Der neue Netflix-Film „Frankenstein“ begeistert weltweit. Doch was steckt hinter der Geschichte des berühmten Wissenschaftlers, der das Leben bezwingen wollte?
Im neuen Netflix-Hit wird Victor Frankenstein von Oscar Isaac verkörpert.
Von Katrin Jokic
Seit dem 7. November ist Guillermo del Toros „Frankenstein“ auf Netflix verfügbar – und stieg sofort auf Platz eins der globalen Netflixcharts ein. 29,1 Millionen Aufrufe in der ersten Woche machten die düstere Neuinterpretation des Klassikers zum meistgesehenen Film der Streamingplattform. In Deutschland erreichte der Film Platz zwei.
Mit Oscar Isaac als Victor Frankenstein, Jacob Elordi als Kreatur und Christoph Waltz in einer Nebenrolle überzeugt die Neuverfilmung durch eine Mischung aus Horror, Tragödie und philosophischer Tiefe.
Gab es Victor Frankenstein wirklich?
Die Antwort lautet: Nein. Victor Frankenstein ist eine fiktive Figur aus dem Roman „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ von Mary Shelley, der 1818 zunächst anonym erschien. Die damals erst 20-jährige Autorin schuf damit eine der bedeutendsten Schauerfiguren der Literaturgeschichte – und zugleich eine frühe Auseinandersetzung mit wissenschaftlicher Hybris.
Im Mittelpunkt steht der junge Schweizer Wissenschaftler Victor Frankenstein, der in seiner Besessenheit, den Tod zu überwinden, aus Leichenteilen ein neues Lebewesen erschafft. Doch das Experiment gerät außer Kontrolle, das Wesen wird zum Sinnbild menschlicher Überheblichkeit und Isolation.
Ursprung und Entstehung des Romans
Mary Shelley schrieb die Geschichte 1816 während eines verregneten Sommers am Genfersee. Gemeinsam mit ihrem zukünftigen Ehemann Percy Bysshe Shelley, Lord Byron und anderen Freunden verbrachte sie Wochen in der Villa Diodati – während draußen das „Jahr ohne Sommer“ tobte, ausgelöst durch den Vulkanausbruch des Tambora.
In dieser Runde entstand die Idee, sich gegenseitig Schauergeschichten zu erzählen. Shelley ließ sich von damaligen naturwissenschaftlichen Theorien inspirieren: galvanische Experimente, die angeblich tote Organismen durch Elektrizität zum Zucken brachten, und philosophische Debatten über den Ursprung des Lebens. Nach einem Albtraum über einen zum Leben erweckten Leichnam begann sie, „Frankenstein“ zu schreiben.
Das Werk verbindet romantische Naturerfahrung, moralische Fragen und frühe Technikfantasien. Die Kreatur – oft fälschlich selbst „Frankenstein“ genannt – ist dabei weniger Monster als tragische Gestalt: ein fühlendes Wesen, das von der Gesellschaft verstoßen wird.
Elordi wurde mit 42 Prothesen in Frankensteins Kreatur verwandelt. (Bild: Ken Woroner/ Netflix)
Mythen und Legenden
Immer wieder wurde spekuliert, Shelley habe sich von realen Orten inspirieren lassen – etwa von der Burg Frankenstein bei Darmstadt oder vom Alchemisten Johann Konrad Dippel, der dort im 17. Jahrhundert lebte. Historisch belegt ist das aber nicht. Shelley hielt sich zwar kurz am Rhein auf, besuchte die Burg aber nachweislich nie. Die Verbindung zwischen Dippel und Frankensteins Figur ist somit reine Legende – wenn auch eine, die die Faszination des Mythos bis heute nährt.
Die Besetzung im neuen Film
In Guillermo del Toros Adaption wird die klassische Geschichte neu interpretiert.
Del Toro greift Shelleys zentrale Motive – Schöpfung, Schuld und Verantwortung – auf und überführt sie in eine visuell opulente, moderne Tragödie.
Victor Frankenstein hat nie existiert – doch seine Geschichte bleibt zeitlos. Sie stellt die Frage, wie weit Wissenschaft gehen darf, und erinnert daran, dass jedes Streben nach Macht über das Leben seinen Preis hat.