Grüner OB in Hannover: Belit Onay unter Erfolgszwang

dpa Hannover. Für die Grünen ist der Sieg bei der OB-Wahl in Hannover ein einzigartiger Erfolg. Viel Zeit zum Feiern bleibt dem frischgewählten Belit Onay nicht. Kann er beweisen, dass die grüne Wende in einer Industriestadt machbar ist?

Grüner OB in Hannover: Belit Onay unter Erfolgszwang

Belit Onay (Bündnis 90/Die Grünen), Spitzenkandidat bei der Oberbürgermeisterwahl, freut sich mit seiner Frau Derya (l) und seinen Unterstützern nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Auf den strahlenden Gewinner warten schwierige Aufgaben: Nach seiner Wahl zum Oberbürgermeister von Hannover wird der Grüne Belit Onay spätestens kommende Woche sein Amt antreten und nach einem intensiven Wahlkampf einen Schnellstart hinlegen müssen.

In dem seit dem Zweiten Weltkrieg von der SPD regierten Rathaus wird die von dem 38-Jährigen angestrebte Politikwende sicher nicht nur auf Unterstützer stoßen. Und nach dem von der eigenen Partei gefeierten, aber knappen Wahlsieg steht Onay, der vierte grüne Bürgermeister in einer Großstadt nach Freiburg (bis 2018), Darmstadt und Stuttgart, in vielerlei Hinsicht unter Erfolgszwang.

Der türkischstämmige Onay ist das bundesweit erste Oberhaupt einer Landeshauptstadt mit Migrationshintergrund. Nun werden die vom Hof gejagte SPD und die unterlegene CDU kritisch auf jeden Schritt schauen - schließlich stehen 2021 Kommunalwahlen in Niedersachsen an. Schon bei der Europawahl kamen die Grünen in etlichen Großstädten in Niedersachsen auf Platz eins. Am Wahlabend verkündete der Grünen-Landesvorsitzende Hanso Janßen bereits: „Wir werden den Schwung in die nächsten Kommunal- und Bundestagswahlen und natürlich auch mit Blick auf die Landtagswahlen 2022 mitnehmen.“

Onay steht aber auch bundesweit unter Beobachtung, und zwar von Kritikern der Grünen und der eigenen Partei gleichermaßen. Beide werden schauen, ob es dem bisherigen Landtagsabgeordneten gelingt, die von den Grünen oft aus der Opposition erhobenen Kernforderungen nach mehr Klimaschutz und einer Verkehrswende in einer Industriestadt in der Praxis durchzuboxen.

So hatte Onay angekündigt, den Kern der Innenstadt bis 2030 autofrei zu machen, bei einer Umfrage erhielt er dafür keine Mehrheit, Handel und Handwerk dürften dagegen Sturm laufen. Es herrscht aber Handlungsdruck: Die Belastung der Luft mit Stickoxiden ist in Hannover seit langem zu hoch, die Deutsche Umwelthilfe klagt auf ein Fahrverbot für Diesel. Den öffentlichen Nahverkehr aber kann der neue OB nicht im Alleingang verbessern. Über den Ausbau des Stadtbahnnetzes, das in Stoßzeiten überlastet ist, entscheidet die Region, in der neben der Stadt das Umland vertreten ist. Und im Hauptbahnhof müsste die Bahn einen zusätzlichen Bahnsteig für mehr Regionalzüge bauen.

Onay hatte sich am Sonntag in einer Stichwahl mit 52,9 Prozent der Stimmen gegen den CDU-Bewerber Eckhard Scholz durchgesetzt. Auslöser der vorzeitigen Wahl war die Rathausaffäre um verbotene Gehaltszulagen, die den bisherigen OB Stefan Schostok (SPD) zum Rücktritt zwang. Im Stadtrat aber hat die SPD weiterhin die Oberhand, sie regiert dort mit den Grünen und der FDP. Dass Onay dort nur mit Geschick die Zügel in die Hand bekommt, ist ihm klar. „Ich werde mit der Verwaltung ein Team bilden, um Projekte umzusetzen“, kündigte er am Wahlabend an.

Und ist es ein Thema, dass mit Onay ein Zuwanderersohn mit Migrationshintergrund an die Rathausspitze aufrückt? Aus Sicht des Gewählten jedenfalls nicht: „Vielfalt ist der Normalfall in dieser Stadt“, sagte er. Tatsächlich hat knapp ein Drittel der Bevölkerung in Hannover inzwischen ausländische Wurzeln, bei jungen Menschen unter 18 jeder Zweite. Seine Herkunft kümmere die wenigsten, meinte Onay. „Entscheidend ist, wo wir hinwollen.“

Grüner OB in Hannover: Belit Onay unter Erfolgszwang

Belit Onay bei der Wahlparty im Alten Magazin in Hannover. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa