Gullydeckel-Attacke: Lokführer unter Verdacht

49-Jähriger bestreitet die Tat – Frage des Motivs noch völlig unklar

Bad Berleburg /DPA - Überraschende Wende im Fall der Gullydeckel-Attacke auf eine Regionalbahn bei Bad Berleburg: Der Lokführer steht unter dem Verdacht, die gefährliche Konstruktion an einer Brücke angebracht zu haben. Das teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Vor knapp zwei Wochen war ein Zug der Hessischen Landesbahn frühmorgens auf der Strecke im Wittgensteiner Land gegen zwei Gullydeckel gefahren, die an Seilen von einer Brücke über den Schienen hingen. Der Lokführer hatte auf dieser Strecke den ersten Zug des Tages gesteuert – als unbesetzte Leerfahrt auf dem Weg vom nächtlichen Abstellplatz in Erndtebrück zum Startbahnhof Bad Berleburg. Die Spurenlage deute darauf hin, dass der Mann die beiden massiven Gullydeckel an Seilen und Ketten befestigt und Richtung Gleise hinabgelassen haben könnte, sagte Rainer Hoppmann, Sprecher der Staatsanwaltschaft Siegen, am Donnerstag. Mindestens einer davon durchschlug die Windschutzscheibe. „Am Tatort haben wir DNA-Spuren gefunden.“

Am Mittwoch war der 49-Jährige aus Lünen vorläufig festgenommen worden. Am Donnerstag sei er wieder auf freien Fuß gesetzt worden, weil keine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr vorlag. Ermittler hatten am Mittwoch die Wohnungen des Lokführers in Erndtebrück und Lünen durchsucht. Das mögliche Motiv liege bislang im Dunkeln. Auch zur Frage, ob der Lokführer die Gullydeckel selbst entwendet hatte, gebe es keine Klarheit. Insgesamt vier gusseiserne Abdeckungen waren mehr als 24 Stunden vorher an einer Straße gestohlen worden. Zwei baumelten nach Ermittlerangaben später von der Brücke, ein weiterer wurde im Gleisbett gefunden. Den vierten stellte die Polizei in Tatortnähe sicher.

Der mutmaßliche Anschlag hatte Entsetzen ausgelöst. Die Hessische Landesbahn hatte von einem „ungeheuerlichen Anschlag“ gesprochen, bei dem bewusst der Tod eines Menschen in Kauf genommen worden sei. Nach damaligen Angaben hatte der Lokführer einen „mittelschweren Schock“ erlitten. Auch hatten Hessische Landesbahn und Ermittler früh das „instinktiv richtige Handeln“ des Lokführers hervorgehoben, wonach der sich nach eingeleiteter Notbremsung weggeduckt habe. „Wir sind heilfroh, dass durch seine geistesgegenwärtige Reaktion nichts Schlimmeres passiert ist.“

Dass der Lokführer nicht mit voller Geschwindigkeit, sondern mit weniger als 50 Stundenkilometern unterwegs war, begründete eine Sprecherin damals damit, dass er sich auf dem Weg zum Startbahnhof und noch nicht im vollen Einsatz befunden habe. Im Licht der neuen Erkenntnisse sind all diese Angaben nun infrage gestellt. Die ­Hessische Landesbahn war nach Bekanntwerden des Tatverdachts nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Der 49-Jährige wurde inzwischen beurlaubt.