Gegenseitige Stützen im Alltag

Wir sind Familie (7): Die Patchworkfamilie Jack/Daubner aus Backnang pflegt regelmäßige Beziehungen – Jeder trägt zu einem guten Miteinander bei

Jasmin Jack und Oliver Daubner sind verheiratet und haben eine 22 Monate alte Tochter: Malia. Bei ihnen wohnt außerdem der 19-jährige André, Sohn von Oliver und dessen geschiedener Frau Christine Daubner. Die alleinerziehende Mutter sorgt für die 15-jährige Ciara und den 9-jährigen Jayden, dessen Vater Rico Wagenknecht ist. Die Patchworkfamilie trifft sich zu Feiertagen und hilft einander, den Alltag zu bewältigen.

Gegenseitige Stützen im Alltag

Die Familie Jack und Daubner pflegt ein gutes Miteinander. Auf der Bank im Garten treffen sich (von links, hinten) Oliver Daubner und André Daubner sowie (vorne) Jasmin Jack, Malia Jack, Ciara Daubner sowie Christine Daubner. Foto: J. Fiedler

Von Uta Rohrmann

BACKNANG. Sie gehören zu den Menschen, die jetzt so wichtig geworden sind für unsere Gesellschaft, weil ihre Arbeit systemrelevant ist. Jasmin Jack ist in zwei kieferorthopädischen Praxen tätig. Die zahnmedizinische Fachangestellte hat eine Fortbildung zur kieferorthopädischen Praxismanagerin absolviert. Ihr Mann Oliver Daubner, gelernter Industriemechaniker und technischer Fachwirt, ist im medizintechnischen Automationsbereich beschäftigt. Als Monteur arbeitet er am Bau von Maschinen für Präanalytik mit, die die Qualität diagnostischer Leistungen steigern und helfen, Laborergebnisse Ärzten und Patienten schnell und sicher zugänglich zu machen. André, Daubners Sohn aus erster Ehe, absolviert im zweiten Jahr seine Lehre zum Mechatroniker. Derweil wird die gemeinsame Tochter Malia, die im Juni zwei Jahre alt wird, an vier Tagen in der Woche von einer Tagesmutter betreut. Ein Tag ist Opatag, an dem sich Jasmin Jacks Vater in Korb um das Mädchen kümmert.

Bei Jasmin Jacks Herkunftsfamilie spielt der Zusammenhalt untereinander bis heute eine wichtige Rolle. „Freitags sind wir zum Vesper bei der 80-jährigen Uroma, also bei der Mama von meinem Papa. Es gibt Fleischkäse und Brötchen. Meine Eltern sind dabei, auch mein Onkel, meine Cousine und Cousin treffen wir“, erzählt die 33-Jährige.

Einer Patchworkkonstellation geht in der Regel voraus, dass Beziehungen zerbrechen. Sie ist nicht geplant. Dass ein gutes Miteinander auch zwischen Ex-Partnern und neuen Partnern entsteht, ist nicht unbedingt naheliegend. Auch bei der Patchworkfamilie Jack und Daubner kam das nicht von heute auf morgen.

Im Oktober 2001 heirateten Christine und Oliver Daubner. Er war 19, sie 21, ihr gemeinsamer Sohn André ein dreiviertel Jahr alt. „Wir waren halt sehr jung“, sagt der heute 38-Jährige. Er hatte eine Maurerlehre begonnen, doch nach anderthalb Jahren war die Firma pleite gegangen. Olivers oberstes Ziel war jetzt, Geld zu verdienen, um die Familie zu ernähren. „Ich habe mich von Job zu Job gehangelt, als Hilfsarbeiter. Wir haben mit null angefangen, hatten zunächst keine eigene Wohnung. Zu dritt haben wir auf 30 Quadratmetern gelebt.“

Turbulenzen sorgten für emotionale Achterbahnfahrten

Daubner arbeitete im Lager, beim Paket- und beim Sicherheitsdienst, als Waschstraßenbetreuer. Schließlich hatten sie eine angemessene Wohnung und ein geregeltes Einkommen – Christine arbeitete inzwischen als Tagesmutter. Doch bald gab es neue Turbulenzen. Wenige Monate vor Ciaras Geburt im November 2004 wurde die Waschstraße umgebaut, Oliver verlor seinen Job. Und ausgerechnet jetzt wurde ihnen die Wohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt. Sie zogen in eine kleinere Wohnung, arbeiteten beide hart für den Lebensunterhalt der Familie – er als Expresskurier im Drei-Schicht-Betrieb, sie als Tagesmutter und abends als Reinigungskraft. Mit der Zeit lebten sie sich auseinander. „Wir sahen uns nur, wenn er Frühschicht hatte“, erinnert sich Christine Daubner. Es gab kaum mehr Gespräche, dafür immer mehr Streit. Schließlich zog Oliver den Schlussstrich. Christine suchte Trost bei ihrem neuen Freund Rico Wagenknecht, wurde bald schwanger. Beim Sport lernte Oliver Jasmin Jack kennen, sie wurden ein Paar. „Zum Zeitpunkt der Scheidung hatte jeder sein eigenes Leben“, sagt er. Das war 2010, zwei Tage vor Heiligabend und fünf Tage vor der Geburt von Jayden. „Es war schon eine emotionale Achterbahn“, räumt die inzwischen 40-Jährige ein.

Auch für Oliver ist die Zeit nach der Trennung nicht einfach. Sein Vater war vor Kurzem gestorben, er hatte sich um seine Mutter zu kümmern, das Auto hatte er Christine überlassen, wegen der Kinder. Er absolvierte seine Umschulung zum Industriemechaniker, hatte kaum Geld. „Ohne Jasmin hätte ich es nicht geschafft. Sie hat sich unheimlich viel Mühe gegeben“, sagt Daubner. Um die Familienkasse aufzubessern, arbeitete Jack zusätzlich im Servicebereich und baute sich einen Tupperware-Vertrieb auf. „Ich habe es für die Kinder getan. Ich habe eine unbeschwerte Kindheit erlebt und wollte einen Teil davon weitergeben“, sagt sie. Jedes zweite Wochenende konnten Oliver und Jasmin André und Ciara eine schöne Zeit bieten. Das Geld reichte beispielsweise für eine Jahreskarte für Tripsdrill und im Sommer 2010 für einen ersten gemeinsamen Urlaub in Kroatien.

Zwei Wochen lang erstmals ohne ihre beiden Kinder zu sein und diese der neuen Frau zu überlassen, fiel Christine schwer. Zumal die vier ihre kroatische Oma besuchten, die sie selbst seit deren Rückkehr in ihre Heimat noch nicht hatte besuchen können. Doch die Oma wollte die Kinder sehen. „Letztendlich haben wir immer zugunsten der Kinder entschieden“, sagt Oliver Daubner. Christine half es, dass sie während der langen Fahrt immer wieder das Handy bei ihr klingeln ließen. So war es vereinbart – als Zeichen, dass alles in Ordnung war. Aus Respekt gegenüber Christine blieb Jasmin im Auto, während Oliver mit den Kindern die Oma besuchte – bis diese die neue Partnerin nachdrücklich hereinbat.

Allmählich normalisierten sich die Beziehungen. „Tine hat gemerkt, dass Jasmin sie achtet, auch als Mutter der Kinder“, so Daubner. Vertrauen in ein gutes, familiäres Miteinander wuchs – jeder trägt seinen Teil dazu bei.

Treffen zu Weihnachten, Ostern und Geburtstagsfeiern

Seit Jahren trifft sich die Patchworkfamilie, um gemeinsam Weihnachten und Ostern oder auch Geburtstage zu feiern. Auch im Alltag unterstützt man sich gegenseitig. Für Christine Daubner als alleinerziehende Mutter ist das familiäre Netzwerk ein wichtiger Rückhalt – auch zum ehemaligen Lebensgefährten und Vater von Jayden, Rico Wagenknecht, bestehen regelmäßige Kontakte. Umgekehrt ist sie eine wichtige Stütze, springt ein, wenn Jasmin einen Babysitter für Malia braucht. Kurz bevor Oliver und Jasmin in ihre neue Wohnung zogen, putzte sie diese für sie komplett durch – zum großen Erstaunen ihrer Bekannten. Rico bewährte sich schon manches Mal als Ciaras Nachhilfelehrer. Und fand selbst mathematische Unterstützung bei André, als er diese für eine berufliche Weiterbildung brauchte. Neue Bindungen sind gewachsen, die über Pragmatismus hinausgehen. „Jayden liebt Malia, als ob sie seine Schwester sei“, sagt Christine Daubner.

Und wenn es doch mal Stress gibt? Wichtig ist den Patchworkmitgliedern, sich Zeit zum offenen Gespräch zu nehmen, um gute Lösungen zu finden. Mit 15 hatte André immer wieder Streit mit seiner Mutter, bei der er bislang wohnte. „Mama und dazwischen Jayden und Ciara – das wurde zum Dauerstress. Ich wollte mehr Ruhe haben und auch mehr Zeit mit meinem Vater verbringen.“ So zog André zu Oliver und Jasmin, und die Lage beruhigte sich wieder. Gerade für die Teenager sind die Partner, die nicht Elternteil sind, oftmals Vermittler bei Problemen. „Ich sage dann aber auch, dass sie das auch mit ihren Eltern besprechen müssen“, erklärt Jasmin.

Im Juni gibt es noch einmal Zuwachs in der Patchworkfamilie: Olivers Patenkind, die 16-jährige Jessica, möchte nicht mit ihren Eltern nach Görlitz ziehen, zumal sie hier auch schon einen Ausbildungsplatz hat. Dies freut besonders Ciara, die für ihre beste Freundin gerne ihr Zimmer räumt, das sie bisher jedes zweite Wochenende genutzt hat.