Die Bebauung des Kaelble-Areals ist nicht so einfach, wie es vom Eigentümer Hermann Püttmer dargestellt wird. Das hat die Verwaltungsspitze in der Sitzung des Gemeinderats am Donnerstagabend unmissverständlich klargestellt. Und damit gleichzeitig die Vorwürfe des Riva-Chefs zurückgewiesen, es ginge mit dem Projekt zu schleppend voran.
„Wir haben derzeit nichts in der Hand als einschönes Bild, aber keine umsetzbaren Pläne.“Stefan SetzerBaudezernent
Von Matthias Nothstein
BACKNANG. Das neue Stadtquartier Backnang-West, das Riva-Chef Hermann Püttmer vorschwebt, hat riesige Dimensionen. Stadtplanungsamtsleiter Tobias Großmann sprach von einem „wahnsinnig großen Vorhaben“ und nannte einige Eckdaten. So ist die Rede von einem über 100 Meter hohen Hochhaus und gewaltigen Gebäuderiegeln, von denen einer an der Murr bis zu 25 Meter hoch und 150 Meter lang werden könnte. Gleichwohl erkannte Großmann reizvolle Ansätze in der Püttmer’schen Vision, etwa die Lösung, wie die Murr in der Planung integriert sei. Damit die Einordnung gelingt, rechnete Großmann vor, dass in der gesamten restlichen Kernstadt bis 2020 etwa 1000 neue Wohnungen geschaffen werden könnten. Würden die Püttmer-Pläne verwirklicht, dann käme auf einen Schlag noch mal ein Drittel dazu. Die Auswirkungen auf die Infrastruktur der Stadt wären enorm.
Während andere Projekte wie die Obere Walke etwa bei der Kindergartenbedarfsplanung schon Eingang gefunden hätten, wäre die Backnang-West-Vision bei der Zukunftsplanung noch völlig unberücksichtigt. Dabei gebe es sehr viele Aspekte zu berücksichtigen. Großmann bezweifelte auch, ob die großstädtische Vision nach Backnang passt. „Eine schöne Visualisierung ist das eine, ein Schnitt, bei dem die Höhendimensionen deutlich werden, ist das andere.“ So stünde etwa das Hochhaus in keinem Verhältnis zur Höhe des Technikforums: „Der Unterschied ist riesig, da fängt es bei der Optik an zu knirschen.“ Großmann erklärte: „Die Vision elektrisiert uns auch in Teilen, aber es ist fraglich, ob sie umgesetzt werden kann oder ob’s nur drübergezeichnet ist.“ Der Stadtplaner forderte „flexible Einheiten und keine Monostrukturen“, die im Falle eines Scheiterns schwer vermarktbar wären.
Die Liste der Punkte, auf die bei der Planung geachtet werden muss, ist lang: Verschattung, Nachbarschaftsbeziehungen, Hochwasserschutz, Sichtbeziehungen. Ein Problem sei auch der Verkehr. So sehe der Plan die Verlängerung der Schlachthofstraße und eine neue Brücke über die Murr vor. Damit entstünde mit der Fabrikstraße und der Schöntaler Straße ein neuer Ringschluss, von dem nicht klar sei, ob er funktioniere. Am Ende seines „Werkstattberichts“ kündigte Großmann einen konkreten Prozessvorschlag für nach der Sommerpause an.
Stadtbaudezernent Stefan Setzer sagte: „Wir tasten uns Stück für Stück an die Entwürfe heran.“ Eigentlich, so seine Einschätzung, wäre angesichts der Dimension des Vorhabens ein Architektenwettbewerb sinnvoll gewesen. Zurzeit habe die Stadtverwaltung nichts anderes in der Hand „als ein schönes Bild, aber keine umsetzbaren Pläne“. Und die Einschätzung des Investors, die sinngemäß laute: „Das geht mir alles zu langsam.“
Oberbürgermeister Frank Nopper betonte nochmals „zur Klar- und Richtigstellung, wir befinden uns in einem ganz, ganz frühen Stadium“. Setzer erklärte, es habe gar keinen Anlass für die makabre Traueranzeige gegeben, die allenthalben nur für Irritationen gesorgt habe: „Wir stehen in ständigem Kontakt mit dem Investor.“ Die Kritik, es gebe keine Kommunikation, wies auch Nopper entschieden zurück: „Wir haben unlängst zweimal je vier Stunden zusammengesessen und über alles gesprochen. Wir wissen nicht, was Herrn Püttmer geritten hat, diese Traueranzeige aufzugeben.“
Die Mehrheit der Stadträte teilte die Haltung der Verwaltung. So meinte Ute Ulfert (CDU): „Das Projekt hat eine Dimension, die die ganze Stadt verändern kann. Deshalb müssen wir da ganz genau hinsehen.“ Und Heinz Franke (SPD) ergänzte: „Der größte Teil des Gremiums hält das Vorgehen der Stadt für richtig.“ Es könne nicht sein, dass ein Investor mit viel Geld der Stadt vorschreibt, was sie zu tun habe. Franke sprach sich gegen „Schnellschüsse“ aus, „bloß weil ein Stararchitekt Pläne macht“. Sein Fazit: „Wir sollten uns Zeit lassen, es pressiert ja nicht.“
Melanie Lang (Grüne) vertrat die Auffassung, die Planung entspreche nicht mehr dem Zeitgeist. Armin Dobler (SPD) forderte, die Bevölkerung einzubeziehen. Dem pflichtete Nopper bei: „Wir sind sehr für Bürgerbeteiligung, aber erst, wenn’s konkret wird. Eine Diskussion über ungelegte Eier ist nicht sinnvoll.“
Eric Bachert (BfB) vertrat eine andere Meinung: „Ich finde den Entwurf richtig gut.“ Man könne schließlich alles noch etwas modifizieren. Selbst das Hochhaus kann sich der BfB-Rat vorstellen. Nicht überzeugt war Bachert von der Bürgerbeteiligung. Er fragte, „wie sehr Hinz und Kunz“ bei der Gestaltung mitreden könnten. Nopper widersprach: „Bei diesen Dimensionen sollte auch der Bürger mitreden und nicht nur der Gemeinderat beschließen.“ Er verdeutlichte die Dimension am Beispiel des Brauhausprojekts, das die Bauverwaltung immerhin schon viele Monate beschäftigt und dessen Investitionssumme zuletzt auf sechs bis sieben Millionen Euro beziffert wurde. Nun erklärte Nopper mit bedeutungsvoller Stimme: „Wir sprechen hier vom Hundertfachen.“
Die Stadt habe es versäumt, das Kaelble-Areal selbst zu erwerben, kritisierte Alfred Bauer (BfB). Noppers Antwort war eindeutig: „Ich halte das für den völlig falschen Ratschlag. Wir wären des Wahnsinns gewesen, wenn wir das gemacht hätten.“ Es sei völlig unklar, wie viele Altlasten in der Industriebrache schlummern. Setzer fügte an, alleine die Voruntersuchungen dazu hätten einen knapp siebenstelligen Betrag gekostet. Püttmer sei dieses Risiko eingegangen, nach dem Motto: „Es wird schon irgendwie werden.“ Konkreter wurde Siegfried Janocha. Der Erste Bürgermeister erklärte, auf dem benachbarten Areal, auf dem derzeit die Städtische Wohnbau 50 Wohnungen erstellt, sei der Bauherr von Kosten zwischen 100000 und 200000 Euro für die Altlastenentsorgung ausgegangen. Am Ende wurden es 700000 Euro.
BfB-Rat Bauer wies noch auf einen anderen Aspekt hin: „Wenn wir den Mann jetzt kränken, dann lässt er das Gelände so liegen, wie es jetzt ist.“ Für Setzer ist dies kein Argument: „Das müssen wir aushalten.“ Und Nopper dazu: „Wir können jetzt nicht zu allem Ja und Amen sagen.“ Setzer fand am Ende aber auch versöhnliche Worte: „Ich begrüße es sehr, wenn sich auf dem Gelände etwas tut. Und man spürt, es ist für Herrn Püttmer auch eine Herzensangelegenheit, in die er viel Herzblut investiert. Es ist an der Zeit, dass wir wieder zu einer Handschlagqualität zurückfinden.“ Die Vision sei „eine Chance für das Gebiet, die man nutzen sollte“.
Das Stadtquartier Backnang-West, das Hermann Püttmer auf dem Kaelble-Areal vorschwebt, hat riesige Dimensionen. Zu sehen ist auch das geplante Parkhaus an der Ecke Wilhelm-/Karlstraße. Foto: Riva