Taliban verkünden neue Regeln

dpa Kabul/Genf. Schritt für Schritt verkünden die neuen Machthaber in Kabul Regeln für ihr islamisches Emirat. Gleichzeitig hungern Millionen. Ihre humanitäre Hilfe will die Staatengemeinschaft nun an Bedingungen knüpfen.

Taliban verkünden neue Regeln

Bewaffnete Taliban-Mitglieder auf einem lokalen Markt in Kabul. Foto: Felipe Dana/AP/dpa

Knapp einen Monat nach der Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan berät die internationale Gemeinschaft über ihren künftigen Umgang mit den militanten Islamisten.

Auf einer Geberkonferenz unter dem Dach der Vereinten Nationen in Genf soll an diesem Montag entschieden werden, wie es mit humanitärer Hilfe weitergeht. Viele Länder sind dazu bereit, knüpfen daran aber Bedingungen. Die Taliban machten einmal mehr deutlich, dass sie von ihren Grundsätzen nicht ablassen wollen: Am Sonntag gaben sie bekannt, dass Frauen und Männer an Afghanistans Universitäten künftig streng getrennt werden.

Ziel des bislang größten internationalen Treffens seit der Machtübernahme Mitte August ist, den Hunger in dem zentralasiatischen Land zu bekämpfen und das öffentliche Leben vor dem Zusammenbruch zu bewahren. UN-Hilfsorganisationen haben einen Finanzbedarf von 606 Millionen Dollar (513 Millionen Euro) bis Dezember angemeldet. Erwartet werden etwa 40 Minister, darunter Außenminister Heiko Maas (SPD). Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres will nach Genf kommen. Andere Teilnehmer sind nur per Videoschalte dabei.

Die Taliban haben inzwischen auch eine Übergangsregierung ernannt - ohne eine einzige Frau und ohne einen einzigen Minister einer anderen politischen Gruppierung. Die internationalen Truppen haben das Land nach annähernd 20 Jahren nahezu vollständig wieder verlassen. Nach Angaben der Welthungerhilfe haben 13 Millionen Menschen in Afghanistan nicht genug zu essen. Hunderttausende wurden seit Jahresbeginn durch Kämpfe in ihren Städten und Dörfern vertrieben. Viele sind in die Hauptstadt Kabul geflohen.

Beobachter fürchten, dass die Taliban trotz erster Andeutungen für einen gemäßigteren Kurs wieder mit harter Hand regieren. Bereits zwischen 1996 bis 2001 waren die Islamisten mit einer extrem strikten Auslegung des islamischen Rechts an der Macht. Frauen und Mädchen hatten damals kaum Rechte. Viele Afghaninnen fürchten, dass sie zu Bürgerinnen zweiter Klasse degradiert werden. Insgesamt ist die Sorge vor den neuen Machthabern in dem Land groß.

An den Universitäten wird es künftig nur noch nach Geschlechtern getrennten Unterricht geben, wie der amtierende Minister für höhere Bildung, Abdul Baghi Hakkani, in Kabul bekanntgab. Für Studentinnen wollen die Taliban Dozentinnen einstellen - aber auch Männer sollen Frauen unterrichten dürfen, solange der Unterricht nach den Regeln der Scharia erfolgt. Dazu zählten auch islamische Kleidungsvorschriften, so der Minister.

Am Samstag demonstrierten Dutzende Frauen für die neue Regierung. Sie zogen über das Gelände einer Universität und versammelten sich dann in einem Hörsaal. Viele waren auf eine Weise verschleiert, wie das in Afghanistan in den vergangenen Jahren nie zu sehen war: Sie trugen bodenlange schwarze Gewänder und auch schwarze, kapuzenähnliche Kopfbedeckungen. Auch ihre Gesichter waren komplett schwarz verhüllt. Der Marsch wurde von Sicherheitskräften der Taliban begleitet.

Nach mehreren Protesten diese Woche in Kabul und anderen Städten - gegen Pakistan und indirekt auch gegen die Herrschaft der Taliban - hatte das Innenministerium Demonstrationen verboten und erklärt, Proteste müssten künftig vorab angemeldet werden. Journalisten, die von den Protesten berichteten, wurden teils für mehrere Stunden festgenommen und dabei schwer misshandelt.

Nach dem Ende der militärischen Evakuierungsmission in Kabul wurden in den vergangenen Tagen mehr als 250 Schutzbedürftige aus der afghanischen Hauptstadt ausgeflogen, darunter nach Angaben des Auswärtigen Amts auch 60 Bundesbürger. Sie wurden mit Passagiermaschinen ins arabische Emirat Katar gebracht. Künftig will auch Pakistan mit solchen Flügen helfen. Mit Militärmaschinen waren zuvor schon mehr als 120 000 Menschen ausgeflogen worden. Die Bundeswehr brachte etwa 5300 Menschen außer Landes.

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