Für den Linksruck fehlt die Preisangabe

Sozialdemokraten beziffern Kosten ihrer sozialpolitischen Ideen nicht – Generalsekretär verweist auf Steuern als Finanzierungsquelle

Von Thorsten Knuf

Die SPD weiß jetzt, wohin sie will: nach links. Die Partei bastelt an einem Konzept für eine Reform des Sozialstaats. Sie will Hartz IV durch ein Bürgergeld ersetzen mit weniger Sanktionen und Staatszugriff. Das wirft die Frage auf, wie sinnvoll solche Reformen sind und was sie kosten.

Berlin

Frage: Wie teuer würde der von der SPD geplante Umbau des Sozialstaats?

Antwort: Bei der Klausur am Sonntag und Montag in Berlin hat die SPD-Führung ein Papier verabschiedet, das sich auf Reformen in der Arbeitswelt konzentriert. Weitere Vorschläge für Rente, Gesundheit, Pflege und Wohnen sollen folgen. Über Kosten macht die Partei bisher keine Angaben. Zu den bereits bekannten Reformplänen gehört auch die von Sozialminister Huberts Heil entwickelte Grundrente. Allein sie soll mit einem mittleren einstelligen Milliarden-Betrag zu Buche schlagen. Die SPD weiß noch nicht, wie teuer ihre Vorhaben werden könnten. Aber sie hat eine Vorstellung davon, wo zusätzliches Geld zu holen wäre: „Erst mal haben wir momentan Steuereinnahmen, die sind da“, sagte Generalsekretär Lars Klingbeil am Montag im ZDF. Für den Erhalt des Sozialstaats müsse man „auch Superreiche zur Verantwortung ziehen“. Klingbeil ergänzte: „Die Vermögensteuer ist ein Punkt, über den wir als SPD nachdenken.“ Die Steuer ist seit 1997 faktisch abgeschafft. Mit einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes liebäugeln die Sozialdemokraten ohnehin.

Frage: Müsste das ganze Geld aus den Staatskassen, also vom Steuerzahler kommen?

Antwort: Die Grundrente will die SPD in der Tat aus dem Bundeshaushalt zahlen. Die arbeitsmarktpolitischen Forderungen, auf die sich der Parteivorstand jetzt verständigte, tangieren hingegen auch die Sozialkassen, in die bekanntlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzahlen. So sollen ältere Beschäftigte künftig länger Arbeitslosengeld I beziehen können. Wer seinen Job verliert, soll einen Anspruch auf Qualifizierung haben, wobei entsprechende Maßnahmen dann die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds verlängerten. Der Mindestlohn soll auf zwölf Euro pro Stunde steigen. Das ginge also zunächst zulasten der Arbeitgeber. Firmen, die sich nicht an Tarifverträge halten, sollen steuerlich schlechtergestellt und von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.

Frage: Wie reagieren die Sozialpartner?

Antwort: Die Gewerkschaften sind regelrecht begeistert. „Die Sozialdemokraten korrigieren die Fehler der Vergangenheit, indem sie etwa die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I verlängern, die Sanktionen bei Hartz IV abmildern und den Anspruch auf Weiterbildung stärken wollen“, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann. Auch die Erhöhung des Mindestlohns wird begrüßt. Die Arbeitgebervereinigung BDA aber bringt sich gegen die SPD mit Macht in Stellung. Der Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte: „Das Konzept mag der SPD zur eigenen Traumabewältigung dienen, für unseren Wirtschaftsstandort ist die Rückabwicklung der Agenda 2010 und die weitgehende Regulierungspolitik aber mehr Gegen- als Rückenwind.“

Frage: Was sagen unabhängige Experten?

Antwort: Der Chef des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), Hilmar Schneider, sagte unserer Zeitung: „Die Forderung nach einer Abschaffung der Sanktionen beim Arbeitslosengeld II ist absurd.“ Wer glaube, dass Sanktionen nicht notwendig seien, gehe entweder davon aus, dass die Jobcenter ohnehin nicht helfen können oder dass Bezieher der Grundsicherung schon von sich aus alles in ihrer Macht Stehende tun, um eine Beschäftigung zu finden. „Beides entbehrt jeder Grundlage“, sagte Schneider. Wer sich nicht helfen lassen wolle, habe keinen Anspruch auf Unterstützung durch die Solidargemeinschaft. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher, sagte: „Ich begrüße ausdrücklich den Willen der SPD, die Sozialsysteme so neu zu gestalten, dass die Eigenverantwortung der Menschen gestärkt wird, dass erbrachter Leistung mehr Re­spekt gezollt wird und positive Anreize geschaffen werden.“ Fratzscher schränkte jedoch ein: „Ganz hinter sich können und sollen reformierte Sozialsysteme Hartz IV aber nicht lassen, dieses System hat sich im Großen und Ganzen bewährt und muss ergänzt und verbessert werden.“