Flüchtiger Reichsbürger in Haft

Internethetzer aus Niedersachsen hat in Weissach im Tal Unterschlupf gefunden und wurde nun dort von der Polizei festgenommen. Er hatte zur Vollstreckung von selbst verhängten Todesurteilen aufgerufen.

Flüchtiger Reichsbürger in Haft

Symbolfoto: O. Feldhaus

Von Lorena Greppo

Weissach im Tal. Passend zum Aktionstag gegen Hassposting ist der Polizei kürzlich die Verhaftung eines in der Reichsbürgerszene bekannten Internethetzers gelungen. Wie die Staatsanwaltschaft in Göttingen in Niedersachsen bestätigte, war der Mann seit dem Sommer untergetaucht. Unterschlupf hat er offenbar bei einer Bekannten und Mittäterin in Weissach im Tal gefunden. Nach aufwendiger Ermittlungsarbeit konnte ihn das Landeskriminalamt Niedersachsen dort ausfindig machen und in der vergangenen Woche festnehmen. Seine Mittäterin hingegen befindet sich noch auf freiem Fuß. „Sie ist in Weissach im Tal gemeldet und es besteht kein Anlass, von einer Fluchtgefahr auszugehen. Wir haben daher keinen Haftgrund gesehen“, erklärt der Göttinger Oberstaatsanwalt Frank-Michael Laue. Die Wohnung der Frau sei jedoch durchsucht worden und umfangreiches Beweismaterial, darunter diverse elektronische Geräte, wurde beschlagnahmt.

Die Social-Media-Kanäle des festgenommenen Mannes wurden inzwischen abgeschaltet. Allerdings ist Letzteres laut Laue kein Grund für übermäßigen Jubel: „Mit diesen Kanälen ist es so: Wenn man zwei Köpfe abschlägt, wachsen drei nach.“

Wer ist der Festgenommene? Laue beschreibt ihn als Angehörigen diverser Szenen: „Reichsbürger, Pseudomilitär, Coronaleugner und Impfgegner – das ist eine ziemliche Mischung“, so der Staatsanwalt. Vor allem aber glaubte der Mann sich wohl über dem deutschen Recht. Seiner verqueren Ansicht nach unterstehe Deutschland einem strategischen Oberkommando der USA, er selbst wiederum sei von Donald Trump zum „Commander“ seines Hauptquartiers bestimmt worden. In dieser Funktion, als selbst ernannter Befehlshaber also, habe der Mann Urteile über andere Menschen verkündet – auch Todesurteile – und seine Anhänger zu deren Vollstreckung aufgerufen.

Auch im Zollernalbkreis wird ermittelt

Die Festnahme in Weissach war nicht die einzige in diesem Zusammenhang. Im Zollernalbkreis durchsuchte die Polizei die Wohnung eines weiteren Mannes, der mit dem Festgenommenen in Verbindung stehen soll. Dieser habe auf dem Messengerdienst Telegram verschiedene Kanäle betrieben, erklärt Laue. Auch er wird der Reichsbürgerszene zugeordnet. Im Sommer hatte die Polizei jenen Mann vorläufig festgenommen, nachdem er unter anderem ein mehrseitiges Drohschreiben an einen Gerichtsvollzieher verfasst hatte, um die Zwangsräumung zu verhindern. Die Staatsanwaltschaft Hechingen und das Kriminalkommissariat Balingen ermittelten daraufhin wegen des Verdachts der Nötigung und Bedrohung.

In Niedersachsen wurden zudem vier Objekte durchsucht und dabei zahlreiche elektronische Geräte wie Computer, Smartphones und Tablets beschlagnahmt. Gegen die Beschuldigten, die sich in der vermeintlichen Anonymität des Internets offenbar sicher fühlten, wird unter anderem wegen des öffentlichen Aufforderns zu Straftaten sowie wegen Volksverhetzung und Beleidigung ermittelt.

„Die konsequente Verfolgung von Hass und Hetze im Internet soll aufzeigen, dass strafrechtlich relevante Äußerungen nicht einfach hingenommen, sondern mit strafprozessualen Maßnahmen nachdrücklich verfolgt werden“, teilen Staatsanwaltschaft Göttingen und LKA Niedersachsen im Zusammenhang mit den Ermittlungserfolgen mit. Durch Hassbotschaften im Internet werde nicht nur das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen, sondern auch der politische Diskurs in der demokratischen und pluralistischen Gesellschaftsordnung angegriffen. „Dieser Entwicklung ist mit Vehemenz entgegenzuwirken“, so die Ermittler. Das Attentat auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke oder der Anschlag auf die Synagoge in Halle zeigten, was passiert, wenn Hass in physische Gewalt umschlägt. Polizei und Staatsanwaltschaft können jedoch nur das verfolgen, von dem sie auch Kenntnis haben. Opfer und Zeugen werden deswegen aufgefordert, Hassbotschaften zur Anzeige zu bringen.