Gespräche zu Whistleblower-Gesetz in Koalition geplatzt

dpa Berlin. Wer Verstöße gegen Umweltschutz, Datenschutz oder Maskenpflicht in seiner Firma meldet, macht sich häufig keine Freunde. Die Justizministerin will Hinweisgeber vor vorzeitigen Kündigungen und Einschüchterung schützen. Doch die Union steht auf der Bremse.

Gespräche zu Whistleblower-Gesetz in Koalition geplatzt

Christine Lambrecht (SPD), Bundesjustizministerin, hatte im Dezember einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem eine europäische Richtlinie in deutsches Recht zum Schutz von Hinweisgebern umgesetzt werden sollte. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Hinweisgeber, die Missstände in Unternehmen aufdecken, müssen in Deutschland weiter auf besseren Schutz warten. Gespräche von Union und SPD zu einer Reform sind vorerst gescheitert.

Die Union verhindere einen wichtigen Schritt für mehr Integrität in der Wirtschaft und in öffentlichen Institutionen, kritisierte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD). „Das zeigt, wie wenig die Union aus Skandalen gelernt hat.“ Der Unionsabgeordnete Jan-Marco Luczak betonte, CDU und CSU wollten den Schutz von Whistleblowern. Zugleich dürfe man Unternehmen in der Pandemie aber keine Steine in den Weg legen durch zusätzliche Bürokratie und Regulierung.

Lambrecht hatte im Dezember einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem eine europäische Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden sollte. Sie will allerdings, dass der Schutz für Hinweisgeber nicht nur gilt, wenn man Verstöße gegen EU-Recht meldet, sondern auch bei Verstößen gegen deutsches Recht. „Denn sonst wäre geschützt, wer einen Verstoß gegen europäische Datenschutzvorschriften meldet, aber nicht geschützt, wer auf Schmiergeldzahlungen, Steuerhinterziehung oder auf Verstöße gegen deutsche Umweltschutz- oder Arbeitsschutzbestimmungen hinweist“, erläuterte sie.

Für solche Hinweise sollen Meldestellen eingerichtet werden. Wer nach der Meldung eines Missstands vorzeitig gekündigt, gemobbt oder eingeschüchtert wird, soll nur dies nachweisen müssen. Der Arbeitgeber müsste dann belegen, dass die Behandlung des Angestellten nichts mit der Meldung von Missständen zu tun hatten. Die Richtlinie soll auch vor Gehaltsminderung, negativen Beurteilungen und Versagung einer Beförderung infolge von Whistleblower-Hinweisen schützen.

Luczak kritisierte, Lambrecht gehe mit ihrem Vorschlag „ohne Notwendigkeit“ über die Vorgaben aus Brüssel hinaus. Für die Unternehmen bedeute das eine erhebliche Mehrbelastung. „Gleichzeitig wissen wir, viele Unternehmen kämpfen in der aktuellen Pandemie um ihre Existenz“, betonte er. Die Whistleblower-Richtlinie müsse deshalb auf das beschränkt werden, was die EU vorgebe. „Sollte Frau Lambrecht weiterhin an einer überschießenden Regelung festhalten, verunmöglicht sie damit eine Einbringung ins Kabinett“, betonte er.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese warf der Union vor, lediglich eine „Schmalspurlösung“ akzeptieren zu wollen. „Dann wären beispielsweise Arbeitnehmer nicht vor Kündigung geschützt, die auf Missstände beim Arbeitsschutz in ihrer Firma hinweisen“, sagte er.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betonte: „Wer den Mut hat, Alarm zu schlagen, wenn Arbeitsschutzvorschriften eklatant verletzt werden, dem darf keine Kündigung drohen.“ Das gelte gerade in Zeiten der Pandemie, wo Arbeits- und Gesundheitsschutz besonders wichtig seien. „Eine verkorkste Schmalspurlösung zulasten mutiger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wie CDU und CSU sie wollen, wird es mit mir nicht geben“, kündigte er an. Der Union fehle der politische Wille, mit skandalösen Missständen aufzuräumen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte die Union ebenfalls auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben. Die Union verweigere Beschäftigten den erforderlichen Schutz, kritisierte Vorstandsmitglied Anja Piel. „Solche Beschäftigte sind es, die mit ihrer Integrität, ihrem Mut und großem persönlichen Risiko zu einer besseren und gerechteren Arbeitswelt beitragen.“

Die europäische Richtlinie muss bis zum 17. Dezember in deutsches Recht umgesetzt werden. Wird der Streit nicht zügig ausgeräumt, ist dies vor der Bundestagswahl im September kaum noch zu schaffen.

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