Gauland-Nachfolge: In der AfD liegen die Nerven blank

dpa Berlin. Die AfD wählt in Braunschweig eine neue Parteispitze. Wer das Rennen macht, ist schwer vorherzusagen. Denn auf den letzten Metern haben noch etliche Kandidaten ihr Interesse angemeldet, die Gauland und Meuthen nicht auf dem Zettel hatten.

Gauland-Nachfolge: In der AfD liegen die Nerven blank

Überraschungskandidat: Der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon, der nicht mehr der AfD-Fraktion angehört. Er steht wegen Antisemitismusvorwürfen parteiintern in der Kritik. Foto: Tom Weller/dpa/Archivbild

Der Bundesparteitag der AfD in Braunschweig dürfte keine besonders friedliche Veranstaltung werden. Das liegt nicht nur an den Gegnern der Rechten, die Protestaktionen rund um den zweitägigen Parteitag angekündigt haben. Auch bei einigen AfD-Spitzenleuten liegen die Nerven blank.

Denn in den vergangenen Tagen haben sich noch einige Überraschungskandidaten gemeldet, die an die Spitze der Partei drängen. Einer von ihnen ist der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon, der wegen Antisemitismusvorwürfen auch parteiintern in der Kritik steht.

Der Bundestagsabgeordnete Hansjörg Müller veröffentlichte ein Video, in dem er sich über die Bewerbung seines Fraktionskollegen Roland Hartwig als Parteivize lustig macht.

Der amtierende Co-Vorsitzende Jörg Meuthen und der sächsische Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla haben nach Einschätzung von Insidern die besten Chancen auf die zwei Spitzenposten. Doch sicher ist bei der AfD gar nichts. Selbst eine erneute Kandidatur von Alexander Gauland, der den „gärigen Haufen“ AfD seit Jahren erfolgreich zusammenhält, ist nicht ausgeschlossen.

Der 78-Jährige, der sich den Vorsitz seit zwei Jahren mit Meuthen teilt, hat zwar angekündigt, er wolle sich aus dem Bundesvorstand zurückziehen. Sollte es seinem Wunschkandidaten Chrupalla im ersten Anlauf jedoch nicht gelingen in die erste Reihe zu rücken - könnte Gauland doch noch einmal antreten.

Programmatische Entscheidungen stehen auf dem zweitägigen Parteitag nicht an. Doch auch daran, wen die Delegierten diesmal in den Vorstand wählen, wird sich ablesen lassen, welchen Kurs die Partei der Protestwähler und Migrationsgegner einschlagen wird. Und wie stark der rechtsnationale „Flügel“ der Partei inzwischen ist, den der Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ im rechtsextremen Spektrum einstuft.

JÖRG MEUTHEN (58) steht seit Juli 2015 an der Spitze der AfD - anfangs als Co-Vorsitzender neben Frauke Petry, später zusammen mit Gauland. Dass er im ersten Wahlgang so viel Zuspruch erhalten wird wie beim Parteitag in Hannover im Dezember 2017 - damals stimmten 72 Prozent der Delegierten für ihn - gilt als unwahrscheinlich. Das liegt auch daran, dass er in den vergangenen Monaten etwas auf Distanz zum rechtsnationalen „Flügel“ des Thüringer AfD-Landeschefs Björn Höcke gegangen war. Meuthen selbst schätzt, dass sich etwa 30 Prozent der AfD-Mitglieder dem „Flügel“ zugehörig fühlen oder mit der Strömung sympathisieren.

NICOLE HÖCHST (49) aus Rheinland-Pfalz könnte Meuthen dieses Mal einige Stimmen abjagen. Die Bundestagsabgeordnete betont zwar ihre Unabhängigkeit. Hinter den Kulissen heißt es jedoch, etliche „Flügel“-Anhänger könnten ihr die Stimme geben, um Meuthen einen Denkzettel zu verpassen. Zu den Themen, mit denen sich die frühere Lehrerin als Abgeordnete beschäftigt, gehören Sexualaufklärung in der Schule und Digitalisierung im Bildungswesen.

TINO CHRUPALLA (44) war eine Zeit lang kaum aufzuhalten. Bei der Bundestagswahl 2017 jagte der Malermeister dem heutigen CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) in Görlitz das Direktmandat ab. Die Fraktion hat ihn im September als stellvertretenden Vorsitzenden im Amt bestätigt. Zu Alexander Gauland hat Chrupalla einen guten Draht. Für den Familienvater aus Sachsen spricht auch, dass Meuthen sagt, er könne sich eine Zusammenarbeit mit ihm gut vorstellen. Denn nach den schlechten Erfahrungen, die man in der AfD mit dem notorisch zerstrittenen Führungsduo Jörg Meuthen/Frauke Petry gemacht hat, gilt ein Mindestmaß an Harmonie als wünschenswert.

DANA GUTH (49), die wahrscheinlich gegen Chrupalla antreten will, ist Fraktionsvorsitzende der AfD im niedersächsischen Landtag. Sie wird innerparteilich dem Lager der Gemäßigten zugerechnet. Ihr Handicap ist, dass die Ost-Verbände nach den zurückliegenden Landtagswahlen für den Osten mehr Macht im Bundesvorstand reklamieren. Allerdings stammt auch Guth aus dem Osten, ist in der DDR geboren.

GOTTFRIED CURIO (59) hat seine Kandidatur für den Vorsitz erst eine Woche vor dem Parteitag angekündigt. Dem Vernehmen nach will der innenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion nicht gegen Meuthen antreten, sondern gegen Chrupalla kandidieren. Im Gegensatz zu ihm verfügt Curio nicht über ein dichtes Netzwerk persönlicher Kontakte in der Partei. Anders als bei Chrupalla hat sich bislang auch keiner der bekannten Spitzenpolitiker der Partei hinter seine Kandidatur gestellt. Allerdings: Curio hat es durch seine stets im harten Stakkato vorgetragenen Bundestagsreden zu Migrationsthemen zu bundesweiter Bekanntheit gebracht. Von Anhängern der AfD wird er dafür regelrecht gefeiert.

ALEXANDER GAULAND (78) ist der Joker in diesem Spiel. Er will zwar eigentlich nicht mehr für den Vorstand kandidieren. Sollte sich Chrupalla jedoch nicht durchsetzen und erneut eine Patt-Situation wie bei dem Bundesparteitag vor zwei Jahren in Hannover entstehen, könnte er womöglich doch noch antreten.

Im Dezember 2017 wäre die Überraschungskandidatin Doris von Sayn-Wittgenstein um ein Haar Parteivorsitzende neben Meuthen geworden. Die damals unter den Delegierten noch weitgehend unbekannte Frau aus Schleswig-Holstein kandidierte gegen den Berliner Landeschef Georg Pazderski. Als kein Kandidat die erforderliche Mehrheit erhielt, trat Gauland im nächsten Wahlgang an. Daraufhin zog sich Sayn-Wittgenstein zurück. Sie wurde später aus der Partei ausgeschlossen - unter anderem wegen Kontakten zu dem rechtsextremistischen Verein Gedächtnisstätte, der auf der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der Partei steht.

Aus dem rechten Parteiflügel kommt jetzt der Vorschlag, die Liste abzuschaffen. Die Delegierten sollen darüber abstimmen. Bisher ist es so, dass Menschen, die einer Partei oder Gruppierung angehören, die auf der Liste stehen, nicht in die AfD aufgenommen werden dürfen. Das gilt in der Regel auch für frühere Mitgliedschaften.

Und noch ein zweites strittiges Thema dürfte in Braunschweig auf den Tisch kommen: die Frage, wer für die vom Bundestag verhängten Strafzahlungen in der Affäre um Spender mit Kontakten in die Schweiz aufkommen soll. Hier geht es vor allem um Werbemaßnahmen zugunsten von Meuthen und Guido Reil sowie um einen inzwischen zurückgezahlten Betrag für den Bundestagswahlkampf von Weidel.