„Für mich ist die Familie einfach klasse“

Wir sind Familie (12): Das Ehepaar Karin und Helmut Orthwein hat sich für Dauerpflegschaft entschieden. Dass es so gut klappt, liegt auch an der guten Zusammenarbeit mit den verschiedenen beteiligten Stellen.

Von Simone Schneider-Seebeck

KIRCHBERG AN DER MURR. Für Karin Orthwein war von Anfang an klar – Kinder gehören zum Leben dazu. Als Mitglied einer großen Familie hat sie besonders die Familienfeiern immer genossen. „Für mich ist Familie einfach klasse“, sagt die Kinderpflegerin aus vollem Herzen. Ganz bewusst haben sie und ihr Mann Helmut sich deshalb entschlossen, Pflegekindern eine Heimat bei sich zu geben. Zunächst hatten sie sich um eine Adoption bemüht. Doch im Verlauf des Verfahrens war das Ehepaar damals auf die Möglichkeit der Dauerpflege aufmerksam geworden.

Ein familienfremdes Kind bei sich aufzunehmen, ist gar nicht so einfach. „Man wird auf Herz und Nieren durchgecheckt“, erinnert sich die Kirchbergerin. Zahlreiche Dokumente müssen vorgelegt werden, so ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis und ein Gesundheitszeugnis. Ein Hausbesuch durch die Behörde ist Pflicht, ebenso verschiedene Seminare der zukünftigen Pflegeeltern, um für mögliche Probleme oder den Alltag mit einem Pflegekind gut vorbereitet zu sein. Und ist so weit alles vorbereitet, heißt es zunächst einmal – warten. Warten auf das Kind, das dazugehören wird. Bis dann endlich der erlösende Anruf kam. Ein kleiner Junge, 14 Monate alt, er wurde von seiner Mutter gerade in einem Mutter-Kind-Heim zurückgelassen.

Alle Ängste und Zweifel verfliegen, als sie den Jungen zum ersten Mal sehen.

Freudig, gespannt und auch nervös fahren Helmut und Karin Orthwein hin, um „ihr“ Kind kennenzulernen. Wie kann man feststellen, ob der Kleine zu ihnen passen wird? Normalerweise hat man ja doch einige Monate Zeit, um sich auf die Ankunft des neuen Familienmitglieds vorzubereiten. Hier geht es schneller. Doch alle Ängste und Zweifel verfliegen, als sie den kleinen Lucas auf dem Wickeltisch sitzen sehen und er beide mit großen Augen anstrahlt. Das ist Liebe auf den ersten Blick.

Die damalige Sachbearbeiterin beim Jugendamt habe genau gewusst, wer zu ihnen passt, ist die Pflegemama dankbar. Erst nach drei Wochen nehmen sie den Buben mit heim. Zunächst mal gibt es eine Zeit des Kennenlernens und der Annäherung. Mittlerweile ist der kleine Knopf seinen Eltern über den Kopf gewachsen und zählt stolze 17 Jahre.

Den Eltern ist klar, dass der Sprössling nicht allein aufwachsen soll. Und auch er selbst wünscht sich ein Geschwisterkind. Allerdings gehen einige Jahre ins Land, bis es schließlich klappt. Diesmal ist es ein kleines Mädchen, für das eine Familie gesucht wird. Zwei Jahre alt ist Jessica da, ein fröhliches, immer strahlendes Mädchen, als sie zu den Orthweins kommt. Seit gut zehn Jahren leben sie nun wie eine typische Bilderbuchfamilie zusammen. Zwischen den Geschwistern läuft es wie in anderen Familien auch, mal lieben sie sich, mal streiten sie sich. Beide sind erfolgreich in der Schule, sie pflegen ihre Hobbys, wachsen wie ganz normale Teenager auf.

Einige Unterschiede gibt es aber doch. Die Pflegeeltern gelten rein rechtlich betrachtet als Hilfeerbringer, elterliche Rechte können teilweise bei den leiblichen Eltern verbleiben oder werden an einen Vormund übertragen, so etwa das Aufenthaltsbestimmungsrecht. In Jessicas Fall haben die Orthweins die Vormundschaft übernommen; dies kommt jedoch selten vor. In Lucas’ Fall ist eine Vormündin vom Jugendamt bestellt, einmal im Monat trifft er sich mit ihr und tauscht sich mit ihr aus. Zudem wird einmal im Jahr ein sogenannter Mündelbericht für das Amtsgericht erstellt. Darin steht dann, was sich im Laufe des Jahres so getan hat, wie es in der Schule läuft und Ähnliches. Zweimal im Jahr stehen dann auch die Hilfeplangespräche an.

Besonders wichtig ist Karin Orthwein der Pflegeelternkreis. Acht bis zwölf Pflegeeltern treffen sich seit Jahren regelmäßig einmal im Monat, um sich über die speziellen Bedürfnisse und Situationen in einer Pflegefamilie auszutauschen. Moderiert wird der Treffpunkt von einer Fachkraft des Jugendamts. So gut wie keinen Termin hat die Kinderpflegerin in all den Jahren ausgelassen, an dem Austausch liegt ihr sehr viel. Wichtig ist ihr und ihrem Mann auch, dass ihre Kinder den Kontakt zu den leiblichen Geschwistern nicht verlieren. Beide haben mehrere Brüder und Schwestern und mindestens einmal im Jahr trifft man sich mit ihnen und deren Familien. Ganz erstaunlich ist es manchmal, wie ähnlich sich die Kinder zum Teil sind oder verhalten, auch wenn sie in unterschiedlichen Familien aufwachsen. Überhaupt wird Wert darauf gelegt, dass die Ursprungsfamilie nicht außen vor gelassen wird. „Biografiearbeit“ nennt sich das. Die Zeit vor der Ankunft bei der Pflegefamilie gehört selbstverständlich zur Lebensgeschichte des Kindes dazu, und das wird auch vermittelt. Doch das Allerwichtigste ist für Karin Orthwein: „Wir sind eine Familie mit ganz normalen Hochs und Tiefs wie jede andere Familie auch – mit Schulalltag, Flötenunterricht, Jungschar, Hausaufgaben, Ehrenämtern, Modellsportgruppe, Elternabenden, Elternbeiratssitzungen, Voll- und Halbtagsjob und Freizeitgestaltung.“