnte, was E. damit vorhatte.

H. hatte die Bundesanwaltschaft ursprünglich verhaften lassen, weil er E. den Kontakt zu dem Waffenhändler vermittelt haben soll. Spätestens seit August gehen die Ermittler aber davon aus, dass H. eine zentralere Rolle spielte. Er soll E. in seinem Willen, Lübcke zu töten, bestärkt haben - „indem er ihm - in enger freundschaftlicher Verbundenheit und dessen rechtsradikales Gedankengut teilend - etwa durch gemeinsame Unternehmungen, die fortlaufende Durchführung gemeinsamer Schießübungen, aber auch die Teilnahme an politischen Demonstrationen, Zuspruch und Sicherheit vermittelte“, wie es auch in dem neuen BGH-Beschluss nun noch einmal heißt.

Diese These sehen die Richter durch weitere Ermittlungsergebnisse gestützt. Beispielsweise zeige die Auswertung einer Schießkladde, dass E. und H. von Oktober 2016 bis Oktober 2018 im Schützenverein fünfmal gemeinsam am Schießstand waren.

In dem Fall will die Bundesanwaltschaft demnächst Anklage erheben. Der Prozess soll am Oberlandesgericht Frankfurt stattfinden.