Fragestunde im britischen Parlament: Auftakt für Wahlkampf

dpa London. In Großbritannien schießen sich die Parteien bereits auf den politischen Gegner ein. Am 12. Dezember soll gewählt werden. Premier Johnson will damit das Brexit-Patt auflösen. Doch der Urnengang birgt auch Risiken.

Fragestunde im britischen Parlament: Auftakt für Wahlkampf

Premier Boris Johnson spricht im britischen Unterhaus. Foto: Uk Parliament/Jessica Taylor/AP/dpa

Der britische Premierminister Boris Johnson und Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei haben sich zum Wahlkampf-Auftakt ein heftiges Wortgefecht geliefert.

Bei der voraussichtlich letzten Fragestunde vor der geplanten Neuwahl am 12. Dezember warf Johnson seinem Widersacher vor, die Wirtschaftskraft des Landes mit seinen Plänen für Steuererhöhungen und Verstaatlichungen aufs Spiel zu setzen. Corbyn bezichtigte Johnson hingegen, mit einem geplanten Handelsabkommen mit den USA den „Ausverkauf“ des Landes anzusteuern. Beide versprachen, in den Nationalen Gesundheitsdienst NHS zu investieren.

Das Unterhaus hatte am Dienstag für ein Gesetz zur Neuwahl am 12. Dezember gestimmt. Das Gesetz muss noch vom Oberhaus abgesegnet werden. Doch das gilt in diesem Fall eher als Formalie.

Umfragen zufolge liegen die Konservativen von Johnson weit vor der Labour-Partei. Doch anders als Labour haben die Tories keine Aussicht darauf, als Minderheitsregierung von einer anderen Partei unterstützt zu werden. Es gilt nicht als ausgeschlossen, dass wieder keine der großen Parteien eine absolute Mehrheit der Mandate erringt.

Johnsons geplanter Brexit-Deal wird die heimische Wirtschaft einer aktuellen Studie zufolge in den kommenden Jahren rund 70 Milliarden Pfund (81 Mrd Euro) kosten. Das Bruttoinlandsprodukt werde in zehn Jahren rund 3,5 Prozent niedriger ausfallen als im Falle einer EU-Mitgliedschaft Großbritanniens, teilte das unabhängige Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung (NIESR) am Mittwoch in London mit. Jährlich werde die Konjunktur um 3 Prozent nachgeben, das entspreche etwa der Wirtschaftskraft von Wales.

Die Regierung wies die Ergebnisse zurück. Sie plane ein „ehrgeizigeres“ Freihandelsabkommen mit der EU als es die Studie vorsehe, zitierten britische Medien einen Sprecher des Finanzministeriums.

Das Institut betonte hingegen, eine Einigung auf den vereinbarten Deal „würde die Risiken eines ungeordneten Austritts reduzieren, aber die Möglichkeit einer engeren Handelsbeziehung mit der EU verhindern“. Ein Grund für den Konjunkturrückgang seien nachlassende Investitionen. Ein Brexit ohne Abkommen („No Deal“) würde die Wirtschaft sogar um 5,6 Prozent zurückwerfen, so die Autoren.

Oppositionsparteien zitierten die Studie als Beweis dafür, dass Johnsons Brexit-Plan die heimische Wirtschaft stark schädige. „Wir wissen, dass kein Deal so gut ist wie der, den wir aktuell als Mitglied der EU haben“, sagte der Brexit-Beauftragte der proeuropäischen Liberaldemokraten, Tom Brake.

Die Fragestunde im Unterhaus dauerte ungewöhnlich lange. Parlamentspräsident John Bercow, der an diesem Donnerstag sein Amt abgeben wird, musste mit den Tränen kämpfen, als er sich bei seiner Familie für deren Unterstützung bedankte.