Grün-Schwarz sieht Bedarf für 3000 neue Lehrer

Von Von Henning Otte, dpa

dpa/lsw Stuttgart. Finale bei den Koalitionsverhandlungen: Nun ringen Grüne und CDU darum, wofür das knappe Geld ausgegeben werden soll. Was haben sie für Bildung übrig? Die eigenen Experten wollen über 350 Millionen Euro in die Schulen stecken. Ein frommer Wunsch.

Grün-Schwarz sieht Bedarf für 3000 neue Lehrer

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, spricht. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild

Grüne und CDU im Südwesten sehen für eine Qualitätsoffensive in den Schulen den Bedarf von 3000 neuen Lehrerstellen. Das ist der Vorschlag der Arbeitsgruppe Kultus, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Stuttgart aus Verhandlungskreisen. Die zusätzlichen Stellen würden etwa 240 Millionen Euro kosten. Wegen des Geldmangels in der Landeskasse gilt es aber als unwahrscheinlich, dass die Spitzen von Grünen und CDU diesen Vorschlag so mittragen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte jüngst erklärt, man könne „nur sehr wenige neue Stellen schaffen“. Aus der Führung der Grünen hieß es, die Zahl 3000 sei „unrealistisch“.

Als relativ sicher gilt aber, dass Grüne und CDU ein Sonderprogramm mit einem Volumen von 100 bis 120 Millionen Euro auflegen wollen, um die Corona-Folgen für Kinder und Jugendliche auszugleichen. Damit sollen unter anderem pensionierte Lehrkräfte und Lehramtsstudierende für Nachhilfe engagiert werden.

Zugleich verdichten sich die Hinweise, dass die Grünen künftig das Kultusministerium besetzen werden. Die CDU sei bereit, das Ressort nach dem Abgang von Kultusministerin Susanne Eisenmann abzugeben, hieß es bei Grünen und CDU. Wer die Nachfolge antritt, sei aber noch nicht klar. Als Kandidatin wird Staatsministerin Theresa Schopper gehandelt.

Bei den Koalitionsverhandlungen begann am Donnerstag das Ringen um die Frage, welche Vorhaben angesichts der bescheidenen Kassenlage Vorrang haben sollen. Am Samstag soll der Koalitionsvertrag eigentlich unter Dach und Fach sein. Bis zuletzt befassten sich die Spitzen um Kretschmann und CDU-Chef Thomas Strobl mit den Wunschlisten und strittig gebliebenen Fragen der zwölf AG.

Die beiden Parteien wollen in Klimaschutz, den Ausbau des schnellen Internets und des Nahverkehrs sowie die Innovationsförderung investieren. Hinzu kommen Pläne für mehr Stellen bei Polizei und Schulen. Doch im Koalitionsvertrag soll so gut wie jedes Projekt, das Kosten nach sich zieht, mit einem Haushaltsvorbehalt belegt werden. Sie sollen dann realisiert werden, wenn die Steuerquellen wieder sprudeln.

In der Schulpolitik hatten sich Grüne und CDU schon in der Sondierung geeinigt, keine Strukturdebatten zu führen und lieber in Qualität zu investieren. Mehr Qualität heißt aber eben oft auch mehr Lehrkräfte. Die Bildungsgewerkschaft GEW kritisierte, dass Grüne und CDU bei der Bildung vor allem auf den Geldbeutel achteten. „Der Landesregierung muss klar sein, dass wir einen enormen Fachkräftemangel haben“, sagte die GEW-Landeschefin Monika Stein der dpa. Wenn man das nicht rasch ändere, „wird das Niveau in den Schulen absacken“. Es müssten mehr Studienplätze für Lehramtsstudierende geschaffen werden.

Zudem müssten jetzt Hilfskräfte qualifiziert werden, um den Lehrermangel zu lindern. „Das wird alles ohne Geld nicht funktionieren.“ Stein forderte den Ministerpräsidenten dringend auf, sich der Sache persönlich anzunehmen. „Kretschmann ist ausgebildeter Lehrer und hat seit zehn Jahren als Regierungschef zugesehen, wie sich der Fachkräftemangel aufgebaut hat. Er kann sich jetzt nicht wegducken.“

Ex-Kultusminister und SPD-Chef Andreas Stoch sagte, die Schaffung von 3000 zusätzlichen Lehrerstellen wäre ein richtiger Schritt. „Ganz schlimm wäre es, wenn dieser Plan schon im jetzigen Stadium wieder kassiert würde. Am besten mit dem neuen Lieblingsmotto der Fortschrittsbremser: Wir würden ja, aber es gibt kein Geld.“

Die meisten Stellen will die AG Kultus für die Sprachförderung von Kindern mit ausländischen Wurzeln. Dafür gibt es schon 1165 Stellen, doch die sollten demnächst wegfallen. Die Fachpolitiker plädieren dafür, sie weiter zu finanzieren. Die Lehrerstellen waren im Zuge der Migrationskrise geschaffen worden, um die Integration der Kinder und Jugendlichen zu verbessern.

Um die Schulleitungen zu entlasten, sollen 545 zusätzliche Stellen geschaffen werden. Darüber hinaus wollen die Bildungsexperten den Ethikunterricht im Land ausbauen und ihn schon ab Klasse vier beginnen lassen. Dafür werden demnach 440 Stellen für Lehrerinnen und Lehrer benötigt. Weil es nach Prognosen künftig mehr Schülerinnen und Schüler geben soll, werden nach den Vorstellungen der AG weitere 240 Stellen benötigt.

Die Reserve für die Krankenvertretung von Lehrkräften soll um 105 Stellen ausgebaut werden. Für die Verankerung der Ganztagsschule in der Sekundarstufe eins werden 170 bis 200 Stellen veranschlagt. Für die Ganztagsgrundschule soll es 60 Stellen geben. Für weitere Betreuungsangebote sind weitere 27 Stellen vorgesehen.

Nun muss die künftige Koalition auch im Bildungsbereich bestimmen, was notwendig und was wünschenswert ist. Zudem wollen Kretschmann und Co. sich am Abend (ca. 20.00 Uhr) mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände treffen. Auch hier dürfte es vor allem ums Geld gehen. Der Landkreistag hat bereits gewarnt, Grün-Schwarz dürfe die Kosten für den Ausbau des Nahverkehrs nicht auf die Kommunen abwälzen.

© dpa-infocom, dpa:210428-99-391250/7