Militär in Europa

Frankreich führt freiwilligen Wehrdienst ein

Präsident Emmanuel Macron stellt zur Rückkehr des Militärdienstes in Frankreich klar, wie man mit einem Fronteinsatz umgehen werde.

Frankreich führt freiwilligen Wehrdienst  ein

SNU-Angehörige bei einer Zeremonie in der Normandie 2025

Von Stefan Brändle

Emmanuel Macron will die Ankündigung am Donnerstag vor Alpeninfanteristen in Grenoble machen; in einem Radiointerview hat er allerdings die meisten Punkte vorweggenommen. So erklärte der französische Präsident, sein Land müsse wie andere EU-Staaten wieder einen Wehrdienst schaffen, da die Bedrohung des alten Kontinentes zunehme. Russland gebärde sich „viel aggressiver“ als noch zu Sowjetzeiten.

Der konservative Präsident Jacques Chirac hatte die allgemeine Wehrpflicht 1996 abgeschafft. Er hielt eine kleinere, aber mobile Berufsarmee für geeigneter, um die Sicherheit und Verteidigung im 21. Jahrhundert mit lokalen Missionen wie etwa in Afrika oder dem Mittleren Osten zu gewährleisten. Aber die Erinnerung an die „levée en masse“(Massen-Aushebung), die auf die französische Revolution zurückging, blieb intakt. Macron schuf deshalb 2017 einen „universellen Nationaldienst“ (SNU).

Tausend Euro Lohn

Dieses hybride, sehr teure und militärisch umstrittene Konzept stieß in der Bevölkerung auf wenig Verständnis – in der Armee auf offene Ablehnung. Der Präsident gestand sein Scheitern nach der Covid-Phase ein. Der neue und freiwillige Wehrdienst hat zum Ziel, „den Pakt zwischen der Armee und der Nation zu verstärken“, wie Macron dem Radiosender RTL sagte. Er soll zehn Monate dauern und mit rund tausend Euro im Monat entlohnt werden.

Fürs erste sollen 10 000 Freiwillige – Frauen wie Männer – ausgebildet werden; 2035 soll der Bestand 50 000 erreichen. Militärexperten zufolge sollen die Freiwilligen-Einheiten militärische Aufgaben abseits der Front übernehmen, aber auch für zivile Aufgaben wie das Anti-Terror-Dispositiv Sentinelle beigezogen werden.

Damit sollen sie die heutige Berufsarmee aus 200 000 Soldaten entlasten. Macron meinte ebenfalls, die Profisoldaten sollten sich stärker „auf ihre Missionen konzentrieren“ können. Dieses Konzept hat der französische Generalstab in den letzten Monaten auf Wunsch des Staatschefs ausgearbeitet. Es wurde mit anderen europäischen Armeespitzen, darunter vor allem der Bundeswehr, abgesprochen.

Weniger weit als in Deutschland geht in Frankreich traditionell die politische Debatte über Sinn und Zweck eines Wehrdienstes. Die russlandfreundlichen Links- und Rechtspopulisten wandten sich gegen die Freiwilligenarmee. La France insoumise von Jean-Luc Mélenchon und das Rassemblement National von Marine Le Pen verdächtigten Macron, er wolle sie für Einsätze in die Ukraine vorsehen. Der Staatschef stellte aber diese Woche klar, dass es nicht infrage komme, „unsere Jugendlichen in die Ukraine zu schicken“.

Macron: „Wir sind bedroht“

Damit antwortete er indirekt auch auf eine Polemik der letzten Tage. Generalstabschef Fabien Mandon hatte erklärt, Frankreich müsse sich darauf einstellen, in einem Krieg „seine Kinder zu verlieren“. Mit diesem Weckruf meinte er nicht Kinder an sich, sondern die Mitglieder der nationalen Gemeinschaft – so, wie auch die französische Nationalhymne mit den Worten „Auf, Kinder des Vaterlandes“ beginnt.

Nicht ausgeschlossen ist es dagegen laut Macron, dass französische Berufssoldaten in der Ukraine als Friedenstruppen zur Absicherung einer Waffenruhe zum Einsatz kämen. Das dürfe man nicht mit einem Angriffskrieg verwechseln, zumal russische Interkontinentalraketen auch französischen Boden erreichen könnten. „Wir sind in Reichweite dieser Systeme, wir sind bedroht“, führte Macron aus.

Parallel zur Rückkehr des freiwilligen Wehrdienstes will der Generalstab auch die traditionell geringe Zahl französischer Reservisten in wenigen Jahren von 47 000 auf 80 000 erhöhen. Die Berufsarmee soll um 15 000 Frauen und Männer aufgestockt werden. Im Vergleich zur Bundeswehr zählt Frankreich mehr Berufssoldatinnen und Berufssoldaten, dafür jedoch weniger Zeitsoldaten und Reservisten.