Fleißige Helfer weisen den richtigen Weg

Die Schilder der verschiedenen Wanderwege müssen regelmäßig kontrolliert und erneuert werden. Wegewart Albrecht Winter schaut im Raum Sulzbach an der Murr regelmäßig nach dem Rechten. Der Schwäbische Albverein sucht weitere Mitstreiter.

Fleißige Helfer weisen den richtigen Weg

Vielerorts fehlen Leute wie Albrecht Winter, die dafür sorgen, dass Wanderer sich im Schwäbischen Wald nicht verlaufen. Foto: privat

Von Ute Gruber

MURRHARDT. Gefühlt alle fünf Jahre muss der Vierer mit seinem blauen Quadrat umziehen. Immer dann, wenn seine aktuelle Unterlage das Zeitliche segnet und eine Nutzungsänderung erfährt. Vom Obst- zum Brennholzlieferanten. Erst war’s ein Apfelbaum, dann ein Birnbaum. Jetzt klebt er wieder auf einem Apfel. Am Vierer kann’s nicht liegen, denn der wird inzwischen – schon auf Wunsch der Sägewerke – geklebt, nicht mehr genagelt. Wahrscheinlich ist mal wieder der Klimawandel schuld, der den alten Hochstämmen an diesem sonnigen Südhang den Garaus macht. Lang muss er aber nicht am Boden liegen, der Vierer, denn in Sulzbach an der Murr schaut Albrecht Winter selbst nach dem Rechten. Zweimal im Jahr kontrolliert der Gauwegmeister des Schwäbischen Albvereins (SAV) die gut 80 Kilometer Wanderwege auf dem Gemeindegebiet, auch die neun Kilometer von Rundweg Nummer vier.

Dann ersetzt er abgefallene Schilder, schneidet die zugewachsenen wieder frei, wischt das Moos ab. Stutzt wuchernde Brombeeren und Brennnesseln, ebnet Fahrspuren. Für größere Aktionen holt er sich Hilfe bei der Ortsgruppe. Denn die Wegzeichen sollen so gesetzt sein, dass sich auch Ortsunkundige problemlos zurechtfinden, selbst ohne Wanderkarte und Wander-App. Dies ist seit rund 130 Jahren eines der grundlegenden Ziele des Schwäbischen Albvereins, der in Württemberg zwischen Bodensee und Taubertal derzeit mit knapp 700 ehrenamtlichen Wegewarten rund 20000 Kilometer markierter Wanderwege betreut. „Wenn Sie im Wald kein Netz haben, nützt Ihnen GPS nichts“, sagt die Albverein-Pressesprecherin Ute Dilg. „Und Wanderkarten lesen können heute viele Leute nicht mehr.“

Nicht überall klappt es so vorbildlich wie in Sulzbach. „Gut 800 Kilometer Wanderwege sind derzeit nicht betreut“, schlug Martina Steinmetz, Wegereferentin des Schwäbischen Albvereins, unlängst Alarm. Viele SAV-Wegewarte seien inzwischen jenseits der 70 und nicht mehr so geländegängig wie einst. Im Raum mittlerer Neckar, rund um Stromberg und Heuchelberg, verwahrlosen besonders viele Wanderwege, aber auch im Rems-Murr-Kreis herrscht Personalmangel: Im Wander-Eldorado Murrhardt mit seinem Wasserfall, Felsenmeer und Limestürmen etwa hat unlängst der amtierende Wegewart altershalber seinen Abschied angekündigt.

Spazieren gehen und wandern in freier Natur stehen hoch im Kurs.

Dabei stehen gerade spazieren gehen und wandern in freier Natur hoch im Kurs in dieser ungewöhnlichen Zeit, wo Indooraktivitäten und -kontakte stark eingeschränkt sind. Die Natur ist Balsam für die besorgte Seele und Bewegung baut innere Nervenanspannung ab, stärkt zugleich die Abwehrkräfte, Muskeln und Organe. Kaum irgendwo auf der ganzen Welt sind die Bedingungen dafür so günstig wie in Deutschland, wo vor jeder Metropolregion ein Mittelgebirge mit Wald und Wiesen sozusagen direkt vor der Haustür liegt und ein Netz von – bisher – gepflegten Wanderwegen jeden idyllischen Winkel erschließt. So wie im Schwäbischen Wald. Wer in manch anderen Ländern je versucht hat, spontan die fremde Umgegend zu erkunden, hat eventuell nach Kurzem vor einem Zaun gestanden, sofern er überhaupt einen begehbaren Weg gefunden hat.

Hierzulande findet man dagegen überall schnell ein rotes Kreuz, einen blauen Querstrich oder ein anderes prägnantes Wegsymbol an einem Baum oder Pfosten; es gibt Infotafeln, Wanderkarten und inzwischen auch digitale Wander-Apps. Aber dieser Luxus ist nicht selbstverständlich. Die Hauptarbeit der Wanderwegekennzeichnung in Württemberg übernimmt immer noch – seit mehr als 100 Jahren – der Schwäbische Albverein, zumeist auch kommissarisch für die Rundwege der Gemeinden und die überregionalen Themenwege. In Murrhardt sind dies zum Beispiel der Limeswanderweg oder der Rems-Murr-Weg.

Aber „in unserer Ortsgruppe gibt es keinen Nachwuchs“, stellt Martin Hörger nüchtern fest. Der Ortsgruppenvorsitzende war selbst als Wegewart jahrelang für die südlichen 35 der insgesamt 65 Kilometer auf der Gemarkung zuständig, die er nach eigenen Angaben in drei Abschnitten kontrolliert hat: „Einmal gründlich im Frühjahr zu Beginn der Wandersaison, das ist wichtig.“ Denn nach der winterlichen Holzernte im Wald und Winterstürmen fehlten oft wichtige Zeichen. Auch Vandalismus sei leider zunehmend ein Problem. Und dann noch wenigstens eine zweite Kontrolle im Spätsommer, „und natürlich bei Lust und Laune jederzeit dazwischen“.

Um die Hürde für Interessenten – wie zum Beispiel rüstige, handwerklich begabte Jungrentner – nicht zu hoch zu setzen, hat man sich ein niederschwelliges Angebot ausgedacht: Dem Wegewart einer Ortsgruppe sollen sogenannte Wegepaten zur Seite gestellt werden, die dann für kurze Teilstrecken von fünf bis zehn Kilometern zuständig seien, „und die müssen auch nicht zwangsläufig in den Verein eintreten“.

Auch werden die Neueinsteiger nicht ins kalte Wasser geworfen, denn vor Beginn gibt es eine Schulung in Theorie und Praxis mit Gauwegemeister Albrecht Winter, der für die Wegebetreuer im Rems-Murr-Gau zuständig ist, auch das Material besorgt und Treffen zum Austausch untereinander organisiert. Sofern Corona nicht dazwischenfunkt. Freudig berichtet er, dass der Hilferuf des SAV nicht ungehört verklungen sei: „Für den südlichen Rems-Murr-Kreis haben sich spontan 30 Leute gemeldet!“, erzählt er überwältigt von der Hilfsbereitschaft der Wanderfreunde. „Wenn wir eh gerade dauernd draußen rumlaufen, können wir uns ja auch nützlich machen“, sei oft deren Argument gewesen.

Nun hofft er auf ein ähnliches Echo im nördlichen Kreisgebiet, neben Murrhardt gibt es auch in Gschwend, Althütte oder Kaisersbach verwaiste Wege, ebenso in Aspach oder Oppenweiler. Ob es hier Resonanz gibt, ist nicht gewiss, denn „im ganzen Gau Esslingen haben sich nur vier Freiwillige gemeldet.“ Wünschenswert wäre es, und auf mehrere Schultern verteilt auch machbar. Schließlich sind die Wanderwege die Visitenkarte dieses Naherholungsgebiets vor den Toren von Stuttgart. Auch ohne Corona.

Ausgeklügeltes Farb- und Symbolsystem

Wandern als Selbstzweck und nicht etwa nur, um von A nach B zu kommen, gibt es in der Breite erst seit rund 150 Jahren. Es war eine Folge der Romantik und des aufblühenden Bürgertums, dass sich hierzulande vor allem Bildungsbürger zu Wandervereinen zusammengeschlossen haben, mit dem Ziel, Natur und Kultur zu erleben und zu pflegen. Der Schwäbische Albverein (SAV) ist mit über 90000 Mitgliedern europaweit der größte von allen.

Zur Wegmarkierung hat der SAV ein ausgeklügeltes Symbol- und Farbsystem ersonnen, das laufend Ergänzungen erfährt – und in dieser Gründlichkeit vielleicht etwas typisch Deutsches ist. Am bekanntesten sind blauer oder roter Strich, Punkt oder Kreuz, die früher auf Bäume, Steine, Gebäude gemalt wurden. Heute werden Plaketten geklebt.

Die großen SAV-Hauptwanderwege wie der HW6, der Limeswanderweg, welcher rund 245 Kilometer vom Maintal über Lorch bis zur Wörnitz dem obergermanisch-rätischen, befestigten Grenzverlauf zur Römerzeit folgt, sind Streckenwanderwege. Rundwanderwege werden dagegen häufig von Gemeinden angelegt.

Interessenten an einer Wegepatenschaft können sich melden bei Albrecht Winter per E-Mail an albrecht.winter@t-online.de oder telefonisch unter 07150/31854.