Farb-Hilfe beim Lebensmitteleinkauf lässt auf sich warten

Von Von Erich Reimann und Sascha Meyer, dpa

dpa Berlin. Es ist grün, gelb, orange und rot - und soll „Dickmacher“ leichter entlarven. Für ein neues Lebensmittel-Siegel bereitet die Politik gerade den Boden. Doch wie schnell erobert es die Regale?

Farb-Hilfe beim Lebensmitteleinkauf lässt auf sich warten

Der sogenannte „Nutri-Score“ soll Hilfe beim Lebensmitteleinkauf sein. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Eine gesunde und ausgewogene Ernährung fällt vielen Verbrauchern schwer. Orientierungshilfe soll da das neue Logo Nutri-Score für verpackte Lebensmittel bieten. Es zeigt auf einen Blick eine Art Nährwertbilanz mit Zucker, Fett und Salz an.

Erste Hersteller sind vorgeprescht und drucken das farbige Siegel auf Joghurts oder Tiefkühlkost. Doch insgesamt haben Produkte mit der neuen Kennzeichnung im Handel noch immer eher Seltenheitswert. Dabei hat die Bundesregierung schon im Herbst die Weichen für eine baldige Einführung auf freiwilliger Basis gestellt. Verbraucherschützer machen Druck für eine Verwendung auf möglichst breiter Front.

Die Verbraucherzentrale Hamburg fand bei einer Marktstudie im Mai im Handel gut 1000 Produkte mit dem Nutri-Score - vor allem in Angaben im Internet, aber auch direkt auf den Packungen. Tendenz steigend, lautete das Fazit. Doch es sei „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Schließlich hat ein durchschnittlicher Supermarkt heutzutage mehr als 10.000 Artikel im Angebot. Gerade bei eher nicht so gesunden Lebensmitteln suche man das Label ohnehin meist vergebens, monierten die Verbraucherschützer.

Dabei soll es nun ziemlich schnell gehen, um dem aus Frankreich stammenden System auch den Weg zu den deutschen Verbrauchern zu ebnen. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hatte sich nach langem Streit im vergangenen Herbst auf Nutri-Score festgelegt.

Inzwischen hat sie eine Verordnung zur Billigung nach Brüssel geschickt. Sobald es grünes Licht gibt, soll sie in den Bundesrat kommen. Dann könnte der rechtliche Rahmen für die Verwendung des Logos in Deutschland voraussichtlich im Herbst in Kraft treten.

Nutri-Score bezieht neben dem Gehalt an Zucker, Fett und Salz auch empfehlenswerte Bestandteile wie Ballaststoffe und bestimmte Proteine in eine Gesamtbewertung ein und gibt dann einen einzigen Wert an - auf einer fünfstufigen Skala von „A“ auf dunkelgrünem Feld für die günstigste Bilanz über ein gelbes „C“ bis zum roten „E“ für die ungünstigste. Das zutreffende Feld wird hervorgehoben. Das Logo auf der Vorderseite der Packung soll die EU-weit verpflichtende Nährwerttabelle ergänzen.

Auffällig ist: Vorreiter bei der Einführung in Deutschland sind derzeit vor allem internationale Lebensmittelkonzerne. Bei Danone tragen mittlerweile mehr als 95 Prozent des Milch-Frischesortiments und bei pflanzenbasierten Alternativen das Nutri-Score-Logo, wie das Unternehmen mitteilte. Die Bewertungen reichten vom besten A bis zum eher schlechten D für Schokopuddings mit Sahne. Auch die letzten restlichen Produkte sollen noch in diesem Jahr gekennzeichnet werden.

Beim Nahrungsmittelriesen Nestlé haben inzwischen 99 Produkte von Tiefkühlpizzen bis zu Suppen das Logo. Das gesamte Sortiment soll bis Ende 2021 gekennzeichnet sein. Beim Tiefkühlhersteller Iglo sind es aktuell rund 60 Produkte mit dem Nutri-Score auf der Packung, bis Anfang nächsten Jahres sollen es alle 140 sein. Zurückhaltender ist Dr. Oetker, bekannt für Pizza, Backprodukte und Dessertpulver. Der Konzern unterstützt nach eigener Aussage die Einführung des Logos und prüft Konzepte zur Umsetzung. Voraussetzung sei aber nicht nur die Verabschiedung der Regelungen in Deutschland, „sondern auch ein Rechtsrahmen oder zumindest eine Akzeptanz in anderen EU-Ländern“.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch sieht auch die Bundesregierung am Zug. Denn freiwillig würden manche Hersteller Nutri-Score nicht nutzen. „Doch nur wenn die Ampel auf allen Produkten zu sehen ist, können Verbraucherinnen und Verbraucher auch immer die gesündere Wahl treffen“, sagt Foodwatch-Expertin Luise Molling. Klöckner müsse daher die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um sich für einen verpflichtenden Nutri-Score in Europa stark zu machen. Als Ziel hat das auch die EU-Kommission ausgerufen. Klöckner kündigte an, sich für Fortschritte bei einem europäischen Rahmen einzusetzen.

Eher vorsichtig agieren zurzeit auch noch die großen deutschen Handelsketten bei ihren Eigenmarken. Beim Großflächen-Discounter Kaufland ist Nutri-Score bislang nur auf den Verpackungen zweier Produktlinien zu finden: der Bio-Eigenmarke und der Eigenmarke für vegane und vegetarische Produkte. Der zur Rewe-Gruppe gehörende Discounter Penny beginnt gerade damit, Nutri-Score bei Artikeln seiner Bio-Eigenmarke einzuführen. Auch in Rewe-Supermärkten sollen im Laufe des Jahres erste Eigenmarken damit zu finden sein.

Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka wollte sich „aus Wettbewerbsgründen“ nicht zu konkreten Planungen äußern. Zunächst müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen definiert werden, betonte man - und verwies auf die ausstehende Verordnung. Auch Aldi und Lidl erklärten, sie würden Nutri-Score einführen, sobald ein verbindlicher Rechtsrahmen dafür da sei.

Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg hält so viel Vorsicht für überflüssig: „Aus unserer Sicht dürften da keine Probleme mehr auftauchen. Wer das will, der könnte das jetzt schon machen.“ Damit Nuri-Score wirklich Wirkung erziele, müsse er flächendeckend genutzt werden. „Wenn das nur einzelne Anbieter und vielleicht nur bei ausgesuchten Produkten nutzen, macht das keinen Sinn.“

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