Großkraftwerkaktion: Klimaschützer zu Geldstrafe verurteilt

dpa/lsw Mannheim. Einen radikalen Wechsel von Konsum und Lebensstil fordert ein junger Klima-Aktivist. Seine Bühne ist das Amtsgericht Mannheim, wo er seine Beweggründe für eine Protestaktion im Großkraftwerk darlegt. Das Gericht ahndet diese mit einer Geldstrafe.

Großkraftwerkaktion: Klimaschützer zu Geldstrafe verurteilt

Der angeklagte Klimaaktivist setzt sich vor Gericht in Mannnheim. Foto: Uwe Anspach/dpa

Ein Klimaschützer ist für eine Protestaktion auf dem Gelände des kohlebetriebenen Großkraftwerks Mannheim (GKM) zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Amtsgericht Mannheim sah es am Montag als erwiesen an, dass der 21-Jährige im August des vergangenen Jahres auf das Dach eines Kohleförderbands geklettert ist und damit Hausfriedensbruch begangen hat. Dafür und wegen versuchter Körperverletzung und Verstoß gegen das Vermummungsverbot muss der Physikstudent 65 Tagessätze von 5 Euro sowie die Gerichtskosten zahlen. Er kann dagegen aber noch Rechtsmittel einlegen. Sein Verteidiger hatte auf Freispruch plädiert, die Staatsanwaltschaft auf 100 Tagessätze.

Der junge Mann aus Freiburg hatte für die Aktion mit insgesamt fünf Teilnehmern den rechtfertigenden Notstand geltend gemacht. Er verwies auf den entsprechenden Artikel des Strafgesetzbuchs; nach diesem kann unter gewissen Bedingungen eine Tat nicht rechtswidrig sein, wenn sie eine Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre und Eigentum abwenden soll. Es sei deshalb rechtens, sich als Bürger der Klimazerstörung durch die Gewinnung und Nutzung von Kohle entgegenzustellen, so der Student, auch in Form von Blockadeaktionen wie der Besetzung des GKM mit Transparenten.

In einem langen Vortrag beschrieb der Kapitalismuskritiker verheerende Umweltschäden, Ausbeutung und Ströme von Klimaflüchtlingen als Folgen der Kohlegewinnung. Das GKM sei mit 0,2 Prozent am globalen Treibhausgasausstoß beteiligt (2017). „Für mich bleibt nur der Weg des zivilen Ungehorsams“, resümierte der Student.

Das GKM sieht sich hingegen dank moderner Technologie als Partner der Energiewende, auf den für die Versorgungssicherheit nicht verzichtet werden könne.

Dem Aktivisten legt das Amtsgericht auch das Mitführen einer Nähnadel im Hosenbund als versuchte einfache, aber nicht - wie von der Staatsanwaltschaft angenommen - gefährliche Körperverletzung zur Last. Er habe die Nadel so an seinem Hosenbund angebracht, dass sie bei einer Durchsuchung einen Polizisten hätte verletzen können. Der 21-Jährige gab an, er habe die Nadel mitgenommen, um die Haut seiner Fingerkuppen zu zerstören und damit einen Fingerabdruck zu vereiteln. Dass das Gericht dieser Erklärung nicht habe folgen wollen, sei eine große Enttäuschung sagte eine Vertreterin der Gruppe GKM abschaffen.

Der junge Mann hatte zudem nach Überzeugung des Gerichts mit Schal, bemaltem Gesicht und Sturmhaube gegen das Vermummungsverbot verstoßen.

Der GKM-Betreiber schaltete das Förderband während der Protestaktion ab. Spezialkräfte nahmen die Aktivisten nach etwa fünf Stunden fest. Die zwei Männer und drei Frauen hatten ihre Finger und Handflächen mit Sekundenkleber präpariert, so dass vier aus dem Gewahrsam entlassen wurden, ohne identifiziert worden zu sein. Bei dem Studenten brachte eine Aufnahme seiner Hände im Abgleich mit Daten des Landeskriminalamtes einen Treffer. Bei seinen vier Mitstreitern sind die Verfahren eingestellt worden.

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