Flughäfen im Südwesten mit Rekorden trotz Klima-Debatte

dpa/lsw Stuttgart/Baden-Baden. Fliegen ist die klimaschädlichste Art zu reisen - doch trotz der öffentlich entbrannten Diskussion steigen vielerorts die Passagierzahlen. Die Flughäfen in Stuttgart und Baden-Baden können gar neue Rekorde vermelden.

Flughäfen im Südwesten mit Rekorden trotz Klima-Debatte

Ein Flugzeug fliegt am Stuttgarter Flughafen über Sonnenblumen hinweg. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Angesichts der Klima-Debatte stehen Airlines und Flughäfen unter öffentlichem Druck wie nie - und dennoch wird auch in Baden-Württemberg munter weiter geflogen: Der Stuttgarter Airport knackt dieses Jahr erstmals in seiner Geschichte die Marke von zwölf Millionen Fluggästen, wie Flughafenchef Walter Schoefer am Mittwoch ankündigte. Man kalkuliere bis Jahresende mit etwa 12,6 bis 12,7 Millionen Passagieren. 2018 waren 11,8 Millionen Menschen in Stuttgart abgeflogen oder gelandet.

Auch der Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden wird eigenen Angaben zufolge dieses Jahr einen historischen Bestwert aufstellen - die Verantwortlichen rechnen mit mehr als 1,3 Millionen Fluggästen bis zum Jahresende, nachdem es im Vorjahr 1,26 Millionen gewesen waren.

Der Bodensee-Airport Friedrichshafen erwartet hingegen vor allem wegen der Insolvenz der Fluggesellschaft Germania Anfang des Jahres einen Rückgang bei der Zahl seiner Passagiere. Man gehe von 500 000 Fluggästen aus - etwa 40 000 weniger als 2018.

Das deutliche Plus bei den Passagierzahlen der Airports in Stuttgart und Baden-Baden fällt mitten in eine Zeit, in der die Fliegerei mehr denn je in der Kritik steht. Fliegen ist die klimaschädlichste Art zu reisen -vor allem Inlandsflüge werden von Aktivisten als Klimasünde bezeichnet. Die Klimabewegung Fridays for Future erregt öffentlich jede Menge Aufmerksamkeit und erhöht so den Druck auf die gesamte Branche. Stuttgarts Flughafenchef Schoefer sagte, die Luftfahrt sei in Deutschland inzwischen einem „Rechtfertigungszwang“ ausgesetzt.

Auch die Bundesregierung hat auf die zugespitzte Klima-Debatte reagiert und unter anderem die Steuern auf Flugtickets zum April 2020 erhöht. Die Luftverkehrsteuer für Flüge im Inland und in EU-Staaten wird um mehr als 5 Euro auf 13,03 Euro pro Ticket, für längere Flüge bis 6000 Kilometer um knapp 10 Euro auf 33,01 Euro angehoben. Bei noch weiteren Flügen sollen 59,43 Euro fällig werden, etwa 18 Euro mehr als bislang. Airlines schlagen diese Steuer wohl zumindest teilweise auf die Flugpreise auf.

Das wiederum hat auch Auswirkungen auf die Geschäfte der Flughäfen. Flughafen-Co-Chefin Arina Freitag sagte: „Wir erleben durchaus, dass unsere Passagiere preisbewusst sind.“ Die Steuererhöhungen würden die Geschäfte „schon ein bisschen beeinflussen“. Dennoch erwarte sie auch für 2020 unter dem Strich einen Gewinn, wenngleich dieser deutlich geringer als 2019 ausfallen werde. Zahlen nannte sie nicht.

Schoefer wies darauf hin, dass die Luftfahrtbranche bereits einige Maßnahmen in Sachen Klimaschutz ergriffen habe. Er hoffe darauf, dass das in der öffentlichen Diskussion anerkannt werde. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), der auch dem Flughafen-Aufsichtsrat vorsitzt, hatte sich in einem Interview in „Stuttgarter Zeitung“ und „Stuttgarter Nachrichten“ zuletzt indes für eine Einschränkung von Kurzstreckenflügen ab Stuttgart eingesetzt: „Wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, wird es aus meiner Sicht als Verkehrsminister nicht möglich sein, dass wir jede Annehmlichkeit, die wir uns leisten und dabei das Klima ruinieren, aufrechterhalten.“

Dass Schoefer und Freitag für kommendes Jahr mit sinkenden Passagierzahlen am Stuttgarter Airport rechnen, hat allerdings einen anderen Hauptgrund: Wegen der Sanierung der Start- und Landebahn sei zwischen Ende April und Mitte Juni nur ein eingeschränkter Flugbetrieb möglich, von daher rechne man 2020 nur mit 12,2 bis 12,3 Millionen Passagieren. In diesem Zuge sollen mehr als 40 Millionen Euro investiert werden. Unabhängig davon sollen bis 2029 weitere 1,2 Milliarden Euro in die Modernisierung der Airport-Terminals fließen. Runderneut will der Flughafen dann bis 2030 etwa 16 Millionen Passagiere jährlich starten und landen sehen.

Um die wachsende Zahl von Autos vor dem Airport zu reduzieren, sollen Passagieren, die in der Landeshauptstadt landen, kommendes Jahr im Rahmen eines mehrmonatigen Tests kostenlose Tickets für den öffentlichen Nahverkehr angeboten werden. Die Fluggäste sollen sich an speziellen Fahrkartenautomaten direkt bei der Gepäckausgabe Gratis-Tickets ziehen können. Diese sollten namentlich gebunden, zwei Stunden gültig und im gesamten VVS-Netz nutzbar sein, sagte Freitag. „Wir sind deutschlandweit der erste Flughafen mit einem solchen Angebot.“ Als Nachweis müsse auch im Bus oder der S-Bahn weiter die Flug-Bordkarte mit sich geführt werden. Die Testperiode sei noch nicht terminiert, solle aber vermutlich zwei bis drei Monate dauern.

Auffällig übrigens trotz aller Meldungen über wachsende Passagierzahlen: Im November brachen die Buchungen für Flüge von Stuttgart in andere deutsche Großstädte im Vorjahresvergleich regelrecht ein - in jeweils zweistelliger Prozenthöhe. Die Verbindungen nach Düsseldorf, Hamburg, Berlin, Frankfurt oder Leipzig waren mit einem Mal deutlich weniger gefragt als noch im November 2018. Der Grund: offen. Vielleicht ein erstes Indiz für eine sich allmählich ausbreitende Flugscham auch im Schwabenland?