Fünf Diebstähle – ein Jahr Gefängnis

Backnanger Amtsgericht verurteilt 34-jährigen Mann – Von einem Alkoholproblem will er nichts wissen

Fünf Diebstähle – ein Jahr Gefängnis

Symbolbild: Bilderbox/Erwin Wodicka

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Der Angeklagte muss sich einem Gerichtsverfahren wegen Diebstahls in fünf Fällen stellen. Doch zur festgesetzten Zeit ist er nicht zugegen. Der Staatsanwalt vermutet, dass er sich abgesetzt hat. Die Richterin telefoniert mit der zuständigen Polizeidienststelle im Remstal und bittet um Vorführung. Kurze Zeit später stellt sich der Angeklagte dann doch von sich aus ein. Man sieht ihm an, dass er auf dem Weg in den Gerichtssaal in den Regen gekommen ist.

Im März 2018 hat es, so die vom Staatsanwalt verlesene Anklageschrift, begonnen. Bis April dieses Jahres ließ der Angeklagte in großen Geschäften Kleidungsstücke im Gesamtwert von knapp 1400 Euro mitgehen. Da sich die Diebstähle zum Teil in Murrhardt abspielten, wird die Sache im Backnanger Amtsgericht verhandelt. Der Mann macht keine Ausflüchte. Er gibt die Taten zu. Aber er sei, so betont er, kein Dieb. Auf die Frage der Richterin nach dem Grund für die Diebstähle gibt er Geldnot an. Zudem sei sein Vater an Krebs erkrankt.

Von Frau und Tochter lebt der 34-Jährige getrennt. Demnächst ist die Scheidung zu erwarten. Seine Frau habe ihn immer wieder mit Fragen genervt: „Zahlst du dies? Zahlst du jenes?“ Mit dem Verkauf der gestohlenen Sachen wollte er den an ihn gestellten Ansprüchen genügen. Mühsam ist es für die Richterin, all diese Antworten aus dem Angeklagten herauszubekommen. Er spricht, wenn auch mit ausdrucksstarken Handbewegungen, sehr undeutlich. Kurz versucht es der Staatsanwalt mit Französisch. Aber schließlich ist das ja nicht seine Aufgabe. Ein Dolmetscher ist nicht bestellt. Dazu scheint der Angeklagte furchtbar übermüdet, er sinkt, wenn er nicht zu antworten hat, auf seinem Stuhl immer wieder zusammen und scheint demnächst einschlafen zu wollen.

Das Gedächtnis des Angeklagten weist große Lücken auf

Nach seinem Werdegang befragt, weist sein Gedächtnis große Lücken auf. 2011 ist er nach Deutschland gekommen. In einem Betrieb im Remstal hat er Lebensmittel verpackt, dann auch bei McDonald’s gearbeitet. Verschiedentlich wechselte er zwischen diesen beiden Arbeitgebern hin und her. Genauere Angaben lässt sein Erinnerungsvermögen nicht zu. Gegenwärtig sei er wieder bei McDonald’s. Nachtschicht. Was wiederum seine offenbare Müdigkeit erklärt. Zwischendurch ist er dann in seinem Heimatland Algerien gewesen.

Bei diesen Ausführungen fällt ihm ein, dass er ja verschiedene Unterlagen mitgebracht hat. Ein Konvolut von Papieren hat er ungeschützt durch den Regen getragen. Sein Rechtsanwalt hilft ihm beim Sichten der regennassen Papierstücke. Und entdeckt dabei sein eigenes Schreiben an den Angeklagten. Der Regen hat dem Brief besonders zugesetzt. Die Ehefrau des Angeklagten, so stellt sich heraus, arbeitet im Landratsamt und bekommt ein auskömmliches Gehalt. Die gemeinsame Tochter ist vier Jahre alt. Aber nun die Scheidung. Das sei eine furchtbare Schande für ihn. Vor allem, so betont der Angeklagte, gehöre er von seiner Herkunft her zu den Berbern in seinem Heimatland. „Er sei kein Araber“, hebt er betont hervor. Aber mit der anstehenden Scheidung sei er für sein Leben bei seinen Landsleuten geächtet.

Irgendwie scheint der Angeklagte resigniert zu haben. Von der Richterin nach dem Genuss von Alkohol oder Drogen befragt, gibt er an, manchmal zu trinken. Doch die Richterin will’s genauer wissen. Eine Flasche Wodka jeden Tag. Aber, so sagt der gelernte Konditor, er habe kein Alkoholproblem. Das nehmen ihm die am Verfahren Beteiligten freilich nicht so ganz ab. Fünf Einträge wegen Diebstahls weist das Vorstrafenregister des Angeklagten auf. Dabei ist der Alkoholkonsum aktenkundig geworden.

Der Staatsanwalt verweist in seinem Plädoyer auf das Geständnis des 34-Jährigen. Die Diebstähle seien zum Teil durch Überwachungskameras festgehalten worden. Den tieferen Grund für die Taten sieht der Anklagevertreter aber in der Alkoholsucht des Mannes. Bedauerlicherweise würde er diesen Zusammenhang leugnen. Mit 14 Monaten will der Staatsanwalt die Taten geahndet wissen. Besondere Umstände, die Strafe zur Bewährung auszusetzen, sehe er nicht.

Der Verteidiger des Angeklagten beleuchtet nochmals die Motivlage seines Mandanten. Er plädiert für eine zehnmonatige Strafe. Und was die Bewährung angeht, so hat er eine vorsichtige positive Sozialprognose. Schließlich habe sein Mandant im Augenblick eine Arbeitsstelle. Bei einer Bewährungsstrafe sollten freilich Auflagen wie die Bestellung eines Bewährungshelfers dem 34-Jährigen helfen, in ein geordnetes Leben zurückzufinden. Zum letzten Wort aufgefordert, sagt der Angeklagte nur: „Punkt!“

Nach kurzer Beratung schickt die Richterin mit ihrem Urteil den Angeklagten für ein Jahr ins Gefängnis. Seit er sich in Deutschland aufhalte, so führt die Richterin aus, sei er immer wieder durch Diebstahlsdelikte aufgefallen. Und in der Gesamtbeurteilung deutlich pessimistisch sagt sie: „Sie machen es immer wieder.“ Eine günstige Sozialprognose könne sie nicht erkennen. So gebe es auch keinen Grund, die Strafe zur Bewährung auszusetzen.

Dem Verurteilten ist das alles irgendwie einerlei. Er ist nur eins: hundemüde.