Grün-Schwarz verteidigt sich

dpa/lsw Stuttgart. In knapp 40 Tagen ist Landtagswahl. Die Opposition behauptet, die Koalition zoffe sich beim Corona-Management ständig. Grüne und CDU loben sich über den grünen Klee. Von „Kampfgemeinschaft in der Krise“ ist die Rede. Und Kretschmann schwärmt von der eigenen Tatkraft.

Grün-Schwarz verteidigt sich

Wolfgang Reinhart, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Grün-schwarzer Schlagabtausch über Kitas, Schulen und die Corona-Teststrategie - war da was? Fünfeinhalb Wochen vor der Landtagswahl hat die Koalition eine von der Opposition beantragte Debatte über Zwist zwischen CDU und Grünen in der Corona-Krise zum Schulterschluss genutzt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) lobte am Mittwoch, die Koalition gehe die Probleme mit „großer Tatkraft“ an. Die Zahl der Infektionen sei im Südwesten auf dem niedrigsten Stand im Vergleich zu den anderen Bundesländern: „Wenn wir nur Wahlkampf machen würden oder Schlafen hinterm Ofen, dann wäre das sicher nicht so.“ Er zählte zahlreiche Projekte seiner Regierung auf und bilanzierte: „Das klingt doch nicht nach Kesselflicker-Streit, sondern nach Goldschmiede.“

CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart sagte: „Wir sind eine Kampfgemeinschaft gegen diese Krise. Und wir stehen Schulter an Schulter.“ So viel Tatkraft wie in den vergangenen zwölf Monaten habe es noch nie in der Geschichte des Landes gegeben. Sein Grünen-Kollege Andreas Schwarz lobte, Grün-Schwarz habe erst am Dienstag Hilfen für den Nahverkehr und für Eltern vereinbart. „Das ist verlässliche und gute Regierungsarbeit.“ Über die fünf vergangenen Jahre sagte er: „Wir haben das ganz gut hinbekommen.“ Beide hielten der SPD vor, das Land schlechtzureden.

Bei der Landtagswahl am 14. März will CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann Regierungschef Kretschmann ablösen. In den jüngsten Umfragen liegen die beiden Parteien Kopf an Kopf oder die Grünen führen. Eine Koalition aus Grünen und SPD wie schon zwischen 2011 und 2016 wäre demnach rechnerisch nicht möglich. Es wird deshalb darüber spekuliert, ob es im Fall eines grünen Siegs eine Wiederauflage von Grün-Schwarz geben wird oder womöglich ein Ampel-Bündnis aus Grünen, SPD und FDP. Die Spitzenkandidaten von SPD und FDP, Andreas Stoch und Hans-Ulrich Rülke, haben schon ihre Bereitschaft für eine Ampel signalisiert. Im Fall eines CDU-Siegs wäre eine Deutschland-Koalition mit SPD und FDP eher schwierig, weil die SPD-Basis skeptisch ist. Daher wäre dann eher ein schwarz-grünes Bündnis denkbar.

Die SPD-Fraktion hatte die aktuelle Debatte mit dem Titel „Mehr Tatkraft statt Wahlkampfgezänk in der Krise“ beantragt. Die Sozialdemokraten spielten damit auf den jüngsten Zwist zwischen Eisenmann und Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) an. Die beiden hatten sich vergangene Woche über den Umgang mit Kitas und Grundschulen sowie die Teststrategie gestritten. SPD-Fraktionschef Stoch hielt der Koalition vor, in der Schulpolitik und beim Impfen versagt zu haben. Statt differenzierter Konzepte in der Corona-Krise gebe es in der Bildung eine „Kopf-durch-die-Wand-Politik à la Eisenmann“. Am Rande der Debatte kündigte der frühere Kultusminister an, er werde sich an diesem Donnerstag mit Kretschmann zu einem Gespräch über die weitere Schulstrategie in der Corona-Krise treffen - ohne Eisenmann.

Stoch meinte in der Debatte, wenn Lucha nach der Kritik an langen Wartezeiten am Impf-Servicetelefon nun seine Strategie umstelle, sei das nur ein erster Schritt, der viel zu spät komme. Er verbat sich auch die Kritik von Kretschmann, der Vorwürfe zur Impfpolitik zurückgewiesen und von „Schlaumeier-Debatten hinterher“ gesprochen hatte. Stoch sagte dazu: „Ich glaube, dieses Land braucht eher Schlaumeier als ignorantes Weghören.“ FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke stützte die SPD und empörte sich ebenfalls über den Schlaumeier-Vergleich. Kretschmann sagte in seiner Replik: „Wenn sie sich davon angesprochen fühlen, dann ist das nicht meine Schuld.“

Rülke hielt der Koalition vor, sie rede ihre Arbeit schön. Die Konflikte zwischen Eisenmann und Lucha seien alles andere als „Schulter an Schulter“. Rülke sagte: „Mich erinnert das eher an eine Tortenschlacht aus alten Dick-und-Doof-Filmen.“ Kretschmann räumte ein, dass es in dieser Frage „Differenzen in der Landesregierung“ gegeben habe. Er habe die „öffentliche Begleitmusik“ auch nicht gut gefunden. Er beteuerte aber erneut: „Wir treffen unsere Entscheidungen nicht aus Wahlkampf-Gesichtspunkten.“ Darauf müsse sich die Bevölkerung verlassen können.

Man werde in der kommenden Woche aber ein Konzept für eine neue Corona-Teststrategie vorlegen. „Da werden wir ihnen nächste Woche einen Vorschlag machen“, sagte der Grünen-Politiker. Es gehe um die Frage, ob man die Schnelltests nur anlassbezogen etwa in Alten- und Pflegeheimen mache oder sie deutlich ausweite auf andere Berufsgruppen.

Eisenmann hatte Lucha vergangene Woche vorgehalten, nicht genügend Corona-Testmöglichkeiten zu bieten, vor allem für Lehrkräfte und Erzieherinnen, aber auch für Berufsgruppen wie Polizisten oder Supermarktkassiererinnen. Die Kultusministerin sieht die massenhaften Schnelltests auch als Möglichkeit, Kitas und Schulen schneller wieder zu öffnen. Der Regierungschef erklärte, nun müsse man überlegen, wie viel Personal man brauche, um mehr Schnelltests durchzuführen und - wie viel Geld das koste.

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