Geldstrafe wegen Leitung ungenehmigter Coronademo in Backnang

62-jähriger Richtungs- und Impulsgeber eines „Montagsspaziergangs“ in Backnang muss 3.000 Euro zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen.

Geldstrafe wegen Leitung ungenehmigter Coronademo in Backnang

Nicht genehmigte Coronademo beziehungsweise sogenannter Montagsspaziergang in Backnang. Foto: Alexander Becher

Von Jutta Rieger-Ehrmann

Backnang. Wann ist eine Versammlung eine Versammlung und wann ist ein Leiter ein Leiter? Um diese Fragen und den Einspruch gegen einen diesbezüglichen Strafbefehl ging es in einer Verhandlung am Amtsgericht Backnang. Dass die Aktion unangemeldet war, stand fest. Der 62-jährige Angeklagte machte zur Sache keine Angaben, auch nicht zu seinen persönlichen Verhältnissen. Daher begann die Verhandlung direkt mit der Zeugenbefragung.

Die beiden Polizeibeamten sagten sehr ausführlich und übereinstimmend aus, dass auch an diesem bestimmten Montag im Frühjahr 2022 „wie schon so oft“ ein so genannter „Montagsspaziergang“ in Backnang stattfand. Sie hätten – ein Beamter war in Zivil an der Spitze des Aufzugs – die Aufgabe gehabt, den Vorgang zu beobachten und gegebenenfalls aufzulösen, wenn die Maßnahmen, die per Durchsage bekannt gegeben wurden, in diesem Fall Maskenpflicht und Abstandsgebot, nicht eingehalten würden. Die Aktion begann „wie immer“ gegen 18 Uhr, einige Personen machten den Anfang und es stießen dann immer mehr Menschen dazu, „wie aus dem Nichts“, teilweise mit Plakaten und sogenannte „Lichterläufer“ mit Kerzen. Der „Unmut“, der zu hören war, richtete sich eindeutig gegen die damals bestehenden Coronamaßnahmen. Es wurde auch ein Blatt mit einem Liedtext verteilt, den die rund 200 Teilnehmer – in der Hochphase seien es bis zu 1500 gewesen – zusammen gesungen haben. Der Text lag dem Gericht vor. Darin war unter anderem die Zeile enthalten: „Die Welle der Freiheit ist jetzt da.“

62-Jähriger fungierte als Richtungs- und Impulsgeber

Während dieses Aufzugs fungierte der 62-Jährige den Aussagen nach als Richtungs- und Impulsgeber. So gab er in der Grabenstraße in Abweichung von der „üblichen Route“ ein Zeichen, durch das Parkhaus zu gehen. Er befand sich die meiste Zeit an der Spitze des Zuges und schaute sich immer wieder prüfend um. Auch sagte er nach einer Weile, jetzt sei es „Zeit für ein Päusle“, woraufhin die Menschenmenge stoppte, einem Musiker zuhörte und Videos aufgenommen wurden. Nachdem sich der Aufzug langsam auflöste, stellte die Polizei die Personalien des 62-Jährigen fest und informierte ihn darüber, dass ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet werde, was dieser ruhig aufnahm.

Der Angeklagte ist verheiratet und hat keine Einträge im Bundeszentralregister. Da er keine Angaben zu seiner Person machen wollte, konnten seine finanziellen Verhältnisse nur anhand einiger Kontoauszüge beurteilt werden. Damit war die Beweisaufnahme abgeschlossen.

Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut

Der Richter stellte unmissverständlich klar, dass es sich hier um „keinen politischen Prozess“ handele. Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sei ein hohes Gut. Selbstverständlich könne man auch gegen die Coronamaßnahmen demonstrieren. Gleichwohl müsse man sich dabei an bestimmte Regularien halten. Und nur darum gehe es. Die Staatsanwältin forderte eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 100 Euro. Der Verteidiger hingegen plädierte auf Freispruch, da die Aktion „allenfalls eine Spontanversammlung“ gewesen sei und es auch keinen Versammlungsleiter geben könne. Sein Mandant erfülle nicht die Kriterien für eine faktische Versammlungsleitung.

Dies griff auch der Richter in seiner Urteilsbegründung auf: Die faktische Leitung einer Versammlung sei vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sich die Betreffenden von der Gruppe abheben und verschiedene Leitungsaufgaben übernehmen. Dies sei in vorliegendem Fall gegeben. Außerdem habe es sich eindeutig um eine Versammlung und nicht um eine Spontanversammlung gehandelt. Man könne die gesetzlichen Regelungen nicht einfach ignorieren, nur um beispielsweise ein Hygienekonzept, auch wenn man mit diesem nicht einverstanden sei, zu umgehen. Daher erging folgendes Urteil: 30 Tagessätze à 100 Euro und die Übernahme der Verfahrenskosten. Durch den Einspruch sei zwar die „Geständnisfiktion“, das heißt die Einsicht und das stillschweigende Einräumen des Tatbestandes, weggefallen, jedoch sei der Angeklagte bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Daher habe er das Strafmaß „weit unten angesetzt“. Gegen das Urteil können Rechtsmittel eingelegt werden.