Gerlinde Kretschmann – First Lady der besonderen Art

Die Frau des baden-württembergischen Ministerpräsidenten gilt als bodenständig, authentisch, auch ein wenig schrullig – und sie vermisst ihren Mann

Stuttgart (dpa). Sie ist jetzt schon knapp acht Jahre die Frau des Ministerpräsidenten, aber weder an den Titel Landesmutter noch an die Bezeichnung First Lady will sie sich so recht gewöhnen. „Ich bin Mutter von drei Kindern und Oma“, sagt Gerlinde Kretschmann. Das sei ihre Rolle. Die 71-Jährige sitzt in einem knallroten Schal auf einer Bank im Stuttgarter Schlosspark und beobachtet die Schwäne im Wasser. Nach einem kurzen Moment sagt sie: „Aber wenn Leute mich so nennen, dann lass ich das so stehen.“ Da ist sie wieder, ganz die gutmütige Gattin des Ministerpräsidenten.

Gerlinde Kretschmann werden von Weggefährten ähnliche Charakterzüge zugeschrieben wie ihrem Mann Winfried. Sie gilt als bodenständig, authentisch, mit ihren bunten Kleidern vielleicht ein wenig schrullig, jedenfalls echt. Wo ihr Mann im politischen Geschäft auch mal knorrig daherkommt, bleibt sie stets fröhlich und freundlich. Am Anfang von Kretschmanns Amtszeit habe man ihr PR-Kurse ans Herz gelegt, erzählt sie. Sie habe abgewinkt. „Ich will das nicht, das Gestelzte“, sagt Gerlinde Kretschmann. „Was soll ich mich in meinem Alter noch verbiegen? Allen Leuten macht man’s eh nicht recht.“

Wenn Menschen auf der Straße sie erkennen, dann soll sie meist ihren Mann grüßen, erzählt sie. Das mache sie dann natürlich auch. Fast 45 Jahre ist Gerlinde Kretschmann nun mit ihrem Winfried verheiratet, drei Kinder haben die beiden. Aber Gerlinde Kretschmann ist mehr als nur die „Frau von“. Die pensionierte Grundschullehrerin engagiert sich bereits ihr ganzes Leben lang in Politik und Ehrenamt, war etwa Gemeinde- und Kreisrätin in Sigmaringen. Auch heute ist ihr Terminkalender voll. Montags besuche sie ihre Enkel, an den Freitagabenden singe sie im Kirchenchor. Dazwischen gibt es viele Termine. „Es ist ein anstrengendes Leben, aber auch wahnsinnig interessant“, sagt Gerlinde Kretschmann.

Sie organisiert Wandertouren, geht gern in die Oper. Im Frühjahr lädt sie Frauen aus Politik und Gesellschaft zum traditionellen Frühjahrskaffee nach Stuttgart. Mit den Landfrauen verkauft sie jedes Jahr in der Adventszeit Marmelade auf dem Weihnachtsmarkt in der Stuttgarter Innenstadt.

„Eine Begegnung der besonderen Art“ sagt das grüne Urgestein Rezzo Schlauch über Treffen mit ihr. Er kennt die Kretschmanns seit den 80er Jahren. Damals habe man Gerlinde Kretschmann unterschätzt, erzählt er. „Wenn sie auftritt, dann ist sie Kult“, sagt er. „Sie erobert die Herzen im Sturm.“ Genauso wie ihr Mann stelle sie den Anti-Typ des Durchschnittspolitikers dar. „Diese Echtheit überzeugt den normalen schwäbischen Bürger wie nichts anderes.“

Gerlinde Kretschmann freut sich über den politischen Erfolg ihres Mannes. Sie habe ja den Aufstieg der Grünen damals miterlebt. „Dass mein Mann auch noch Ministerpräsident wird, das war richtig stark.“ Aber die Politik ist für die Ehe auch eine Last. „Natürlich denke ich mir manchmal, es wäre schon schön, wenn man nicht alles allein machen muss“, sagt sie. Sie wünscht sich mehr Zeit mit ihrem Mann. Am Abend, da sehe sie ihn noch kurz auf einem Termin . Vielleicht habe man da gerade mal Zeit, um „Grüß Gott“ zu sagen. Im vergangenen Jahr sei sie mit ihrem Winfried nur an drei Sonntagen Wandern gewesen, das liebste Hobby der beiden.

Aber Gerlinde Kretschmann will sich nicht beschweren. „So isch es halt“, sagt sie dann mit stark schwäbischem Einschlag. „Entweder man akzeptiert das oder man guckt nach was anderem. Hättest einen Poschtler geheiratet, der tut mittags um viere heimkomme.“ Und gibt wieder ganz die gutmütige Gattin.