Fast alle erwarten zweiten Wahlgang

Die Flyer sind verteilt, die Argumente ausgetauscht: Jetzt entscheiden die Backnanger über die Nachfolge von OB Frank Nopper. Alle acht Kandidaten gehen zuversichtlich in die Wahl. Dass morgen schon eine Entscheidung fällt, glaubt allerdings kaum einer.

Fast alle erwarten zweiten Wahlgang

Die Plakatschlacht ist geschlagen, nun haben die Backnanger die Wahl, wer ihre Stadt künftig führen soll. Foto. A. Becher

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Eine Oberbürgermeisterwahl mit acht Kandidaten ist eine Wundertüte. Im Gegensatz zur Landtagswahl gab es im Vorfeld keine repräsentativen Umfragen, die zumindest eine Richtung erkennen lassen. Favoriten gibt es vor dem ersten Wahlgang in Backnang trotzdem: In erster Linie sind das die beiden Bewerber, die bereits Bürgermeister sind. Stefan Neumann übt dieses Amt seit 2010 in der 15000-Einwohner-Stadt Künzelsau aus, Maximilian Friedrich seit 2012 im deutlich kleineren Berglen (6500 Einwohner). Aber auch der Backnanger Unternehmer und Stadtrat Jörg Bauer und der im Landwirtschaftsministerium tätige Jurist Stefan Braun rechnen sich Siegchancen aus. Beide haben im Wahlkampf vor allem auf die Trumpfkarte gesetzt, dass sie die Stadt bestens kennen: Braun lebt seit über 30 Jahren in Backnang, Bauer seit seiner Geburt.

Kurz vor der Wahl geben sich die aussichtsreichen Kandidaten zuversichtlich, aber nicht siegessicher: „Ich habe im Wahlkampf viele positive Rückmeldungen bekommen, kann aber keine Prognose abgeben“, sagt Maximilian Friedrich. Stefan Neumann formuliert seine Ambitionen etwas offensiver: „Ich trete an, um zu gewinnen, und rechne mir auch sehr gute Chancen aus.“ Stefan Braun hofft, „dass ich vorne mit dabei bin“, eine Schätzung sei allerdings schwierig. Jörg Bauer wäre im ersten Wahlgang mit einem Platz unter den Top Drei zufrieden.

Wie fast alle seiner Mitbewerber rechnet Bauer damit, dass die Entscheidung erst im zweiten Wahlgang am 28. März fallen wird. Denn um schon morgen zu triumphieren, bräuchte der Sieger die absolute Mehrheit der Stimmen. Bei acht Bewerbern gilt das als unwahrscheinlich. Denn auch von den Kandidaten, die den Wahlkampf mit weniger Aufwand und geringerem Budget bestritten haben, könnte der eine oder die andere für einen Achtungserfolg gut sein. Umweltaktivist Andreas Brunold nennt ein zweistelliges Ergebnis als persönliches Ziel, Roland Stümke träumt sogar vom dritten Platz im Bewerberfeld. Und auch Marco Schlich und Julia Papadopoulos trauen sich eine Überraschung zu.

Digitale Formate erreichen viele Zuschauer.

Wegen der Coronapandemie stand der Wahlkampf unter besonderen Vorzeichen: Größere Veranstaltungen mit Publikum waren nicht möglich. Stattdessen gab es zahlreiche digitale Angebote, sowohl von den Kandidaten selbst als auch von verschiedenen Backnanger Organisationen und Initiativen. Diese wurden auch intensiv genutzt: So wurde etwa das Online-Wahlpodium der Backnanger Kreiszeitung bis heute mehr als 8000-mal angeklickt, auch die offizielle Kandidatenvorstellung der Stadt oder das von den Gewerbetreibenden organisierte „Kandidaten-Grillen“ erreichten online wesentlich mehr Zuschauer als die sonst üblichen Hallenveranstaltungen.

Darüber hinaus haben die Kandidaten trotz Pandemie auch den persönlichen Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern gesucht. Jörg Bauer hat dafür zum Beispiel rund 1200 Kilometer zu Fuß zurückgelegt und ist jede einzelne Straße in Backnang abgegangen. Andere Kandidaten zeigten mit Infoständen in der Stadt Präsenz. Auch mit Prospekten und Plakaten wurde nicht gespart. Stefan Braun spricht gar von einer „Materialschlacht“, die einige Mitbewerber gestartet hätten. Um überhaupt wahrgenommen zu werden, habe deshalb auch er deutlich mehr Geld investieren müssen als geplant.

Ob Wahlkampf in der Pandemie schwieriger ist als in anderen Zeiten, darüber gehen die Meinungen auseinander. „Mir haben die Veranstaltungen vor Publikum schon gefehlt, weil die Emotionen da besser rüberkommen“, sagt Maximilian Friedrich. Auch Stefan Braun ist vom digitalen Wahlkampf nicht begeistert: „Ich glaube, dass ich im direkten Gespräch eher überzeugen kann als in einer Videokonferenz.“ Stefan Neumann hat die neuen Kanäle hingegen als Bereicherung empfunden: „Wir hatten in diesem Wahlkampf mehr Möglichkeiten, um uns zu präsentieren, und wir haben so auch viel mehr Menschen erreicht als sonst“, sagt der Kandidat, der von der Backnanger CDU unterstützt wird.

Unabhängig von den persönlichen Erfolgsaussichten schwärmen alle Kandidaten von den vielen schönen Erlebnissen und Begegnungen während des Wahlkampfs. „Es war eine sehr interessante Zeit für mich. Ich habe meine Kandidatur zu keinem Zeitpunkt bereut“, sagt etwa Roland Stümke. Auch Marco Schlich findet, dass sich seine Kandidatur gelohnt hat, selbst wenn er nicht OB von Backnang werden sollte. Schließlich habe er dazu beigetragen, dass der Klimaschutz zu einem zentralen Thema in diesem Wahlkampf wurde.

Einig sind sich alle acht Kandidaten darin, dass es ein fairer Wettbewerb ohne persönliche Anfeindungen oder versteckte Fouls war. „Die Atmosphäre war sehr angenehm“, sagt Julia Papadopoulos, die einzige Frau im Bewerberfeld. Marco Schlich lobt seine Konkurrenten sogar: „Ich glaube, dass sie sich alle zum Wohle Backnangs einsetzen würden.“

Kommentar
Respektables Feld

Von Kornelius Fritz

Die Entscheidung steht zwar noch aus, doch schon jetzt können die Backnanger mit dieser Oberbürgermeisterwahl zufrieden sein. Mit acht Kandidaten stimmt nicht nur die Quantität, das Bewerberfeld deckt auch ein breites Spektrum an Persönlichkeiten, Qualifikationen und politischen Strömungen ab. Fast jeder sollte da jemanden finden, der ihm zusagt. Erfreulich ist auch, dass der Wahlkampf durchweg fair verlief und alle Kandidaten echtes Interesse an der Stadt und ihren Bewohnern gezeigt haben. Auftritte von Extremisten, Spaßkandidaten oder selbst ernannten Königen blieben Backnang zum Glück erspart.

Auch die Sorge, wegen der Coronapandemie könnten sich die Wähler kein Bild von den OB-Kandidaten machen, war unbegründet. Durch zahlreiche Online-Formate, die rege genutzt wurden, war das für viele diesmal sogar einfacher.

Wer von den acht Kandidaten am besten geeignet ist, um eine Stadt mit knapp 40000 Einwohnern und einen Arbeitgeber mit rund 750 Mitarbeitern zu führen, müssen nun die Backnanger entscheiden. Ganz bewusst gibt es für das Amt eines Oberbürgermeisters kein vorgeschriebenes Anforderungsprofil. Das ist auch nicht nötig, denn die Erfahrung hat gezeigt, dass die Wählerinnen und Wähler ganz gut einschätzen können, wer das Zeug zum OB hat und wer nicht.

k.fritz@bkz.de

Liveticker zu den Wahlen am Sonntag ab 18 Uhr auf www.bkz.de

Landtagswahl, Oberbürgermeisterwahl in Backnang, Bürgermeisterwahl in Auenwald – wenn am Sonntagabend die Entscheidungen fallen, ist die Backnanger Kreiszeitung live dabei. Ab 18 Uhr berichten wir in einem Liveticker auf www.bkz.de über alle drei Wahlen mit aktuellen Ergebnissen, Stimmen und Reaktionen.

Auch auf der Facebook-Seite der BKZ halten wir Sie auf dem Laufenden. Hier veröffentlichen wir neben den Ergebnissen der Wahlen auch kurze Videos mit Reaktionen der Backnanger OB-Kandidaten.

Die Stadt Backnang organisiert wegen der Coronapandemie keine Wahlparty, die Sitzung des Gemeindewahlausschusses, die um 18 Uhr im Bürgerhaus beginnt, ist aber öffentlich. Die Wahlergebnisse werden am Sonntag auch kontinuierlich auf der städtischen Homepage www.backnang.de und in der App Votemanager veröffentlicht.

Die Verkündung des vorläufigen Endergebnisses durch Ersten Bürgermeister Siegfried Janocha wird außerdem per Livestream über den YouTube-Kanal der Stadt Backnang übertragen.