Alle Schüler ins nächste Schuljahr: Debatte um Versetzung

dpa/lsw Stuttgart. Im Mai sollen Schüler in Baden-Württemberg an die Schulen zurückkehren. Sitzenbleiben soll dieses Jahr wegen der außergewöhnlichen Situation in der Corona-Krise niemand. An der Entscheidung des Kultusministeriums gibt es Kritik.

Wegen der Corona-Krise sollen grundsätzlich alle Schüler ins nächste Schuljahr versetzt werden - das sieht das Kultusministerium vor und bekommt Unterstützung vom Landeselternbeirat. Die Gymnasiallehrer dagegen sehen die Pläne kritisch. „Wenn alle Schüler versetzt werden, kommt das dicke Ende eben im nächsten Jahr“, sagte Ralf Scholl, der Vorsitzende des Philologenverbands Baden-Württemberg. Keinem Schüler dürften wegen der aktuellen Situation Nachteile entstehen. „Aber von vornherein zu sagen, dass kein Schüler sitzenbleiben dürfe, finde ich nicht angemessen. Jedenfalls nicht im Gymnasium.“

Das Kultusministerium hatte am Montag mitgeteilt, dass alle Schüler grundsätzlich in das nächste Schuljahr versetzt werden sollen. Grund sei, dass die Versetzungsentscheidung auf Grundlage der Noten im Jahreszeugnis getroffen würden. Die Bewertung von Schülerleistungen sei in den vergangenen Wochen aber ausgesetzt gewesen und auch in der kommenden Zeit nur sehr stark eingeschränkt möglich.

Der Landeselternbeirat begrüßte die Pläne. „Schülerinnen und Schüler sollen durch die aktuelle Situation keine Nachteile haben“, sagte Verbandschef Carsten Rees. Es sei nicht zu verantworten, Schüler ohne solide Leistungsbewertung sitzenzulassen. „Man kann sich doch nicht ehrlich hinstellen und Bewertungen abgeben wollen über Unterricht, der nicht stattgefunden hat.“

Der Philologenverband schlägt in einer Mitteilung eine sofortige Umstellung aller gymnasialen Klassenstufen von 5 bis 10 auf das System G9 vor. Damit würde die Zeit bis zum Erlangen des Abiturs um ein Schuljahr verlängert. Daneben sollen sich Eltern im ersten Halbjahr des kommenden Schuljahrs für eine freiwillige Wiederholung des derzeit erschwerten Schuljahres entscheiden können, ohne dass es als Sitzenbleiben zähle.

Der Schulbetrieb im Südwesten soll ab 4. Mai stark eingeschränkt und schrittweise mit etwa 330 000 Schülern wieder starten. Begonnen werden soll mit den Schülern, bei denen in diesem oder im nächsten Jahr die Abschlussprüfungen anstehen. Vor den Abschlussprüfungen sollen aber keine weiteren Klausuren geschrieben werden, wie Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) am Dienstag sagte.

Zum Start des Unterrichts stehen nach ihrer Ansicht ausreichend Lehrer zur Verfügung. „Das heißt, dass 75 Prozent der Lehrer für 22 Prozent der Schüler zur Verfügung stehen“, sagte Eisenmann in Stuttgart. Etwa jeder vierte Lehrer gehört zu einer Risikogruppe oder sei aus anderem Grund abwesend. Insgesamt gibt es 1,5 Millionen Schüler und Schüler in Baden-Württemberg.