Forscher warnt: Fluchtbewegung aus Nahost durch Klimawandel

dpa Beirut. Temperaturen bis zu 56 Grad Celsius - das könnte in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts im Nahen Osten sommerliche Realität werden. Ein Klimaforscher warnt vor ernsten Konsequenzen.

Forscher warnt: Fluchtbewegung aus Nahost durch Klimawandel

Der fast ausgetrocknete Urmia-See. Der größte Binnensee des Irans verliert immer mehr an Wasserfläche. Foto: Farshid-Motahari Bina/dpa

Die Erderwärmung wird den Nahen Osten und Nordafrika nach Ansicht der Klimaforschers Jos Lelieveld besonders stark treffen und neue Flüchtlingsströme auslösen.

Die Region habe sich zu einem Hotspot des Klimawandels entwickelt und erwärme sich viel schneller als andere Gebiete, sagte der Direktor des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie der Deutschen Presse-Agentur.

Über Wochen anhaltende Hitzewellen mit Temperaturen von bis zu 56 Grad Celsius oder sogar von mehr als 60 Grad in Städten könnten viele Gebiete für Menschen und Tiere in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts unbewohnbar machen, erklärte der Wissenschaftler weiter. „Selbst Kamele können bei solcher Hitze nicht überleben.“ Hitzewellen in Verbindung mit anderen Faktoren wie einem starken Bevölkerungswachstum wiederum würden den Druck zur Migration erhöhen.

„Katastrophenszenario“

Sollte die Erderwärmung nicht gestoppt werden, könnte Lelieveld zufolge die Durchschnittstemperatur in der Region im Sommer um sechs Grad steigen. „Das ist ein Katastrophenszenario, aber kein Fantasieszenario“, sagte er. Die dortige Durchschnittstemperatur sei schon seit 1980 um fast zwei Grad gestiegen. Zum Vergleich: Bei der Klimakonferenz haben sich die Länder dazu bekannt, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen.

Besonders schwer treffen wird der Temperaturanstieg nach Angaben des Wissenschaftlers die Golfländer. Aber auch andere Regionen würden die Folgen zu spüren bekommen. Der Libanon, Syrien, der Irak und Israel, aber auch Ägypten würden in Zukunft unter größerer Trockenheit leiden, sagte Lelieveld. Wüsten dehnten sich aus. Teile Syriens und des Iraks hatten in diesem Jahr eine schlimme Dürre erlebt, die die Ernte massiv zurückgehen und Lebensmittelpreise steigen ließ.

Zunehmender Regen in den Tropen Asiens würden in Zukunft durch weniger Niederschlag im subtropischen Nahen Osten und Nordafrika kompensiert, sagte Lelieveld. Dadurch gerate die Region in einen Teufelskreis. „Weniger Niederschlag führt zu mehr Trockenheit, wodurch diese Gebiete noch wärmer werden“, sagte er. Die Vorhersagen ließen sich durch Daten gut belegen: „Da gibt es wenig Unsicherheit.“

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Kinder im Süden Madagaskars. Die schlimmste Dürre seit 40 Jahren gefährdet in dem vor Afrikas Ostküste gelegenen Inselstaat das Leben hunderttausender Menschen. Foto: Tsiory Andriantsoarana/WFP/dpa