Firmen dürfen trotz mancher Lieferengpässen auf den Aufschwung hoffen

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland entspannt sich etwas, die Lieferengpässe werden weniger. Auch in Backnang und der Umgebung geht es langsam wieder bergauf – allerdings noch nicht bei allen Unternehmen.

Firmen dürfen trotz mancher Lieferengpässen auf den Aufschwung hoffen

Die Firma Lochmann Berufskleidung ist noch immer von Lieferengpässen betroffen. Insbesondere Reißverschlüsse fehlen, sagt Inhaber Michél Lochmann. Foto: Tobias Sellmaier

Von Melanie Maier

Rems-Murr. Die Wirtschaft hatte im vergangenen Jahr hart zu kämpfen. Neben der Inflation und der Energiekrise – die sich selbstverständlich auch auf die Firmen und Unternehmen im Rems-Murr-Kreis ausgewirkt haben – ist es in vielen Branchen zu Lieferengpässen gekommen, zum einen wegen Rohstoffknappheit, zum anderen wegen gedrosselter Produktionskapazitäten infolge der Coronapandemie. Jetzt scheint sich die Lage ein wenig zu entspannen.

Hoffnung macht eine Nachricht des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Münchner Forschungseinrichtung erstellt regelmäßig Analysen der wirtschaftlichen Situation der Gewerbe in Deutschland. In seiner jüngsten monatlichen Umfrage teilte das Institut mit, dass die Lieferengpässe in der Industrie im vergangenen Dezember den dritten Monat in Folge abgenommen haben. Demnach litten Ende des Jahres noch 50,7 Prozent der Firmen darunter, dass bestellte Vorprodukte und Materialien schwer zu bekommen sind. Im November waren es 59,3 Prozent. Eine Auflösung der Engpässe scheine sich in vielen Branchen nun abzuzeichnen, kommentiert der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.

Auch im Rems-Murr-Kreis deutet sich eine Verbesserung bei den ersten Firmen an. Seit Ende 2022 berichten Unternehmen von einer „beginnenden Entspannung in den Lieferketten“, bestätigt Markus Beier, der leitende Geschäftsführer der IHK-Bezirkskammer Rems-Murr. Teils monatelang hatten die Unternehmen zuvor auf Zulieferteile und Vorprodukte warten müssen, was sich selbstverständlich wiederum auf die Produktion ausgewirkt hatte.

Nie wirklich schlimm von Lieferengpässen betroffen gewesen

Dass die Situation sich entspannt, das hat man beispielsweise bei der Firma Holp in Murrhardt-Fornsbach festgestellt. „Jetzt geht es schon wieder besser. Vor ein paar Monaten war es noch anders“, heißt es von dem Unternehmen. Allerdings sei die Firma nie wirklich schlimm von Lieferengpässen betroffen gewesen. „Es war schon anders als früher, aber im Vergleich zu anderen Unternehmen ist es uns relativ gut ergangen.“

Obwohl die Verbesserung stellenweise spürbar ist, sei die Wirtschaft im Kreis von einer Rückkehr zu Verhältnissen, wie sie vor der Pandemie geherrscht hatten, „in den meisten Branchen noch meilenweit entfernt“, schränkt IHK-Chef Markus Beier ein. Vor allem der Maschinenbau und die Elektroindustrie leiden ihm zufolge noch immer unter großen Lieferverzögerungen. „Damit können die oft großen und teuren Maschinen nicht fertiggestellt und ausgeliefert werden, binden viel Kapital und fehlen natürlich auch bei den Kunden“, sagt er.

Mancher Rohstoff wird wieder billiger

Dafür seien Stahl und Holz wieder schneller und auch günstiger verfügbar. „Wir rechnen damit, dass die Engpässe sich auf breiter Front erst zögerlich im laufenden Jahr abbauen werden, sofern es nicht durch den Ukrainekrieg oder andere Verwerfungen auf den internationalen Märkten zu neuen Einschränkungen kommt“, schlussfolgert Beier.

Noch immer mit Lieferengpässen zu kämpfen hat etwa die Backnanger Firma Lochmann Berufskleidung. „Es ist sogar ein bisschen schlimmer geworden in letzter Zeit“, berichtet Firmeninhaber Michél Lochmann. „Wir kompensieren das, indem wir den Warenbestand aufstocken und aus dem Lager verkaufen.“

Meistens sind nur ein paar Bauteile von einem Engpass betroffen

Dass bestimmte Teile nicht mehr so schnell geliefert werden können, sei erstmals nach dem ersten Lockdown (März bis Mai 2020) der Fall gewesen, erinnert sich Lochmann. Das Problem: „Eine Sicherheitsjacke zum Beispiel besteht aus mehreren Komponenten. Meistens sind nur ein paar Bauteile von einem Engpass betroffen. Aber es bringt ja nichts, den Stoff und das Garn für 10000 Jacken bereit zu haben, wenn die 10000 Reißverschlüsse dafür fehlen“, erklärt der Firmenchef, der auch bei seinen eigenen Sicherheitsschuhen zwei Monate lang auf die passenden Ösen warten musste.

Besonders bemerkbar machte sich der Mangel Anfang Herbst bei der Firma Lochmann Berufskleidung. „Winterjacken waren sehr gefragt“, erläutert Lochmann. Da er sein Standardprodukt aus Liefergründen nicht anfertigen konnte, bot er seinen Kundinnen und Kunden Alternativprodukte an – „sonst hätten sie acht oder neun Monate lang auf ihre Jacken warten müssen“. Sein Unternehmen habe davon profitiert, schon lange in der Branche tätig zu sein und hauptsächlich europäische Lieferanten zu haben, die von Engpässen weniger stark betroffen waren.

Lochmann geht davon aus, dass „sich das bis April oder Mai wieder einspielt. Jetzt werden die Lieferverzüge aufgearbeitet. Wir als kleiner Händler kriegen das aber immer erst so ein halbes Jahr oder Jahr nach den großen Firmen zu spüren.“ Wenn wieder mehr Waren produziert würden, werde das irgendwann zu einem Überangebot führen. „An dem Punkt sind wir aber noch nicht.“

Es kann auch wieder zu Rückschlägen kommen

Andere Firmen hatten keine Probleme mit Lieferungen. Beim Backnanger Luft- und Raumfahrtunternehmen Tesat zum Beispiel ist es gar nicht zu einer Knappheit gekommen. Die für die Bauteile zuständige Abteilung habe entsprechend vorgeplant und rechtzeitig bestellt, berichtet Unternehmenssprecherin Nina Backes. Nicht öffentlich zu dem Thema äußern möchte sich die Firma Harro Höfliger aus Allmersbach im Tal. „Für uns als Sondermaschinenbauer mit sehr speziellen Anforderungen ist die Liefersituation nochmals anders zu bewerten“, lässt Sprecherin Rosemarie Christ wissen.

Was bleibt also zu erwarten? „Dass sich die Lieferengpässe nach und nach auflösen, wird die Konjunktur in den kommenden Monaten stützen“, sagt Klaus Wohlrabe vom Ifo-Institut voraus. Abhängig von der Entwicklung der Coronasituation in China könne es aber auch wieder zu Rückschlägen bei den Engpässen kommen.