Flurputzete in Backnang: Reinemachen mit Gemeinschaftsfaktor

Rund 1300 Freiwillige haben Ufer und Gelände von Müll befreit. Vereine, Gruppen und Stadt haben den Eindruck, dass dieses Jahr etwas weniger achtlos Weggeworfenes in der Landschaft gelandet ist und hoffen auf einen positiven Trend.

Flurputzete in Backnang: Reinemachen mit Gemeinschaftsfaktor

Das Duo zieht Müll am Ufer der Weißach bei Sachsenweiler aus dem Gehölz. Es hat auch eine Vermessungsstange gefunden.

Von Christine Schick

Backnang. Detlef Orthey und Yao Baumann sind am Ortsrand von Sachsenweiler angelangt und machen noch einen Schlenker vorbei an einem geschotterten Parkplatz, bevor es wieder zurück in Richtung Steinbruch geht. Sie sind eines der Zweier- und Dreierteams, die im Backnanger Teilort am Samstag ausgeschwärmt sind, um die Landschaft von Weggeworfenem zu befreien. „Es sind zwei, drei Säcke vollgeworden“, sagt Yao Baumann, der nach einer Pause wieder bei der Flurputzete dabei ist. „Wir haben Glück mit dem Wetter“, stellt Detlef Orthey fest, einen Tag zuvor hat es noch kräftig geregnet. Einen kurzen Schockmoment habe es gegeben, als sie einen toten Hund gefunden haben. Die Hintergründe seien unklar. Eigentlich sind es vor allem Kunststoffreste, die sie aus der Landschaft klauben, auch Kippen gehören zu den typischen Hinterlassenschaften, erzählt Orthey, der schon Jahrzehnte bei der Aktion mit im Boot ist. Gegen 11 Uhr kommen die meisten in der Nähe der Weißach zusammen. Weitere seltenere Fundstücke sind eine Vermessungs- und Eisenstange und ein Schlüsselbund.

„Wir sind um die 30 Leute“, sagt Jürgen Kemmler, Vorsitzender des Angelsportvereins. Im Ort tun sich Letzterer, der Siedlerverein und Menschen aus der Bürgerschaft zusammen, um gemeinsam aufzuräumen. Zwar sei der Pegelstand der Weißach wegen der Regenfälle relativ hoch und das Wasser trüb, sprich nicht so gut absuchbar, gleichzeitig hat Kemmler den Eindruck, dass es im Vergleich zur Coronazeit davor weniger Müll geworden ist.

Beim Sammeln lernt man sich kennen

Eine Wahrnehmung, die auch andere schildern. Alexander Rahmig vom Anglerverein Backnang und Umgebung erzählt, dass sie in den letzten Jahren auch schon mal einen Schwung Einkaufswagen aus der Murr gezogen hätten, dieses Mal bei den verschiedenen Einsatzorten vor allem viel Folienreste und Kleinkruscht dabei gewesen seien. Ausreißer war ein mächtiger Lkw-Reifen. Joachim Heitkämper ist ganz neues Mitglied, vor rund einem Monat zu den Anglern gestoßen. Er sieht den Einsatz als gute Aktion im Sinne des Naturschutzes. „Es hat doppelt Spaß gemacht, weil man sich so auch kennengelernt hat“, sagt er.

Für Steffen Hoffmann, der dem Technischen Hilfswerk Backnang vorsteht, gehört die Flurputzete seit über 20 Jahren mit zum ehrenamtlichen Engagement. Er schätzt, dass es 30 bis 55 Mitglieder sind, die entlang der Sulzbacher Straße, der Heinrich-Herz-Straße und Bundesstraße14 bis zur Spritnase unterwegs waren, um Abfälle einzusammeln. „Das ist ein relativ großes Gebiet und wir haben immer wieder mit dem Verkehr zu kämpfen“, erzählt er. Zwar stellen die Mitglieder Warnschilder auf, trotzdem müssen die Ehrenamtlichen die Autofahrer im Blick haben, von denen einzelne nicht die gebotene Rücksicht beziehungsweise Vorsicht walten lassen. Ein Mitglied sei fast von einem Spiegel gestreift worden. „Das ist nicht ganz ungefährlich.“ Zu den Punkten, bei denen besonders viel Müll zusammenkommt, gehört das Umfeld von Schnellrestaurants, berichten die Mitglieder, die sich wie andere Helferinnen und Helfer im Feuerwehrgerätehaus Backnang nach ihrem Einsatz einfinden und sich das Vesper der Stadt schmecken lassen.

„Wir haben mit vielleicht 15 Leuten Maubach abgegrast“, erzählt Oliver Werner, stellvertretender Abteilungskommandant der Feuerwehr in Maubach. Die Freiwilligen rund um die Feuerwehr sowie im Ort oder Ortschaftsrat Aktiven haben ebenfalls weniger Müllaufkommen festgestellt. „Es war vergleichsweise sauber, vielleicht, weil die Putzete ja bereits die Woche über läuft“, sagt Werner. Es sei prima, gemeinsam in Aktion zu treten, etwas zusammen zu machen. Angesichts des Mülls wünscht er sich, dass mehr Menschen auch auf Pfandgeschirr zurückgreifen. Mit dem System Recup (wir berichteten) gibt es diese Möglichkeit und eine App hilft ihm beim Finden von Anbietern und möglichen Rückgabestellen.

Oberbürgermeister Maximilian Friedrich trifft aus Schöntal ein. Er zeigt ein Handyfoto eines stattlichen Polstersessels, den sie aus einem kleinen See gezogen haben. Er freut sich, in dem Backnanger Teilort mit einer stattlichen, bunt gemischten, generationsübergreifenden Gruppe unterwegs gewesen zu sein. In der Runde mit Erstem Bürgermeister Stefan Setzer, Bauhofleiter Rafael Bidlingmaier und Tiefbauamtsleiter Lars Kaltenleitner fällt die Bilanz zur Putzete positiv aus. Konnten Schulen und Kindergärten schon während der Woche losziehen, ist der Samstagvormittag vor allem für Vereine, Institutionen und Initiativen der klassische Einsatztermin. „Wir möchten das auch weiterhin so handhaben, die Putzete hat ja auch einen sozialen, gesellschaftlichen Charakter“, sagt Setzer. Darüber, dass das Müllaufkommen abgenommen hat – auch entlang der Bundesstraße, sprich überörtlich – wertet die Runde positiv und hofft auf eine Art Trend, im Idealfall vor dem Hintergrund eines gestiegenen Umweltbewusstseins. Im Umfeld von Schnellrestaurants finden sich aber immer noch sehr viele achtlos weggeworfene Abfälle.

Pfandringe als sinnvoller Baustein

Eine Wiederverwendung von Behältnissen liegt da als Alternative zu Einwegsystemen auf der Hand. Passend dazu haben Oberbürgermeister Maximilian Friedrich und Lars Kaltenleitner am frühen Samstagmorgen den Startschuss für einen der vier weiteren Pfandringe gegeben, die nun in Backnang genutzt werden können. Vor einem Jahr hat die Stadt auf Initiative des Stadtjugendrings eine solche Miniplattform für Pfandflaschen als Teil eines Mülleimers in der Grabenstraße vor dem dortigen Drogeriemarkt eingerichtet (wir berichteten). Auf ihr können Findlinge beziehungsweise Exemplare abgestellt werden und sich so Menschen anbieten, die das Pfand einlösen möchten. Maximilian Friedrich sagt: „Die Erfahrungen aus dem ersten Pfandring in der Grabenstraße waren sehr positiv. Die Ausweitung des Projekts auf weitere Abfalleimer ist damit eine logische Konsequenz – insbesondere in den hoch frequentierten Bereichen rund um die Innenstadt. Auch wenn wir uns alle wünschen, dass niemand finanziell auf das Sammeln von Pfand angewiesen ist, tragen die Pfandringe der Realität Rechnung. Sie bieten all diesen Menschen die Möglichkeit, Pfand zu sammeln, ohne dafür menschenunwürdig im Müll wühlen zu müssen.“ Lars Kaltenleitner ergänzt: „Wichtig für den Nutzen der Pfandringe ist vor allem unser eigenes Verhalten. Nur wenn wir unser Pfand auch in die Pfandringe stellen, anstatt sie in den Müll zu werfen, kann das Projekt auch gelingen.“

Flurputzete in Backnang: Reinemachen mit Gemeinschaftsfaktor

Oberbürgermeister Maximilian Friedrich mit Tiefbauamtsleiter Lars Kaltenleitner und Bauhofleiter Rafael Bidlingmaier (von links) beim neuen Pfandringstandort im Biegel, der ab sofort genutzt werden kann. Fotos: Alexander Becher

Die Stadt Backnang stattet vier neue Standorte beziehungsweise Mülleimer mit Pfandringen aus

Bilanz Bei der 37. Murr-, Bach- und Flurputzete Backnang haben sich rund 1300 Menschen beteiligt. Zu den kuriosen Fundstücken gehört ein altes Schlauchboot, das in Germannsweiler aufgetaucht ist. Rafael Bidlingmaier schätzt, dass rund zehn Container Müll zusammengekommen sind, was etwa 15 bis 20 Tonnen entspricht.

Pfandringe Backnang hat mit dem System Pionierarbeit geleistet. Die Stadt ist die erste und bislang einzige Kommune im Kreis, die Pfandringe an öffentlichen Mülleeinern angebracht hat. Im Biegel beim Brückengeländer an der Sulzbacher Straße ist nun nach dem ersten in der Grabenstraße im März des vergangenen Jahres ein weiterer Pfandring installiert worden. In den nächsten Tagen kommen drei weitere Standorte hinzu: an der Murrpromenade auf Höhe der Murrtreppe, am Annonaygarten sowie im Kreuzungsbereich zwischen Uhland- und Schillerstraße. Die Kosten liegen bei etwa 280 Euro.