„Für mich ist es immer noch ein Traumjob“

Sulzbachs Bürgermeister Dieter Zahn ist das dienstälteste Gemeindeoberhaupt im Rems-Murr-Kreis. Seit seinem Amtsantritt 1992 bis heute haben sich die Aufgaben einer Kommune stark verändert, aber die Motivation des 61-Jährigen ist ungebrochen. Ob er 2024 nochmals antritt?

„Für mich ist es immer noch ein Traumjob“

Dieter Zahn war schon immer ein begeisterter Radfahrer. Aber seit einer Fußverletzung und dem Kauf eines E-Bikes hat er dieses Hobby noch intensiviert. Im Sommerurlaub radelte er mit seiner Frau 1400 Kilometer entlang der alten deutsch-deutschen Grenze. Foto: J. Fiedler

Von Matthias Nothstein

Sulzbach an der Murr. Seit Bürgermeister Andreas Schaffer im Juni nach 35 Amtsjahren den Chefsessel von Plüderhausen geräumt hat, ist Sulzbachs Rathauschef Dieter Zahn der dienstälteste Bürgermeister im Rems-Murr-Kreis. 29 Jahre lang leitet er bereits die Geschicke der Gemeinde und sagt voller Überzeugung: „Für mich ist das immer noch ein Traumjob.“

Als Zahn am 12. Mai 1992 sein Amt antritt, ist Deutschland erst seit zwei Jahren wiedervereint. Damals sind viele Ressourcen in den Osten geflossen, erinnert sich das Gemeindeoberhaupt. Das alles beherrschende Thema war das Zusammenwachsen von West und Ost. Zahn beklagt sich nicht direkt, dass über die Rettung der Betriebe und Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern der Westen zu kurz gekommen ist. Aber der Betriebswirt weiß auch: „Wenn sich der Staat auf ein solch großes Thema konzentriert, dann gibt es logischerweise wenig andere Schwerpunkte.“

Die Aufgaben in Sulzbach waren aber trotzdem existent. Zahn listet die großen Themen auf, die er sofort nach seinem Wechsel aus der Kämmerei von Spiegelberg auf den Chefsessel von Sulzbach angepackt hat: „Die Erweiterung der Realschule, der Ausbau der L1066 nach Spiegelberg, das neue Baugebiet Ziegeläcker.“ Bei der Realschule ging die Gemeinde gar mit 4,5 Millionen Mark in Vorleistung, „ohne zu wissen, ob wir Zuschüsse bekommen werden“. Er sei froh gewesen, dass der Gemeinderat damals den Weg mitgegangen ist.

Nachhaltige Projekte wurden in Sulzbach schon früh gefördert

Heute hingegen hängen viele Projekte mit der Digitalisierung und dem Klimawandel und Hochwasserschutz zusammen. Wobei es Zahn wichtig ist, zu betonen, dass er schon sehr früh nachhaltige Projekte gefördert hat. Konkret nennt er den Ausbau des Nahwärmenetzes, das zu 90 bis 95 Prozent aus den regenerativen Energiequellen Hackschnitzel und Biogas gespeist wird. „Mit dem Bau des Nahwärmenetzes haben wir 1994 begonnen. Heute sind alle öffentlichen Gebäude außer der Sporthalle daran angeschlossen.“

Die Frage, ob er 2024 bei der Bürgermeisterwahl nochmals antritt, lässt Zahn derzeit unbeantwortet. Es wäre seine fünfte Amtszeit. „Aus heutiger Sicht sehe ich es so: Wenn man eine Aufgabe übernimmt, und Bürgermeister-Sein ist eine große Aufgabe, kann man einiges bewegen. Das macht mir immer noch Spaß, ich bin sehr motiviert und habe noch einige Themen, bei denen ich dranbleiben möchte.“ Der 61-Jährige verweist darauf, dass dies auch eine Entscheidung ist, die er zusammen mit seiner Frau treffen möchte. „Das war auch 1991 so, als ich mich das erste Mal beworben habe. Ein solches Amt muss immer mitgetragen werden von der Partnerin.“

Auf der anderen Seite sieht Zahn aber keinen Grund, nicht weiterzumachen, zumindest sofern die Gesundheit es zulässt. Die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat bezeichnet er als gut, „das kann man auch an den vielen umgesetzten Projekten gut ablesen“. Auch mit den Bürgern gibt es wenig Probleme. Er empfindet zwar auch, dass der Respekt gegenüber Amtspersonen in den jüngsten Jahren geschwunden ist, aber im Ort ist dies noch nicht so spürbar. Und bei der letzten Wiederwahl haben ihm immerhin über 90 Prozent der Wähler das Vertrauen ausgesprochen, „das war ein ordentliches Ergebnis“.

Allerdings liegt der Tiefpunkt seiner Amtszeit auch noch nicht lange zurück, es war ein Vorfall mit Gästen des „Sulzbacher Hofs“ vor genau einem Jahr. Damals sei er zu der Auseinandersetzung zwischen dem Wirt und Maskengegnern gerufen worden, blieb aber letztendlich im Hintergrund. Trotzdem war er in der Folge die Zielscheibe obskurer Zeitgenossen. So lautete eine Frage im Netz: „Warum lebt dieser Bürgermeister noch?“ Die Polizei fuhr danach tagelang Streife vor dem Haus des Bürgermeisters. Heute nennt Zahn den Vorfall ein „Scharmützel“ und beklagt den Stil in den sozialen Medien, wo jede Form des Anstands vergessen und die Kommunikation unversöhnlicher und aggressiver werde.

Viel tiefer im Gedächtnis verhaftet bleiben jedoch die Höhepunkte seines Wirkens. Für Zahn sind das jeweils die Schwerpunkte seiner einzelnen Wahlperioden. In den drei Wahlprospekten vor seiner jeweiligen Wiederwahl sind all die Erfolge aufgelistet. Zahn blättert sie mit einer gewissen Zufriedenheit durch. Immer wieder fällt das Stichwort Landessanierungsprogramm, mit dem die Gemeinde die Ortsmitte voranbringen wollte. So konnte die Industriebrache Murrhardter Straße nicht nur saniert, sondern so umgewandelt werden, dass der große Arbeitgeber Erkert der Gemeinde erhalten blieb, da das Unternehmen erweitern konnte.

„Die Sanierung des Schlosses Lautereck war ein Herzensthema von mir“

Aber auch der Bau des Kindergartens Ziegeläcker, des Altenpflegeheims Lautertal, des Rewe-Marktes, des Ärztehauses oder die Erweiterung der Sporthalle wertet Zahn als große Erfolge. „Und die Sanierung des Schlosses Lautereck war ein Herzensthema von mir.“ Ein weiteres Thema, das laut Zahn in besonderer Weise heraussticht, ist, „dass es mir/uns gelungen ist, Marianna Thodi als Kinderärztin zu gewinnen, das war sicherlich kein Selbstläufer“. Nun freut sich Zahn umso mehr, dass Sulzbach „als kleine Gemeinde seit vielen Jahren einen Kinderarzt hatte und nun eine Kinderärztin hat“.

Das Schöne am Amt ist, dass ein Bürgermeister Verantwortung übernehmen kann, „der Gestaltungsspielraum in der Kommunalpolitik ist sehr groß, die Erfolge sind unmittelbar zu sehen. Aber auch das, was nicht so gelungen ist.“ Das Aufgabenfeld eines Bürgermeisters ist laut Zahn durchaus komplex: „Er muss, in Zusammenarbeit mit der eigenen Verwaltung und dem Gemeinderat, das Bestmögliche für die Gemeinde und deren Bürger herausholen.“ Dazu gehört auch das Thema Zuschüsse. „Ohne Co-Finanzierung sind oft wichtige Investitionen nicht möglich.“

Ein Grund, 2024 noch nicht aufs Altenteil zu wechseln, sind die Projekte, die Zahn in den nächsten Jahren noch realisieren möchte. So etwa die Sanierung und den barrierefreien Umbau des Rathauses, die Neugestaltung des Bahnhofs und dessen Umfeld und das Thema Bauhof. „Das sind noch drei anspruchsvolle Projekte.“

Nach 29 Jahren zieht Zahn ein Zwischenfazit: „Das Amt des Bürgermeisters ist kein Zuckerschlecken. Aber wer Herausforderungen mag, der ist da gut aufgehoben. Ich mag es, mit Menschen umzugehen, ich habe Freude an Gesprächen und Kontakten.“ So besucht der gebürtige Marbacher das Jahr über zwischen 60 und 100 Geburtstags- oder Hochzeitsjubilare. „Das sind oft nette Begegnungen, bei denen ich noch etwas mehr über den Ort und die Menschen erfahren kann. Ich bekomme die Lebensgeschichten mit. Das ist spannend und Teil der Ortsgeschichte. Ich mache die Besuche gerne.“ Als Bürgermeister müsse man auch führen können, die Mitarbeiter im Rathaus ebenso wie das Gremium, und den richtigen Umgang pflegen mit den Behörden und der Presse. Und wenn einer der drei Söhne heute sagen würde: „Papa, ich möchte Bürgermeister werden.“ Zahn: „Ich würde ihm nicht abraten, sondern mich freuen. Ich habe es nie bereut und bin aus Überzeugung in Sulzbach geblieben, obwohl es Avancen gab, auch in anderen Gemeinden zu kandidieren.“