Grauzonen

Erfassung von Kfz-Kennzeichen: Der Zweck heiligt nicht die Mittel

Von Wolfgang Molitor

Was soll man davon halten? Da scannt die Polizei mit speziellen Geräten an der Fahrbahn die Nummernschilder aller vorbeifahrenden Autos und erfasst sie – mit Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung. Der Autofahrer merkt und weiß davon nichts. Und auch wenn die Daten sofort wieder gelöscht werden, nachdem der automatisierte Abgleich mit dem Fahndungsbestand keinen Treffer ergeben haben sollte: Das Bundesverfassungsgericht nennt so etwas einen verfassungswidrigen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – zumindest in wichtigen Teilen.

Die Karlsruher Richter tun in der Tat gut daran, auf die Bremse zu treten. Denn so hilfreich für die Polizei eine massenhafte Überprüfung und der schnelle Fahndungserfolg – auch im Interesse aller – sind, so sinnvoll die Gewerkschaft der Polizei die Methode findet: Da wird ein Fass aufgemacht, das ohne klare Auflagen der Verfassungsrichter nur schwer wieder zu schließen sein wird. Zwar hält das Gericht die automatische Überwachung nicht grundsätzlich für unzulässig und lässt die Vorschriften erst einmal bis Ende des Jahres in Kraft, aber es wittert mit gutem Gespür Grauzonen, in denen sich Gesetzgeber und Polizei schnell noch breitermachen könnten als schon jetzt.

Schon liebäugelt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer damit, in betroffenen Städten eine automatische Kennzeichenerfassung zur Kontrolle von Dieselfahrverboten zu installieren. Nach heftigen Protesten sollen es jetzt zwar nur noch Stichproben sein. Aber ist es an der Zeit, dass die Hüter der Verfassung eine Politik zurückpfeifen, deren übergriffige Überwachungsfantasien noch für viele üble Überraschungen sorgen könnten – und für die „sinnvoll“ mehr bedeutet als „verfassungsrechtlich unbedenklich“.

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