Gespräche ohne fachliches Kauderwelsch

In seinem Wahlkampf sucht OB-Kandidat Stefan Braun das Gespräch mit den Bürgern. Der Referatsleiter im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz will Bürgerbeteiligung und Transparenz hochhalten.

Gespräche ohne fachliches Kauderwelsch

OB-Kandidat Stefan Braun verteilt Flyer in der Backnanger Innenstadt und wirbt im Gespräch – hier mit Agnes Wichmann (links) und Sofia Stromaier – um Stimmen für sich. Foto: J. Fiedler

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Den Wahlkampf will Stefan Braun im Endspurt gewinnen. Erst drei Wochen vor der Oberbürgermeisterwahl in Backnang kann er so richtig loslegen, hat Urlaub dafür genommen und feiert Überstunden ab. „Mein Stellvertreter war krank, ich konnte also nicht früher einsteigen“, erklärt der Leiter des allgemeinen Rechtsreferats im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Den Rückstand will Braun mit seinem Feuereifer wettmachen. Und so scheut er auch das Gespräch mit der jüngeren Generation oder mit kritisch eingestellten Passanten nicht. „Wählt einen super Kandidaten, nämlich mich“, sagt er einer Gruppe junger Männer. „Mein Sohn sagt, ich bin cool“, fügt er augenzwinkernd an. Die jungen Männer lassen sich einen Flyer mit auf den Weg geben und Brauns Bitte, sich sein Programm auf der Homepage anzuschauen, sich zu informieren und auf jeden Fall wählen zu gehen – ob sie sich nun für ihn entscheiden oder nicht. Denn eines sagt Braun ganz klar: „Es stinkt mir, wenn Leute sagen, sie interessieren sich nicht für Politik oder für eine Wahl.“ Schließlich betreffen solche Entscheidungen jeden Bürger. Nicht wählen gehen und sich dann aber über das Ergebnis aufregen, das gehe gar nicht, so Braun.

Also informiert er – über Flyer, mit Hinweisen auf seine Homepage und im Gespräch. Vor allem in direktem Kontakt sieht Stefan Braun seine Stärken. „Durch die vielen Jahre in der Personalarbeit lernt man, Charaktere schnell einzuschätzen“, erklärt er. Er finde dann eine gemeinsame Basis und könne sich so mit jedem gut unterhalten. Bezeichnenderweise hat der Jurist als Promotionsthema „Absprachen im Strafverfahren“ gewählt. Wichtig sei ihm ein fairer Umgang und auch eine offene Fehlerkultur – man müsse auch sagen können, wenn etwas nicht gut geklappt hat. Klare Sprache sei dabei wichtig. „Juristen verlieren sich oft in fachlichem Kauderwelsch. So war ich nie.“ Überhaupt trüge der erste Eindruck bei ihm oft, sagt Braun. „Die Bürger sehen auf dem Plakat einen gesetzten Mann mittleren Alters, wissen womöglich, dass ich ein Ministerialer bin“, weiß er. „Aber ich bin ein pragmatischer, bodenständiger Typ.“

Und so war es für Stefan Braun auch gar kein Thema, dass er damals, als er seine heutige Frau kennenlernte, zu ihr nach Backnang zog. „Sie war hier schon etabliert“, erklärt der gebürtige Loßburger. Er selbst absolvierte sein Referendariat in Stuttgart. Als vor 25 Jahren seine Tochter Laura zur Welt kam, war es der Jurist, der sie zweieinhalb Jahre lang zu Hause betreute, während er an seiner Promotion arbeitete. „Das war eine sehr schöne, prägende Zeit“, blickt er zurück. Beruflich habe er sich dann bewusst gegen den Anwaltsberuf entschieden und stattdessen im öffentlichen Dienst angefangen zu arbeiten. „Ich wollte für die Gemeinschaft etwas erreichen“, lautet Brauns Erklärung. Vom Landesamt für Straßenwesen über das Landesamt für Flurneuordnung und Landentwicklung kam Stefan Braun in das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, wo er seit 2014 Leiter des allgemeinen Rechtsreferats ist. Seine Arbeit mache er gerne, sagt Braun, macht aber keinen Hehl daraus, dass er schon immer eine Führungsposition angestrebt habe. „Im Ministerium ist man ein Rädchen in der großen Maschinerie“, erklärt er. Klar sei bezüglich des Wechsels aber auch gewesen: „Das geht nur in der Stadt, in der ich lebe. Ich hätte mich nie woanders beworben.“ Vor etwa zwölf Jahren hatte sich der Jurist in Backnang auf die wieder geschaffene Stelle als Erster Bürgermeister beworben, unterlag damals aber Michael Balzer, der als Baubürgermeister quasi Amtsinhaber war.

Auch eine Kandidatur für den Gemeinderat hat der 56-Jährige erwogen, dafür habe ihm aber immer die Zeit gefehlt – zumal Tochter Laura und Sohn Lukas noch jünger waren. Jetzt sind die Kinder erwachsen, für Stefan Braun also der richtige Zeitpunkt, um noch einmal den Karrieresprung zu wagen. „Ich bin in einem Alter, wo ich noch einmal richtig etwas reißen will“, sagt er. Als sich Frank Nopper in Stuttgart beworben hatte, sei ihm direkt klar gewesen, dass er sich bewerben will, sollte die Stelle frei werden. Fachlich, ist Braun überzeugt, sei er von allen Kandidaten am besten qualifiziert. Zudem seien er und seine Familie in Backnang stark verwurzelt – sie alle sind im Städtischen Blasorchester aktiv gewesen, Sohn Lukas spielt darüber hinaus bei den Turmbläsern. In Vereinen sei er aber keiner, der sich nach vorne dränge, so Braun. Aktiv war er unter anderem in der Bürgerinitiative der Plattenwaldbewohner, als 2017 bekannt wurde, dass die Stadtverwaltung eine Unterkunft für bis zu 180 Flüchtlinge bauen wollte. Dass die Angelegenheit quasi durch die Hintertür hätte beschlossen werden sollen, habe ihn maßlos geärgert. Bei solchen Vorhaben gelte es, die Bürger frühzeitig einzubinden, findet Stefan Braun. „Sonst erntet man einen mächtigen Shitstorm“, ist er sich sicher. Er selbst wolle das besser machen. Transparenz und Bürgerbeteiligung stehen bei Stefan Braun weit oben auf dem Wahlprogramm.

Wirtschaftsförderung soll Chefsache sein.

Auch beim Gespräch mit den Bürgern ist er geradeheraus. Als ihn eine Passantin fragt, welcher Partei er angehört, antwortet Braun wahrheitsgemäß, dass er Mitglied in der FDP sei. Er sehe sich dennoch als unabhängigen Kandidaten, will sich nicht von Parteipolitik einschränken lassen. „Ich will für alle Leute da sein“, ist sein Anspruch. Im Gespräch mit Agnes Wichmann und Sofia Stromaier in der Grabenstraße geht es um die Coronaeinschränkungen. Wirtschaftsförderung sei ein zentrales Thema seines Wahlprogramms, so Braun. „Das muss Chefsache sein.“ Und so sucht der OB-Kandidat nicht nur die Fußgängerzonen, sondern auch Unternehmen oder Mitglieder des Gewerbevereins auf. Die Folgen der Coronakrise abzumildern und Existenzen zu sichern, werde kurzfristig eine der wichtigsten Aufgaben der Stadtverwaltung sein.

Aber auch viele andere Themen sieht Braun auf Frank Noppers Nachfolger zukommen, so etwa im Baubereich. Es müsse auch Leuten mit normalem Einkommen ermöglicht werden, hier zu wohnen. „Auf vielen hoch attraktiven Innenstadtflächen herrscht aber Stillstand“, habe er bemerkt. Und auch im Bereich Klimaschutz könne und müsse die Stadt aktiv werden. Braun sieht vor allem Gestaltungsmöglichkeiten durch Bodenvorratshaltung. Die Stadt müsse Liegenschaften erwerben und selbstverständlich klimaneutral bauen und sanieren. Sie müsse vorangehen, gleichzeitig aber die Bürger mitnehmen und nicht überfordern. Man könne von jemand mit knappem Budget nicht erwarten, dass er sich ein teures E-Auto anschafft. Oder von älteren Leuten auf dem Land, dass sie ohne das Auto auskommen. „Wir können nicht sofort alles umstellen“, warnt Stefan Braun. Auch helfe es nicht, wenn sich die verschiedenen Gruppen untereinander anfeinden. „Das finde ich befremdlich, denn meistens liegt die Wahrheit doch irgendwo dazwischen.“ Der 56-Jährige versteht einen erfolgreichen Klimaschutz als sukzessiven Prozess, bei dem es darum gehe, allen verständlich zu machen, was auf dem Spiel steht und wie sie auf den Weg mitgenommen werden. Ganz ohne Politsprech, versteht sich. Denn da geht es dem Ministerialen wie wohl vielen anderen Bürgern auch: „Den höre ich seit 30 Jahren, das ertrage ich nicht.“

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