Genug Apfelsaft trotz schlechter Ernte

Firma Streker aus Großaspach füllt das ganze Jahr über Saft aus heimischen Früchten ab – Immer Reserven vorhanden

2019 ist kein gutes Jahr für Äpfel. Im Vergleich zum wirklich hervorragenden Apfeljahr 2018 fehlt rund die Hälfte desErtrags. Das merkt man auch bei der Firma Streker in Großaspach, denn die Deutschen sind Apfelsaftweltmeister und wollen natürlich auch in einem Jahrmit schlechter Ernte safttechnisch versorgt bleiben. Warum es trotzdem keinen Apfelsaft-Engpass geben wird, haben wir uns angeschaut.

Genug Apfelsaft trotz schlechter Ernte

60 bis 90 Minuten dauert es, bis aus den Äpfeln Saft gepresst wird. Die Pressen fassen rund acht Tonnen Früchte. Der Trester wird zu Pektin weiterverarbeitet.

Von Silke Latzel

ASPACH. Es ist ein ungewöhnlicher Anblick, den das Gelände der Firma Streker derzeit bietet. Ungewöhnlich sogar für einen ganz gewöhnlichen Wochentag. Denn Mitte und Ende Oktober brummt es auf dem Hof eigentlich gewaltig. Und eigentlich riecht es in Großaspach gerade zu dieser Zeit immer besonders lecker nach Herbst – das kommt natürlich von den vielen Äpfeln, die die Streuobstwiesen- und Stücklebesitzer sonst immer zwischen Ende September und Anfang November anliefern.

Natürlich gibt es auch in diesem Jahr Äpfel, ganz klar. Aber so viele wie im vergangenen Jahr sind es nicht. Sogar fast 50 Prozent weniger. „Schuld“ daran ist die sogenannte Alternanz, also der wechselseitige Ernteertrag. Wenn ein Baum in einem Jahr viele Früchte trägt, macht er im darauffolgenden Jahr eine Art Pause und trägt nur sehr wenige bis gar keine Äpfel. „Früher konnte man sagen, dass es immer im Rhythmus ,stark, mittel, wenig‘ ging. Heute haben wir aber nur noch entweder ein starkes Jahr oder ein schwaches“, erklärt Daniel Brugger, Vertriebs- und Marketingleiter des Fruchtsaftherstellers. So sei man schon davon ausgegangen, dass es in 2019 einfach weniger Äpfel werden. „Aber es gab Ende Mai noch einmal Frost. Der hat dann nicht die Blüten getroffen, sondern bereits die Jungfrüchte. Und damit hatte keiner gerechnet. So etwas hat erheblichen Einfluss auf die Erntemenge.“

Was es in diesem Jahr allerdings reichlich gibt, sind Quitten. Auch sie werden bei Streker zu Saft gemacht. „Quitten sind schwer zu verarbeiten, viele Leute wollen sich einfach nicht so abmühen. Deshalb bringen sie die Quitten zu uns und bekommen dann den Saft über das Lohnmostprogramm günstiger“, so Brugger. „Wie der Apfel auch ist die Quitte eine heimische Frucht, also verarbeiten wir sie. Auch wenn sie lang nicht so beliebt ist wie der Apfel.“ 98 Prozent der bei Streker verarbeiteten heimischen Steinfrüchte sind Äpfel, 1,5 Prozent Birnen und 0,5 Prozent Quitten. „Der Apfel ist nach wie vor ein starkes Produkt, wir haben hier viele Streuobstwiesen.“ Dort finde gerade ein Generationswechsel statt, hat der Vertriebsleiter beobachtet. „Das Apfelsammeln oder -pflücken ist heute ein richtiges Gemeinschaftsevent mit anschließendem Grillen oder so geworden.“ Gut für die baden-württembergische Kulturlandschaft und die Streuobstwiesen, denn so werden sie auch weiterhin bewirtschaftet – wenn auch mit einer anderen Intention als noch zu Großvaters Zeiten. Ein anderer Trend, der auf den Wiesen Einzug gehalten hat: Bio. „Viele Besitzer haben mittlerweile umgestellt und in Verbindung mit den Mindestpreisen ist das auch attraktiver geworden.“

In einer normalen Saison werden 20000 Tonnen Äpfel verarbeitet

Wer Äpfel bei Streker abliefert, fährt direkt auf den Hof. Der volle Wagen oder Traktor wird gewogen, die Äpfel abgeladen und dann geht es wieder auf die Waage. Die Differenz zeigt an, wie viele Kilo oder Tonnen Äpfel derjenige gebracht hat. Entscheiden kann man dann, ob man nach aktuellem Tagespreis für die Lieferung ausbezahlt werden möchte oder eine Gutschrift bekommt und den Saft dann im Vergleich zum Ladenpreis etwa 50 Prozent günstiger kaufen kann. Dann geht es für die Früchte in verschiedene Silos: Bio, konventionell, Streuobst aus Baden-Württemberg oder Tafelobst aus Baden-Württemberg. Durch Schwemmkanäle werden die Äpfel dann schwimmend auf dem Wasser weitertransportiert. Welche Äpfel und wie viele, lässt sich leicht über den Computer steuern – einfach die Schotten auf oder dicht. „Auf der Verleselinie werden die fauligen dann aussortiert, ebenso wie Beiwerk, also Steine, Blätter oder auch mal ein Schlüssel, der aus Versehen hineingefallen ist“, erklärt Brugger. Dann geht es in die Presse. Rund acht Tonnen Äpfel passen in eine Presse, der Pressvorgang dauert zwischen 60 und 90 Minuten. Etwa 30 Prozent des Apfels bleiben nach diesem Vorgang übrig, Kerngehäuse und Schale. Dieser sogenannte Trester wird getrocknet und in einer anderen Fabrik zu Pektin weiterverarbeitet. „Man kann also sagen, dass wir fast 100 Prozent des Apfels verwenden. Das ist sein sehr geschlossenes und umweltfreundliches System.“

Der frisch gepresste Saft wird dann kurz erhitzt, um mögliche Keime abzutöten, wieder abgekühlt und kommt dann ins Tanklager. „Wir haben hier im neuen Lager 36 Tanks, die jeweils 175000 Liter fassen, und im alten Bereich noch einmal so viele. Wir brauchen einfach eine gewisse Saftreserve, um saisonale Schwankungen auszugleichen. So haben wir genug, dass die Kunden auch in schwachen Apfeljahren Saft bekommen“, sagt Brugger. „Am Ende der Saison sollten eigentlich alle Tanks voll sein, dieses Jahr wird es zwar etwas schwieriger, aber wir kriegen es schon hin.“ Und wie? „Durch Zukauf aus ganz Deutschland. Allerdings werden diese Äpfel dann nur für unsere Lieferungen an den Großmarkt verwendet, in den Flaschen landet nur Obst aus Baden-Württemberg.“

50 Mitarbeiter plus Saisonkräfte kümmern sich bei Streker darum, dass der Saft in die Flasche kommt. Und in einer normalen Saison gilt es dann auch 20000 Tonnen Äpfel zu verarbeiten – oftmals rund um die Uhr. Dieses Jahr allerdings werden es nur etwa 10000 Tonnen sein, rund 50 Prozent weniger als 2018. „Aber die Qualität stimmt, die Werte sind sehr gut, die Süße passt und auch die Säure.“

Wer jetzt denkt, dass der Saft einfach in die Flasche gefüllt wird, der irrt. Es gibt tatsächlich Rezepturen, wie welcher Saft zu schmecken hat, denn „das soll ja immer ähnlich sein“, erklärt Brugger. Nach jedem Pressen werden verschiedene Werte gemessen und dokumentiert. Streuobst hat beispielsweise in der Regel einen höheren Säureanteil, Tafelobst ist süßer, hat mehr Grad Oechsle. Und bevor der Saft abgefüllt wird, wird er so gemischt, wie es die Rezepte vorsehen – „geblendet“, sagt der Fachmann dazu.

Apfel- und Orangensaft sind nach wie vor die beliebtesten Säfte

Erst danach kommt der Saft in die Flaschen. Diese sind aus Glas. Ausschließlich. Und Mehrweg. Bevor sie gefüllt werden, werden sie heiß mit Spülmittel gereinigt und dann klargespült. Der Saft wird – ebenfalls heiß – eingefüllt, die Flaschen werden verschlossen und dann im Rückkühltunnel wieder heruntergekühlt. Etikett drauf, auf die Paletten – fertig. „Wir können etwa 10000 Flaschen pro Stunde abfüllen. Montag bis Freitag läuft das Band, fast das ganze Jahr über.“ Die Flaschen können bis zu 50-mal wiederbefüllt werden, kaputte Flaschen werden eingeschmolzen und zu neuen gemacht. Im Streker-Lager ist Platz für bis zu 600000 Flaschen. Nicht nur Apfelsaft steht dort. „Aber Apfel und Orange sind die beiden beliebtesten Säfte in Deutschland, nach wie vor“, sagt Brugger. Und auf Platz drei? „Da hat sich klammheimlich Johannisbeere nach vorne geschoben“, sagt der Experte lachend.

Genug Apfelsaft trotz schlechter Ernte

Genug Apfelsaft trotz schlechter Ernte

Auf dem Verleseband werden schlechte Äpfel und Beiwerk wie etwa Steine aussortiert.

Genug Apfelsaft trotz schlechter Ernte

In großen Tanks wird der Saft gelagert.

Genug Apfelsaft trotz schlechter Ernte

Genug Apfelsaft trotz schlechter Ernte

10000 Flaschen pro Stunde werden in der Anlage abgefüllt. Der Saft kommt heiß in die gespülten Mehrwegflaschen und wird dann wieder gekühlt.

Genug Apfelsaft trotz schlechter Ernte