Fünf Jahre Haft nach illegalem Rennen

dpa Deggendorf. Ein verbotenes Rennen zwischen einem Motorrad und einem Sportwagen im Bayerischen Wald endet tödlich - der Fahrer eines entgegenkommenden Oldtimers stirbt. Die beiden Raser sind zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Doch der Richter fordert noch mehr.

Fünf Jahre Haft nach illegalem Rennen

Ein Holzkreuz steht bei Achslach an der Stelle, an der die Männer bei einem Rennen den Tod eines weiteren Autofahrers verursacht haben sollen. Foto: Armin Weigel/dpa

Zwei Männer verabreden sich im Bayerischen Wald zu einer Verfolgungsfahrt zwischen Motorrad und Sportwagen. Die kurvenreiche Strecke ist bei Rasern bekannt und beliebt. An jenem Abend im Juli 2018 gerät die Situation außer Kontrolle.

Der 28-jährige Autofahrer prallt mit seinem roten Audi TT RS gegen einen entgegenkommenden Oldtimer-Opel. Dessen Fahrer ist sofort tot, sein kleiner Sohn lebensgefährlich verletzt und seither schwerbehindert. Vor dem Landgericht Deggendorf sind die Männer zu jeweils einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden.

Regungslos hören sich die Angeklagten die Urteilsverkündung an. Der jüngere - ein Bundespolizist - verliert zudem seine bisherige berufliche Existenz. In keinem Vergleich dazu stünden die Folgen der Raserei für die Familie der Opfer, das betonen auch die Verteidiger der beiden Angeklagten in ihren Plädoyers. Der Richter spricht von „unendlichem Leid“, das der Unfall für die Familie bedeute. Er legt den Männern Teilnahme an einem unerlaubten Fahrzeugrennen mit Todesfolge und schwerer Gesundheitsschädigung sowie fahrlässige Körperverletzung zur Last, dem Motorradfahrer zudem Unfallflucht.

Als der 28-Jährige die Kontrolle über seinen Audi verlor, war er einem Sachverständigen zufolge wohl mit 120 Stundenkilometern unterwegs. Die Kurve ist den Berechnungen des Experten zufolge mit maximal Tempo 105 beherrschbar zu durchfahren. Der Vorsitzende Richter bilanziert, die beiden Männer hätten die physikalischen Grenzen ausgereizt. „Zwei rennbegeisterte Personen haben ihren Geschwindigkeitswahn ausgelebt.“ Der 38-jährige Oldtimerfahrer habe keine Chance gehabt, den Zusammenstoß mit dem Audi zu verhindern.

Die Witwe des Mannes verfolgt den Prozess als Nebenklägerin. Als der Staatsanwalt die zahlreichen, massiven und „nicht überlebbaren“ Verletzungen aufzählt, die ihr Mann erlitt, kommen der Frau Tränen. Ihr Sohn, der bei dem Unfall auf dem Beifahrersitz saß, mehrere Knochenbrüche und eine Verletzung am Stammhirn davontrug, leidet bis heute unter den Folgen. Gehen, Sprechen, Essen und Trinken musste er neu lernen, auf einem Auge ist er nahezu blind, ein Arm gelähmt, ein Bein geschient. Er besucht nun eine Förderschule, absolviert täglich ein straffes Rehaprogramm. Der Zehnjährige hat als Zeuge ausgesagt und mit seinem tapferen Auftreten die Zuschauer beeindruckt.

Nach Ansicht von Staatsanwalt und Nebenklage-Anwalt haben die beiden Angeklagten emotionslos auf die Aussage des Kindes reagiert und generell zu wenig Schuldeinsicht gezeigt. Positiv werten sie, dass die Männer im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleiches 31.000 und 25.000 Euro an die Opferfamilie gezahlt haben. Zudem schrieb der Autofahrer nach dem Unfall Kondolenzbriefe. In ihren letzten Worten vor der Urteilsverkündung beteuern sie, dass ihnen das Geschehen leid tue.

Erschwerend wertet das Gericht beim Motorradfahrer, dass dieser die Unglücksstelle verlassen habe, ohne sich um die Opfer zu kümmern - und das, obwohl er von anderen Ersthelfern explizit darum gebeten worden sei. Zu Hause habe er sich Straßenkleidung angezogen. Danach kehrte er mit dem Auto zur Unfallstelle zurück.

Der Richter kritisiert, dass die Strecke als Raserstrecke bekannt sei. Auch der Motorradfahrer sei mit seiner gelben, hochmotorisierten Maschine als Raser bekannt gewesen. Zeugen hätten sinngemäß gesagt, dass man sich unter Nachbarn nunmal nicht anzeige, solange nichts passiere. „Wir brauchen mehr Zivilcourage“, fordert der Richter.

Zuletzt sorgten in Deutschland mehrere Raser-Unfälle für Aufsehen. Freitag vergangene Woche starb in München ein 14-Jähriger, als er von einem Raser an einer Ampel gerammt wurde. Vor zwei Wochen hatte das Landgericht Stuttgart gegen einen 21-Jährigen fünf Jahre Jugendstrafe verhängt unter anderem wegen eines verbotenen Rennens mit Todesfolge. In Darmstadt hatten die Richter in einem Raser-Prozess die Tat auch als Mord gewertet. Das Landgericht verurteilte den 19 Jahre alten Fahrer zu sechs Jahren und vier Monaten Jugendstrafe.

Den für Mord erforderlichen Tatvorsatz sah der Richter im aktuellen Fall ausdrücklich nicht. Die Männer hätten niemanden töten wollen.

Das deutschlandweit erste Mordurteil wegen einer Raserfahrt hat der Bundesgerichtshof im Februar 2017 kassiert. Die Richter sahen den bedingten Tötungsvorsatz bei den beiden Angeklagten nach einem tödlichen Autorennen in der Berliner Innenstadt nicht ausreichend belegt. Im neu aufgerollten Prozess wurden die Männer im März erneut wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Diese Entscheidung ist - ebenso wie das Urteil in Deggendorf - noch nicht rechtskräftig.