Tourismus

Griechenland stößt im Tourismus an seine Grenzen

Die griechischen Ferieninseln melden Jahr für Jahr neue Besucherrekorde. Aber jetzt warnt eine Studie: Vielerorts ist die Infrastruktur dem Boom nicht mehr gewachsen.

Griechenland stößt im Tourismus an seine Grenzen

Seebeben wie hier vor Zakynthos im Jahr 2018 beschädigen die Infrastruktur von Häfen.

Von Gerd Höhler

Die griechische Insel Zakynthos ist ein beliebtes Reiseziel für junge Partytouristen. Die Feiermeile im Küstenort Laganas gilt als Griechenlands Ballermann. Aber Zakynthos hat ein schmutziges Geheimnis. Inmitten eines Natura-2000-Schutzgebiets liegt eine illegale Mülldeponie, auf der über Jahrzehnte rund 530 000 Tonnen Abfall abgelagert wurden.

Bereits 2017 ordnete der Europäische Gerichtshof ihre Schließung und Sanierung an. Weil jedoch kaum Fortschritte erzielt wurden, verhängte das Gericht im Oktober eine Strafe von 5,5 Millionen Euro und ein tägliches Zwangsgeld von 12 500 Euro bis zur vollständigen Beseitigung aller Umweltrisiken.

Sinnbild eines strukturellen Problems

Zakynthos ist kein Einzelfall, sondern Sinnbild eines strukturellen Problems. Griechenland steuert auf den dritten Tourismusrekord in Folge zu: Der Sektor trägt inzwischen mehr als ein Fünftel zur Wirtschaftsleistung bei. Aber laut einer aktuellen Studie der National Bank of Greece (NBG) steht die Infrastruktur auf vielen Inseln kurz vor dem Kollaps. Nicht nur auf Zakynthos: Illegale Deponien existieren auch auf Hydra, Santorini und Kalymnos.

Seit 2014 hat Griechenland mehr als 149 Millionen Euro an Strafen wegen Umweltverstößen und fehlender Abwassersysteme und Kläranlagen zahlen müssen. In Mykonos führten marode Leitungen im Sommer 2023 dazu, dass Fäkalien in die Cafés und Boutiquen entlang der Hafenpromenade flossen, was international für Schlagzeilen sorgte. Während die Touristenzahlen stetig steigen, stagnieren die Investitionen in die nötige Infrastruktur. Die NBG-Studie beziffert den Bedarf bis 2035 auf rund 35 Milliarden Euro, also 3,5 Milliarden pro Jahr. Doch in den vergangenen Jahren flossen jährlich nur etwa zwei Milliarden Euro.

Inbegriff des Inseltourismus

Griechenland gilt als Inbegriff des Inseltourismus. Fast die Hälfte aller ausländischen Urlauber entscheidet sich für eine Insel. Zwischen 2003 und 2024 verdoppelte sich ihre Zahl von acht auf 16 Millionen. Sieben griechische Inseln zählen heute zu den dreißig beliebtesten Inselzielen weltweit. Die Belastung ist enorm: In der Hochsaison liegt die Touristendichte auf den Inseln bei durchschnittlich 33 Menschen pro Quadratkilometer, während es auf dem Festland lediglich zwei sind.

Santorini empfängt jährlich das 200-Fache seiner Einwohnerzahl, Mykonos sogar das 300-Fache. Trotzdem wurde jahrzehntelang nicht stärker in die Inseln investiert als in das Festland. Einige Fortschritte sind bei der Modernisierung der Flughäfen sichtbar. Der Athener Flughafen erweitert für 1,3 Milliarden Euro seine Kapazität deutlich. Doch zwei Dutzend kleinere staatliche Flughäfen sind weiterhin dringend sanierungsbedürftig. Sie sollen im nächsten Jahr privatisiert werden.

Nachholbedarf bei Fährhäfen

Auch bei den Fährhäfen besteht großer Nachholbedarf. Viele stammen aus den 1960er Jahren und sind für moderne Fährschiffe unzureichend ausgelegt. Eine Erdbebenserie auf Santorini in diesem Frühjahr offenbarte ein gefährliches Versäumnis: Die Vulkaninsel hat keinen geeigneten Hafen, über den im Katastrophenfall Menschen schnell evakuiert und Hilfseinsätze abgewickelt werden könnten.

Viele Inselgemeinden klagen über finanzielle Engpässe. Griechenland erhebt zwar seit 2023 zusätzliche Abgaben, darunter eine Klimasteuer von zwei bis fünfzehn Euro pro Übernachtung sowie Gebühren für Kreuzfahrtpassagiere. Diese brachten 2024 rund 420 Millionen Euro ein, doch nur ein Drittel der Einnahmen erreicht die Kommunen. Der Großteil wandert in die Staatskasse. Die Autoren der Studie fordern deshalb, sämtliche tourismusbezogenen Einnahmen zweckgebunden für lokale Infrastruktur zu verwenden. Beispiele aus den Balearen, Venedig und den Seychellen zeigen, dass solche Modelle Transparenz schaffen und Investitionen wirksamer machen können.

Experten raten zu strategischer Neuausrichtung

Darüber hinaus empfehlen die Verfasser, privates Kapital sowie EU-Mittel zu mobilisieren und eine spezialisierte Behörde zu schaffen, die Projekte bündelt und Genehmigungsverfahren beschleunigt. Die notwendigen 35 Milliarden Euro seien laut Studie gut angelegt: Sie könnten die Tourismuseinnahmen bis 2035 um bis zu 45 Prozent steigern und jährlich zusätzliche fünf Milliarden Euro generieren. Die Experten der NBG raten außerdem zu einer strategischen Neuausrichtung: Griechenland solle weniger auf immer höhere Besucherzahlen setzen, sondern auf hochwertigen Tourismus, um die Wertschöpfung pro Gast zu erhöhen und die Saison verlängern, um die Belastung gleichmäßiger über das Jahr zu verteilen.