Generationswechsel hilft beim Umbruch

Familienunternehmen Der Gentner-Verlag ist bei der Digitalisierung auf der Höhe der Zeit – auch dank des jungen Geschäftsführers

Von Andreas Geldner

Neuorientierung - Robert Reisch, der Geschäftsführer des Stuttgarter Gentner-Verlags, hält Familienunternehmen für Veränderungen grundsätzlich für gut gewappnet. Dazu braucht es aber auch viel Vertrauen zwischen Senior- und Juniorchef.

Stuttgart Robert Reisch braucht nur in eines der Archivregale am Firmensitz im Stuttgarter Westen zu greifen, dann hält er ein Stück Vergangenheit in der Hand. Dicke Ordner liegen da, in denen Handwerker nachschlagen konnten, wie sie einen Kostenvoranschlag erstellen. „Keiner schlägt heute mehr so etwas nach – das googeln sie nur noch,“ sagt Reisch.

Doch als Geschäftsführer für Digitales und IT im Fachverlag Gentner in Stuttgart ist ihm vor radikalen Veränderungen nicht bange. Denn wenn er nach einem Vorbild für Anpassungsfähigkeit sucht, muss er nur auf seinen Großvater Alfons W. Gentner blicken. Der baute 1946 dank einer durch einige Zufälle früh ergatterte Lizenz der US-Militärregierung den von dessen Vater gegründeten Verlag rasch nach dem Krieg wieder auf. Noch heute hängt eine Kopie des Dokuments eingerahmt im Besprechungszimmer. Zu kaufen gab es damals wenig. Dafür gab es einen Hunger nach Unterhaltung. Und so publizierte der Verlag ein damals höchst innovatives Medium: Die „Schwäbische Illustrierte“ präsentierte erstmals in Süddeutschland mit vielen eingestreuten Bildern einen Kessel Buntes - schöne Schauspielerinnen, Kriegserlebnisse oder auch Enthüllungsgeschichten wie „Goebbels und die Frauen“.

„Aber mein Großvater hatte immer auch das Praktische im Blick“, sagt Reisch. Und so gehörten von Anfang an auch lebensnahe Themen zum Programm. Als die Deutschen wieder mehr Geld übrig hatten, wollten sie nicht mehr nur ihr Herz wärmen, sondern auch ihre Wohnungen. Spezialthemen wie der Heizungsbau waren gefragt. Die Rechte an der Illustrierten wurden verkauft. Gentner mutierte Ende der Fünfzigerjahre zum Fachverlag. Mit dem Heizungsbau beschäftigt man sich noch heute. Zuvor hatte der Verlag Anfang der fünfziger Jahre den frühen Tod des Gründers verkraften müssen. Doch weil dessen Witwe Verlag und Vermögen zusammenhielt und in zweiter Ehe den Druckereileiter heiratete, ging es weiter. Anpassungsfähigkeit bei gleichzeitig langfristigem Horizont, das zeichne Familienunternehmen aus, sagt Reisch. Sie seien deshalb für den digitalen Wandel gewappnet – wenn sie sich denn auf diese Stärken besinnen. Lange Jahre machte der Verlag mit Printmedien für Fachthemen wie Sanitär-, Heizungs- oder Klimatechnik, Fenster, Glas, Fassaden, Elektro- und Sicherheitstechnik sowie Arbeitsmedizin gute Geschäfte. Doch der aktuelle Umbruch ist tiefgreifender als der einstige Schwenk von der Unterhaltung zum Fachwissen. „Irgendwann einmal muss man begreifen, dass Digitalisierung mehr bedeutet als die Weiterentwicklung des Bestehenden“, sagt Reisch.

Schlüsselwort für den Umbruch im Familienunternehmen war Vertrauen. „Mache du mal“, das sei die Devise seines Vaters gewesen, sagt der 36-Jährige, der über Jahre in die Rolle eines Mit-Geschäftsführers hineinwuchs, die er seit Oktober 2017 bekleidet. „Mein Vater ist auch mit 64 noch neugierig und technikbegeistert – der ist keiner, der sich die E-Mail hat ausdrucken lassen.“ Ende April 2020 wird er aus der Geschäftsführung ausscheiden, sein Sohn wird Verleger.

Ein Vorteil sei gewesen, dass es eine klare Nachfolgeregelung gegeben habe.

Ob er oder seine drei Jahre ältere Schwester den Verlag übernehmen sollte, wurde lange im voraus entschieden. Das sei bei konkurrierenden Familienunternehmen nicht so. Es sei ein Glücksfall gewesen, dass der Stabwechsel im Familienunternehmen parallel zum technologischen Umbruch stattfand, sagt Reisch. Als er 2008 noch parallel zum Jurastudium in Teilzeit im Unternehmen anfing, experimentierte man erstmals mit einer Produktdatenbank für Handwerker, die aber nur mühsam vorankam: „Die Hersteller haben nicht verstanden, warum sie uns ihre Produktdaten zur Verfügung stellen und auch noch dafür zahlen sollten.“

Dann machte man einen Schnitt. „Im Jahr 2014 haben wir uns extern gründlich durchleuchten lassen“, sagt Reisch. Danach sei klar geworden, dass man nicht weitermachen konnte wie bisher. Alles, was man zuvor digital gemacht hatte, sei nur eine Weiterentwicklung des Bisherigen gewesen. Ihm sei es hingegen leichtergefallen, sich von bisherigen Produkten zu verabschieden, sagt Reisch: „Ich glaube, das es Familienunternehmen beim digitalen Wandel strukturell leichter haben: Die Wege zu Entscheidungen sind kurz, sie können dynamischer reagieren.“ Familienunternehmen hätten auch höhere Liquidität, um dies zu stemmen

Nicht zuletzt sei der heute vor allem Start-ups zugeschriebene, auf Eigenverantwortung setzende Führungsstil schon bei seinem Vater so gewesen: „Da hat sich im Kern mit mir gar nichts verändert. Wir sind grundsätzlich sehr nah an den Leuten. Bei uns kann jeder zum Geschäftsführer kommen.“ Er fühle aber auch eine besondere Verantwortung: „Wir wollen nicht den Wandel erzwingen, indem bestehende Mitarbeiter gegen neue ausgetauscht werden“, sagt Robert Reisch. Er kenne manche aus Kindertagen, als ihn sein Vater in die Firma mitnahm: „Das muss mit der vorhandenen Mannschaft gelingen.“ Neue Produkte treibe man aber mit neuen Teams voran.

Der Takt ist hoch: So publiziert ein dreiköpfiges Team zum Thema Haustechnik zwei Newsletter täglich. Suchmaschinenoptimierung und Werbung auf sozialen Medien – bei einem neuen, rein digitalen Angebot für Gebäude- und Fassadentechnik zog man alle Register. Innerhalb von zwei Jahren habe man so die größte Internetplattform für Handwerker rund um dieses Thema etabliert, sagt Reisch: „Wir sind da komplett zahlengetrieben. Was auf der Webseite nicht funktioniert, kommt weg. Was läuft, wird als Evergreen immer wieder ausgespielt.“

Gesponserte Artikel sind eine Säule des Geschäftsmodells. Auch Nutzerdaten kann man datenschutzkonform monetarisieren: Für die Hersteller von Handwerkerbedarf beispielsweise bieten sie Informationen über ihre sehr spezielle Zielgruppe. Aber eine weitere Komponente zählt: „Digitale Reichweite bekommen sie auch durch branchenspezifische Unterhaltung“, sagt Reisch. Etwas vom Geist der „Schwäbischen Illustrierten“ passt also ins digitale Zeitalter.