FDP: Opfer häuslicher Gewalt bekommen zu wenig Schutz

dpa/lsw Stuttgart. Kommt die große Welle von Frauen, die in der Corona-Krise verletzt oder bedroht wurden, noch? Darüber streiten FDP und Landesregierung. Aus Sicht der Liberalen war das Land schon vor der Pandemie bei Zufluchtsmöglichkeiten schlecht ausgestattet.

FDP: Opfer häuslicher Gewalt bekommen zu wenig Schutz

Ein Mann und eine Frau stehen hinter einem zerbrochenen Teller in einer Küche. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Die Gewalt von Partnern oder Ex-Partnern gegen Frauen nimmt zu - doch die Landesregierung hinkt aus Sicht der Landtags-FDP beim Hilfsangebot hoffnungslos hinterher. Seit 2011 mit 10 872 Fällen habe häusliche Gewalt um rund 20 Prozent zugenommen, aber die Kapazität in den Frauen- und Kinderschutzhäusern habe sich seitdem nicht verändert, monierte Nico Weinmann, Vizechef der FDP-Fraktion, die eine entsprechende Anfrage an das Sozialministerium gestellt hatte. Im vergangenen Jahr lag die Zahl der Plätze bei 756 - vor knapp einem Jahrzehnt bei 757. Die derzeit 42 Frauen- und Kinderschutzhäuser werden von den Kommunen, vom Land auf freiwilliger Basis und mit Spenden und Bußgeldern finanziert.

Es sei zu befürchten, dass die 2019 um zehn Prozent erhöhte Zahl von Gewalt in und nach Beziehungen auch in diesem Jahr weiter wachse, sagte Weinmann der Deutschen Presse-Agentur. „Die Annahme der Landesregierung, der Corona-Lockdown hätte zu keinem Anstieg häuslicher Gewalt geführt, hat nicht viel mit der Realität zu tun, sondern ist ein Wunschdenken, um die Folgen der eigenen Politik zu kaschieren.“

Das Sozialministerium verweist indes auf Angaben der Polizei, wonach während der Corona-Krise keine signifikant veränderte Entwicklung bei den Fallzahlen zu beobachten sei. Weinmann macht hingegen darauf aufmerksam, dass laut dem Ressort von Manne Lucha (Grüne) Frauen die beengten Verhältnisse in den Frauenhäusern aus Angst vor Ansteckung mit dem Coronavirus meiden. Sie blieben im häuslichen Umfeld oder zögen sich dorthin zurück, um nach Ende der Krise wieder bei den Frauenhäusern anzuklopfen.

Die Zahl der von der polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Taten in Ehen, Partnerschaften oder nach Beendigung derselben lag 2019 bei 13 084 (Vorjahr: 12 109). 483 Mal war ein Messer im Spiel, 25 Mal eine Schusswaffe, von der sieben Mal Gebrauch gemacht wurde. Ein Schlagstock wurde vergangenes Jahr in 18 Fällen eingesetzt - 2011 waren es 4.

Weinmann bedauert auch, dass es zu viele weiße Flecken in der Hilfe für die zu 80 Prozent weiblichen Opfer gebe: In neun Landkreisen existierten immer noch keine eigenen Frauen- und Kinderschutzhäuer. In den Ballungsräumen Stuttgart und Mannheim stießen die Zufluchtsstätten an das Limit ihrer Belegung. Die Beteiligung des Landes sei mit 1,2 Millionen Euro oder etwa 30 000 Euro pro Einrichtung pro Jahr sehr überschaubar. Weinmann: „Hier muss das Land mehr Verantwortung übernehmen, damit Betroffene die nötige Unterstützung erhalten.“

Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Dorothea Wehinger, entgegnete, dass die Frauen- und Kinderschutzhäuser in der Corona-Krise bereits gestärkt worden seien. Sie verwies auf Soforthilfen von zwei Millionen Euro, mit dem „die Beratungskapazität sowohl technisch als auch personell deutlich ausgebaut und vor Ort zügig auf die veränderte Situation reagiert werden“ könne. Beispiele seien verstärkte Online-Beratung und telefonische Angebote.