Geben, Nehmen und die Liebe Gottes

Landrat Sigel und Kämmerer Geißler legen Entwurf des Kreishaushalts 2019 vor – Verbales Scharmützel um Kreisumlage

Landrat Richard Sigel und Kreiskämmerer Frank Geißler haben gestern den Kreisräten fast 850 Seiten, gespickt mit Zahlen, aufgetischt: den Kreishaushalt 2019. Die Frage, wie stark Städte und Gemeinden zur Finanzierung beitragen sollen, bot gleich Anlass zu einem Scharmützel. Backnangs OB Frank Nopper mahnte zur Zurückhaltung mit dem Bibelwort: „Geben ist seliger als Nehmen.“ Darauf konterte Geißler mit einem Wort des Apostels Paulus: „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“

Geben, Nehmen und die Liebe Gottes

Die Grunderwerbsteuer macht sich als Einnahmequelle gegenüber der Kreisumlage relativ bescheiden aus. Grafik-Vorlagen: Landratsamt

Von Armin Fechter

BACKNANG. Schauplatz der rhetorischen Höhenflüge war gestern Nachmittag das Backnanger Bürgerhaus. Dort versammelte sich der Kreistag, um den Entwurf für den Etat 2019 präsentiert zu bekommen. Doch ehe Landrat Sigel und Kämmerer Geißler das Zahlenwerk vorstellen konnten, hatte OB Nopper als Hausherr Gelegenheit zu einem Grußwort. Und die nutzte das Stadtoberhaupt nicht nur, um die Murr-Metropole in den schönsten Farben als Stadt darzustellen, in der die Zeichen auf Wachstum stehen. Er wandte sich vielmehr flugs auch dem Wort zu, das, wie er sagte, je nach Standpunkt des Betrachters eine Lustvokabel oder ein Unwort sei: Kreisumlage. In den Rathäusern löse es Furcht und Schrecken, im Kreishaus am Alten Postplatz in Waiblingen aber Freude und Begehrlichkeit aus. Bei der Kreisumlage handelt es sich um den Finanzierungsbeitrag, den die Kommunen an den Landkreis leisten müssen. Seine Höhe wird als Anteil der kommunalen Steuerkraft festgesetzt.

Eine umlagefinanzierte Körperschaft wie der Landkreis neige jedoch, so zitierte Nopper den früheren Waiblinger OB Schmidt-Hieber, zu einer gewissen Trägheit bei Haushaltskonsolidierung und Sparsamkeit, weil man immer an der Umlageschraube drehen könne. Hätte der Landkreis dagegen neben der kargen Grunderwerbsteuer eine weitere eigene Finanzierungsquelle, würde er sicherlich bewusster mit seinen knappen Mitteln umgehen. Doch die Beträge, die abzuführen sind, seien ständig gestiegen, ja, davongaloppiert. Kreis- und Kommunalpolitiker säßen in einem Boot, auf dem man sich partnerschaftlich begegnen solle; da dürften die Kommunen nicht via Kreisumlagebescheid zu kraft- und zahnlosen Galeerensklaven werden. Nopper rief daher mit Blick auf den vielfältigen Investitionsbedarf in den Kommunen dazu auf, der Landkreis möge sich beim Nehmen – bei der Kreisumlage – zurückhalten, denn Geben sei seliger als Nehmen.

Der Landrat atmete tief durch, dankte dem OB für sein „erfrischendes Grußwort“, das die perfekte Überleitung zum Hauptpunkt der Tagesordnung bilde, und bestätigte dann: Ein eigener Steueranteil wäre auch ganz in seinem Sinne. Doch das zu regeln liege nicht in der Hand eines Landkreises. Im Übrigen habe man sich bemüht, den 31 Rathäusern in diesem Jahr mit der Kreisumlage keine Angst und keinen Schrecken einzujagen. Denn der Hebesatz soll von 35,4 auf 34,0 Prozent sinken, wobei die Summe aber dennoch weiter steigt: von 207 auf 212 Millionen Euro. Das liegt daran, dass die Steuerkraft der Städte und Gemeinden erneut kräftig gestiegen ist, nämlich um rund 39 Millionen Euro. Bei gleichbleibendem Hebesatz ergäbe sich dann ein Anstieg des Umlageaufkommens um fast 14 Millionen Euro. Von diesem theoretischen Plus sollen nun zwei Drittel bei den Kommunen verbleiben, ein Drittel will der Landkreis abschöpfen, wofür ein Hebesatz von 34,0 Prozent ausreicht. „Ich denke, dies ist ein ausgewogener Vorschlag“, sagte Kreiskämmerer Geißler, der mit dem Etat 2019 seinen neunten und letzten Haushaltsplanentwurf vorlegte. Zugleich erwiderte er mit einem schelmischen Augenzwinkern auf Noppers Bibelzitat mit einem Satz aus einem Korintherbrief des Paulus, wonach Gott einen fröhlichen Geber lieb hat.

Sigel zeigte sich zuversichtlich, dass es in diesem Jahr nicht nötig sein werde, um Zehntel bei der Kreisumlage zu feilschen, wie dies in der Vergangenheit öfter der Fall war – zumal sich die Rahmenbedingungen seit Aufstellung des Etatentwurfs unterm Strich um eine Millionen Euro verschlechtert hätten. Gleichzeitig warb er eindringlich darum, mit dem sich abzeichnenden guten Ergebnis 2018 Schulden zu tilgen und die Konsolidierung voranzutreiben.

Anlässlich der Vorlage des Etats zog Sigel ein vorgezogenes Zwischenfazit zur Hälfte seiner Amtszeit. Auf der Dauerbaustelle Kreisfinanzen „ernten wir die ersten Früchte“. Das zeichnet sich auch bei den Kliniken ab: Der Zuschussbedarf sinkt im kommenden Jahr auf 18,3 Millionen Euro – 2016 waren es fast 30 Millionen. Allerdings warnt Sigel vor einer Mogelpackung für die Kliniken beim Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, das eine neue Lücke von einer Million Euro reißen könnte. Bei den Flüchtlingskosten sei ein struktureller Durchbruch erzielt worden, der Landkreis kann eine zusätzliche Erstattung von 12 Millionen Euro erwarten.

Geben, Nehmen und die Liebe Gottes

Der Hebesatz für die Kreisumlage sinkt auf einen, so Sigel, „schon fast historisch niedrigen Wert“.