Graureiher von Baumfällungen gestört

Um die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer an der Theodor-Körner-Straße zu gewährleisten, hat die Stadt dort einige beschädigte Bäume fällen lassen. Weil in diesem Bereich Graureiher brüten, hätte sie dafür aber eine Ausnahmegenehmigung gebraucht.

Graureiher von Baumfällungen gestört

Graureiher gehören hierzulande zu den besonders geschützten Arten. An der Theodor-Körner-Straße befindet sich die einzige bekannte Brutkolonie im Rems-Murr-Kreis. Zwölf Paare sind dort derzeit zu beobachten. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Graureiher sind zwar kein seltener Anblick im Rems-Murr-Kreis, ihre Nistplätze sind in der Region jedoch rar. Genauer gesagt ist sowohl dem Naturschutzbund Nabu als auch der Unteren Naturschutzbehörde im Kreis nur eine Brutkolonie bekannt: in Backnang, an der Theodor-Körner-Straße. Genau an dieser Stelle haben jedoch zu Beginn des Jahres umfangreiche Baumfällarbeiten stattgefunden, Eschen und Fichten waren an dieser Stelle durch Krankheiten und Käferbefall stark geschädigt. „Nachdem bereits zwei Bäume und große Äste auf die Theodor-Körner-Straße gestürzt waren, herrschte dringender Handlungsbedarf, um Gefahr für Leib und Leben abzuwenden“, teilt die Backnanger Stadtverwaltung mit. Auch das Forstamt hatte die Fällungen dringend empfohlen. Einen Haken hat die Sache aber: Graureiher gehören zu den besonders geschützten Arten. „Der Brutplatz der besonders geschützten Vögel darf nach dem Bundesnaturschutzgesetz nicht zerstört werden“, teilt das Landratsamt mit. Wenn also Fällarbeiten in diesem Gebiet stattfinden sollen, bedarf es einer artenschutzrechtlichen Ausnahme, die beim Amt für Umweltschutz eingeholt werden muss. Das allerdings hat die Stadt Backnang versäumt, wie sich nun herausgestellt hat.

„Der totale Hammer“, findet Jürgen Ehrmann, der Schutzgebietsbetreuer des Nabu Backnang. Es mache ihn fassungslos, dass das passieren konnte. Der Nabu stelle nicht die notwendigen Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der Verkehrsteilnehmer auf der Theodor-Körner-Straße infrage – im Gegenteil: Der Schutz von Menschen habe absoluten Vorrang. „Die Natur ist immer in Konkurrenz mit der Bebauung, da muss man doch gerade an solcher Stelle mit Maß vorgehen“, findet er. Es seien auch Nistbäume gefällt worden, die weit entfernt von der Straße gestanden haben.

Das Vorgehen der Stadt hat wohl rechtliche Konsequenzen.

Vonseiten der Stadt Backnang wird eingeräumt, dass aufgrund der Dringlichkeit der Arbeiten es versäumt wurde, die Genehmigung einzuholen. Es wird jedoch darauf hingewiesen: „Der Zeitpunkt der Fällungen im Januar lag außerhalb der Brutzeit der Graureiher. Bei der Fällung wurde darauf geachtet, dass Bäume geschont werden, auf denen sich Nester der Graureiher befanden.“ Die Vertreter des Nabu wollen das als Ausrede nicht gelten lassen und Strafanzeige wegen Verstößen gegen die Paragrafen 44 und 45 des Bundesnaturschutzgesetzes erstatten. Diese beinhalten das Verbot, europäische Vogelarten unter anderem während der Überwinterungszeit zu stören sowie die Notwendigkeit einer Genehmigung in wichtigen Ausnahmefällen. Und auch das Amt für Umweltschutz will das Vorgehen der Stadt Backnang nicht ungeahndet lassen. Im Moment werde geprüft, ob die Sache an die Staatsanwaltschaft abgegeben werden müsse, sagt eine Sprecherin des Landratsamts auf Nachfrage.

Die Stadtverwaltung bedauert das fehlerhafte Vorgehen. „Durch Verbesserung der internen Abläufe wird sichergestellt, dass dies in der Zukunft nicht mehr vorkommt“, teilt die Pressestelle mit. Der Nabu fordert strukturelle Konsequenzen. Durch das Vorgehen der Stadt hätten sich eklatante Organisationsmängel offenbart. „Diese müssen behoben werden.“ Er habe schon öfter bemerkt, dass die Untere Naturschutzbehörde in solche Projekte nicht richtig eingebunden werde, sagt Ehrmann. Zudem zeige sich mangelhaftes Wissen über den Zustand der Fauna in Backnang. „Hier fordern wir Verbesserungen. Der Nabu bietet – erneut – seine Mitarbeit in Naturschutzfragen und bei Beobachtungen an.“

Immerhin, die Backnanger Graureiher scheinen nicht ganz so leicht zu vergrämen zu sein. „Aktuell ist gut zu beobachten, wie die Graureiher neue Nester in die verbliebenen Bäume bauen. Ganz offensichtlich war der Bruttrieb und der Zusammenhalt in der Brutkolonie erfreulicherweise so groß, dass die Veränderungen nicht zur Auflösung der Graureiherkolonie geführt hat“, heißt es vonseiten des Landratsamts. Eine Ortsbesichtigung habe ergeben, dass zwölf Brutpaare in jenem Gebiet aktiv sind. „Entscheidend für die nächsten Jahre wird aber sein, dass die verbliebenen Bäume unangetastet bleiben und nachwachsende Bäume in unmittelbarer Straßennähe immer wieder kurz gehalten werden. Damit kann langfristig die Verkehrssicherung gewährleistet werden und es kommt in ein paar Jahren nicht wieder zu einer neuerlichen Störung der Tiere.“ Die Stadt Backnang geht davon aus, dass auch die verbliebenen Eschen dem Eschentriebsterben zum Opfer fallen werden. „Es sind aber im unmittelbaren Umfeld noch andere geeignete Brutbäume vorhanden, sodass diesbezüglich die Voraussetzungen gegeben sind, dass die Graureiherkolonie auch künftig an diesem Standort brüten kann.“ An der Theodor-Körner-Straße sei eine Wiederbewaldung mit klimastabilen Baumarten wie der Baumhasel vorgesehen. Diese sei bereits beauftragt und wird in den kommenden Wochen umgesetzt. Die Stadt Backnang nehme zudem an vielen geeigneten Stellen am Alt- und Totholzprogramm teil – etwa in Richtung Räuberhöhle. „Hier werden Waldrefugien und Habitatbaumgruppen ausgewiesen, in denen forstwirtschaftlich nicht eingegriffen wird. Innerhalb dieser Bereiche entwickeln sich Waldbiotope von besonderer ökologischer Wertigkeit für die Pflanzen- und Tierwelt.“