Gemeinsam auf der Suche nach Borkenkäfern

Der Borkenkäfer setzt den hiesigen Wäldern arg zu. Das Kreisforstamt bittet daher die Bevölkerung um Mithilfe dabei, die Überwinterungsstätten der Schädlinge zu finden. Schnelles Handeln ist gefragt, bevor die Tiere ausschwärmen.

Gemeinsam auf der Suche nach Borkenkäfern

Ruth Staita, Andreas Schlär und Kilian Knötzele (von links) begutachten die Bäume im Sulzbacher Wald. Manche sind von Borkenkäfern befallen. Fotos: Alexander Becher

Von Lorena Greppo

Sulzbach an der Murr. Eine Faustregel unter Förstern besagt: Ab Karfreitag geht es mit den Borkenkäfern los. Denn kaum wird es wärmer, werden die Schädlinge aktiv. Von ihrem Wirtsbaum, in dem sie überwintern, fliegen sie aus und befallen gut 20 weitere Stämme. Durch die klimawandelbedingt längere Wärmeperiode wiederholt sich dieser Vorgang inzwischen bis zu dreimal im Jahr. Aus 20 geschädigten Bäumen werden 400, dann womöglich 8000. „Wenn man auch nur einen Tick zu spät dran ist, hat man ruckzuck eine Kahlfläche“, beschreibt Kilian Knötzele vom Kreisforstamt das Ergebnis. Ein Beispiel dieser Entwicklung – begünstigt durch Stürme und Trockenheit, die die Bäume schwächen und anfällig für Käfer machen – sieht man ganz in der Nähe in einem Waldstück in Sulzbach an der Murr. Der Besitzer ist gerade dabei, die betroffenen Bäume zu fällen.

Die Schwierigkeit besteht darin, Überwinterungsbäume rechtzeitig zu erkennen und aus dem Wald zu entfernen. „Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe der Bevölkerung“, sagt Andreas Schlär, Leiter des Reviers Murr/Lauter. Für eine Einzelperson sei es eine riesige Aufgabe, den Wald alle zwei Wochen zu inspizieren. Er freue sich, wenn die Bürgerinnen und Bürger einen Blick für befallene Bäume entwickeln und Bescheid geben. „Das macht es uns leichter.“ Anzeichen sind etwa abgefallene grüne Nadeln und Rindenschuppen, braunes Bohrmehl am Stammfuß des Baumes sowie Harztröpfchen an Stamm und Kronenansatz.

Erkennt man den Befall, ist Handeln angesagt: „Der Baum muss dann so schnell wie möglich aus dem Wald raus“, sagt Andreas Schlär. Jürgen Baumann ergänzt: „Borkenkäfer sind keine filigranen Flieger.“ Ist der Stamm ein paar Hundert Meter vom Wald entfernt, ist die Gefahr gering, dass sie es in großer Anzahl zurückschaffen. Eine andere Möglichkeit wäre das vollständige Entrinden, welches aber aufwendig ist.

Nachbarschaftshilfe ist gefragt

Einige befallene Bäume finden sich auch im Wald von Ruth Staita bei Sulzbach-Eschenstruet. Ihre Familie ist in der Forstwirtschaft verwurzelt, „der Wald war immer ein wichtiges Standbein unseres Betriebs“, sagt sie. In ihrem Wald stehen Bäume, die ihr Großvater gepflanzt hat. Zu dessen Zeiten, sagt die Sulzbacherin, habe man den Wald noch richtig durchforsten können. Das heißt, die Waldstücke wurden systematisch gelichtet, damit die Stammzahl auf einer Fläche nicht zu groß wird. Kleine Triebe haben dann bessere Bedingungen, so könne sich der Wald von selbst verjüngen. Dazu komme sie inzwischen gar nicht mehr, so Ruth Staita. Stürme, Dürre und eben die Käfer geben oftmals vor, was gefällt wird.

Im Rems-Murr-Kreis gibt es mehr als 8000 Privatwaldbesitzer. Die meisten haben deutlich kleinere Stücke als Ruth Staita, bei manchen ist es ein Gebiet von nur etwa einem halben Fußballfeld. Nur: „Viele wissen gar nicht, dass sie Wald besitzen oder wo er anfängt und aufhört“, erklärt Jürgen Baumann vom Kreisforstamt. Manche wohnten gar nicht in der Gegend, andere seien zu alt oder zu beschäftigt, um sich um ihren Wald zu kümmern. Den Borkenkäfer juckt das freilich nicht und darin liegt ein Problem. Wer sich nicht im eigenen Wald aufhält, erkennt die Überwinterungsbäume nicht. Von dort aus verbreitet sich der Schädling also ungestört weiter. Gerade solche Besitzer sind also darauf angewiesen, dass sie auf den Befall hingewiesen werden. „Den Kontakt zu den Förstern zu halten ist für uns sehr wichtig“, bekräftigt auch Ruth Staita.

In Andreas Schlärs Revier sind mehr als 2000 Hektar der Fläche Privatwald. In der Sulzbacher Gegend sei das forstliche Denken noch eher gegeben, die Waldstücke sind oft seit Generationen in Familienbesitz. Wohnen die Besitzer weiter weg oder haben wenig Bezug zum Wald, so können sie dem Förster auch eine Vollmacht erteilen, dann kümmert er sich um die Pflege des Stücks. „Das tun viele, aber längst nicht alle“, berichtete Kilian Knötzele.

Der übermäßige Käferbefall ist ein Begleitaspekt des Klimawandels, der dem Wald zu schaffen macht. Auch früher habe es Stürme und trockene Jahre gegeben, erklärt der Förster. Dann aber habe es wieder zehn „normale“ Jahre gegeben, in denen sich die Wälder erholen konnten. „Seit dem Hitzesommer 2018 ist alles anders“, sagt er. Die Bäume seien massiv geschwächt. Besonders die Fichte kommt mit den Bedingungen nur schwer zurecht und diese Baumart ist hierzulande keine Seltenheit. Deshalb ist es eine der Zukunftsaufgaben der Förster, mit anderen Arten einen Übergang zu schaffen und zu einem standortgerechten Wald zurückzukehren. „Die Produktionsspanne von Holz ist extrem lang, Fehler bei der Aufforstung erkennt man erst in der nächsten Generation“, erklärt Jürgen Baumann die Schwierigkeit.

Die Situation im Wald ist kritisch

Lage Die Ausgangsvoraussetzungen im Forst sind laut Kreisforstamt kritisch. Das liegt zum einen daran, dass die Borkenkäferpopulation aus den Vorjahren hoch ist. Außerdem sind die Abwehrkräfte der Baumbestände dürrebedingt herabgesetzt.

Schadholz Die Zahlen der Holzvermarktungsgemeinschaft aus dem Rems-Murr-Kreis verdeutlichen die Probleme, welche die Trockenheit sowie Schädlinge verursachen. Demnach waren von 128000 Festmetern Holzeinschlag nur 73000 Festmeter planmäßig. Bei den restlichen 55000 Festmetern handelte es sich um Schadholz aufgrund von Stürmen, Käferbefall, Dürre oder Pilzbefall.

Befall Bis zu 200 Käfer kann ein gesunder Baum sich noch erwehren, „bei 300 bis 400 geht selbst der stärksten Fichte der Saft aus“, sagt Andreas Schlär. Sind Bäume durch Trockenheit oder Stürme geschwächt, sind sie besonders anfällig.

Entwicklung Bei wärmeren Temperaturen schwärmen die Borkenkäfer aus. Kurz nach der Eiablage fressen sich die Larven durch die Rinde und verpuppen sich. Die Umwandlung zum Jungtier dauert ein bis zwei Wochen.