Peter Lier (von links) hofft, seine Kugel möglichst nah an das „Schweinchen“ heranzubefördern. Anni Richter, Christine Guske, Ursula Föll und Fritz Ostertag beobachten seinen Wurf mit Spannung. Foto: Tobias Sellmaier
Aspach. Das Geraune ist groß, als die von Peter Lier geworfene Boulekugel an den bereits liegenden vorbeischießt und schließlich die Holzumrandung des Spielfelds touchiert. „Es hat gebockelt“, sagt man hier, auf der Bouleanlage in Großaspach nahe dem Vereinsheim der Kleintierzüchter, in solchen Momenten. Heißt im Klartext: Der Wurf ist ungültig.
Der Verdruss darüber hält sich in Grenzen, denn bei allem sportlichen Ehrgeiz spielen die Anwesenden in erster Linie aus Freude an der Bewegung und am Zusammenkommen. Und das seit mittlerweile
19 Jahren. Damals, im Jahr 2006, lud die Gemeinde die Bürger zur Gründung des Seniorenforums Aspach in die Gemeindehalle ein. „Es ging darum, welche Angebote man für Senioren machen könnte“, erinnert sich Helmut Deckert, der ebenso wie Peter Lier bei der Veranstaltung zugegen war. Das in Frankreich weit verbreitete Spiel hatte Lier über sein Engagement im Partnerschaftsverein kennengelernt und als Idee vorgeschlagen. Schnell fanden sich einige Interessenten, seitdem rollt die Kugel.
Rund 20 Seniorinnen und Senioren sind an diesem Tag trotz des drohenden Regens gekommen. Fast alle sind aus Aspach und bereits in Rente, obwohl das keine Voraussetzung zum Mitspielen ist, im Gegenteil. „Wir würden uns über jüngere Mitspieler sehr freuen, wir sind ja überaltert“, sagt Helmut Deckert klipp und klar.
Dafür haben die Aspacher Senioren in den vergangenen knapp 20 Jahren allerdings einiges auf die Beine gestellt. „Am Anfang haben wir ja noch auf dem Parkplatz gespielt. Da waren teilweise Löcher,
in denen das Wasser stand, um die man herumspielen musste“, erzählt Monika Schmidt aus Allmersbach am Weinberg. Später konnte man im Gewächshaus der Gärtnerei Guske spielen, bis diese verkauft wurde. „Das war natürlich bei Regen gut“, sagt Christine Guske, die ebenfalls seit den Anfängen dabei ist. „Wenn es irgendwie geht, komme ich her, vor allem wegen der Geselligkeit, aber auch weil die Bewegung guttut.“
Montags und freitags wird gespielt
Dass die Seniorinnen und Senioren heute auf richtigen Bahnen spielen und sogar Material in einer kleinen Hütte lagern können, ist insbesondere ihrem eigenen Engagement und der Unterstützung durch die Gemeinde zu verdanken. „Die Gemeinde stellte Material und Maschinen zur Verfügung und die Senioren übernahmen die Arbeiten. So entstanden Schritt für Schritt drei Spielfelder und eine Hütte“, erklärt Peter Lier. Und so entstanden auch weitere nützliche Ergänzungen, etwa Säulen, mit denen die Spielstände festgehalten werden können. „Wenn etwas notwendig ist, dann macht es eben einer“, hebt der 84-Jährige den Einsatz eines jeden Mitspielers hervor.
Allerdings, auch das gehört zur Wahrheit, gehen der Gruppe altershalber immer wieder Spieler und damit zugleich Helfer verloren. Der zuletzt älteste Mitspieler ist mit 93 Jahren im Februar verstorben. „Er hatte natürlich hier und da seine Probleme, aber der hat noch so präzise geworfen“, erinnert sich Lier an den Spielkameraden. „Und in den vergangenen Jahren sind uns auch einige gute Handwerker abhandengekommen“, ergänzt der 85-jährige Helmut Deckert. Trotzdem bemühen sich die Ehrenamtlichen weiterhin um die Pflege und Verbesserung der Anlage. So hat die kleine Hütte unlängst sogar eine Küchenzeile bekommen. Bisweilen werden hier auch kleine Feste gefeiert, in der Vergangenheit bestanden sogar Kontakte zu Boulespielern im Elsass mit gegenseitigen Besuchen.
Es gibt zwei feste Termine in der Woche, montags und freitags
All das passiert aus Eigeninitiative und ohne feste Strukturen, denn die Gruppe ist nicht als Verein organisiert. „Es gibt keine Mitgliedsbeiträge und keine Verpflichtung, zu kommen. Es gibt zwei feste Termine in der Woche, montags und freitags jeweils von 16 bis 18 Uhr, im Winter schon um 14 Uhr, und wer Lust hat, der kommt“, beschreibt Deckert das Modell. Wie viele Mitspieler jeweils da sind, ist insofern unterschiedlich und abhängig vom Wetter.
Zu Beginn werden mithilfe von Spielkarten die Teams ausgelost. „Wenn jemand Neues dabei ist, wird er einfach mit reingemischt“, erklärt Lier. Die Stimmung ist bestens, es wird viel gescherzt und gelacht. „Es gibt Tage, da ist man spitze, und dann gibt es wieder Tage, da klappt gar nichts!“, sagt Monika Schmidt lachend. Auch sie versucht möglichst oft da zu sein, außer wenn es regnet oder zu heiß ist. „Da wär es schon toll, wenn eine Bahn überdacht wäre“, sagt sie. Auch ein einheitlicher Satz Kugeln und die eine oder andere Neuausstattung stehen auf dem Wunschzettel der Senioren.
Natürlich macht das gemeinsame Boulespielen Freude und sorgt für Bewegung. Es leistet aber noch viel mehr als das: Die Gruppe ist eine lebendige Gemeinschaft, was nicht zuletzt der Alterseinsamkeit entgegenwirkt, vor allem wenn etwa der Partner stirbt. Das bezeugt auch der Abschiedsgruß eines mittlerweile verstorbenen Mitspielers, der Brief hängt noch immer in der Hütte an der Wand: „Da ich durch eine Krankheit nicht mehr lange zu leben habe, möchte ich mich noch zu Lebzeiten herzlich bedanken für die schönen Stunden, die ich mich euch erleben durfte, und wünsche euch für die Zukunft alles Gute.“