Händler wehren sich gegen Straßenbau

Die Backnanger Stadtverwaltung lenkt ein und weicht von ihrem Plan ab, die Dilleniusstraße und den Obstmarkt schon ab 2021 zu sanieren. Die Ladenbesitzer im Umfeld fürchten um ihre Existenz, wenn zu Corona noch eine Baustelle dazugekommen wäre.

Händler wehren sich gegen Straßenbau

Die Geschäftsleute Higde Süleyman, Stephan Urban, Rosa Süleyman, Hans-Dieter Aumüller, Markus Sammet, Daniel Mendes, Christel Schumacher und Iris Lüdecke (von links) knabbern allesamt an der Coronapandemie. Eine weitere Hypothek würde einige Händler in die Knie zwingen.Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Die größte innerstädtische Hochbaustelle ist derzeit das Projekt Kronenhöfe. Die Bauherren sind zuversichtlich, dass das 30-Millionen-Euro-Projekt Mitte 2022 eingeweiht werden kann. Und sie würden sich wünschen, dass dann auch die Straßen im Umfeld gerichtet sind, damit das neue Quartier seinen ganzen Charme entfalten kann. Auch vonseiten der Stadtverwaltung ist erwünscht, dass die Straßensanierungen schnell abgeschlossen werden, weil die Fördergelder für das Sanierungsgebiet bis 2025 befristet sind. Völlig gegen eine schnelle Sanierung sind hingegen die zahlreichen Einzelhändler im Bereich Obstmarkt. Sie fürchten um ihre Existenz, wenn nach den immensen Einbußen aufgrund der Coronapandemie nun auch noch zwei Jahre lang die Kunden nur sehr erschwert oder gar nur zu Fuß die Geschäfte erreichen können. Im Raum steht das Horrorszenario, dass nämlich dann die Kronenhöfe fertig und die Straßen saniert sind, aber alle Geschäfte ringsumher leer stehen, weil sie aufgrund der Einnahmeeinbußen in die Knie gezwungen worden sind.

Das kann niemand wollen. Deshalb ist die Stadtverwaltung jetzt bereits von ihrem Plan abgewichen, die Dilleniusstraße und den Obstmarkt schon 2021 zu sanieren. Vielmehr versucht die Verwaltung seit Längerem bereits, sich ein Meinungsbild von den Anwohnern und Geschäftsleuten einzuholen. Mitte vergangener Woche gab es ein Treffen vor Ort. Und am morgigen Mittwoch findet um 19 Uhr im Backnanger Bürgerhaus eine öffentliche Informationsveranstaltung statt, zu der nicht nur alle Anlieger des betroffenen Gebiets eingeladen worden sind, sondern alle Backnanger überhaupt.

Die Stadtverwaltung macht kein Hehl daraus, dass sie am liebsten die drei Straßen in dem Quartier so schnell wie möglich saniert hätte. Der Ausbau der Eduard-Breuninger-Straße steht außer Zweifel, der ist laut Stadtbaudezernent Stefan Setzer „technisch zwingend, der steht nicht zur Diskussion“. Die Straße ist von unten herauf schon bis zur Kreissparkasse gerichtet und derzeit aufgrund der Arbeiten an den Kronenhöfen stark in Mitleidenschaft gezogen. Vom Bauablauf wäre es optimal gewesen, wenn die Sanierung vom Obstmarkt beginnend über die Dilleniusstraße erledigt werden würde, und dann die Eduard-Breuninger-Straße den Abschluss bilden würde.

„Die Kunden sind darauf angewiesen, vor den Laden fahren zu können.“

Dieser Plan ist vom Tisch. Der Widerstand der Händler in dem Karree blieb in der Verwaltung nicht unerhört. Setzer verspricht, den Händlern entgegenzukommen: „2021 wird es in dem Areal keine Baumaßnahme der Stadt geben.“

Stephan Urban ist Geschäftsführer des Floristikladens Blattwerk am Obstmarkt. Er glaubt, der angedachte Straßenbau vor seinem Geschäft wäre „existenzbedrohend“ geworden. „Unsere Produkte wie etwa einen Brautstrauß oder einen Trauerkranz trägt man nicht durch die halbe Stadt spazieren. Unsere Kunden sind darauf angewiesen, dass sie etwa ihre Tischdekoration für Hochzeiten oder Geburtstage vor dem Laden ins Auto einladen können.“ Er verweist darauf, dass es schon zwei Jahre Einschränkungen gab wegen der Baustelle Kronenhöfe, etwa durch weggefallene Stellplätze und eine schwierige Anlieferung. Dann kam noch Corona. „Wenn jetzt noch zwei Jahre Baustelle vor der Tür dazukommen, haben wir in der Summe fünf Jahre mit Einschränkungen.“ Urban fordert individuelle Lösungen für jede Branche, „es müssen vernünftige Lösungen her“.

Das sieht auch Markus Sammet so. Der Geschäftsführer des Schwarzmarkts stöhnt: „In der momentanen Situation gehen Straßensperrungen gar nicht, wir leiden ohnehin stark unter den Einbußen. Die waren im März und April so groß, die können wir nie wieder reinholen.“ Auf der anderen Seite hat Sammet größtes Verständnis für die Verwaltung und die Kronenhöfe-Bauherren: „Ich liebe die Stadt und bin immer offen für Verschönerungen.“ Er bestätigt auch, dass in den vergangenen Jahren viel auf die Beine gestellt wurde und die Stadt sich sehr zum Positiven gewandelt habe. Die Überlegungen der Verwaltung, die Erreichbarkeit aufrechtzuerhalten und die Fußgängerzone zum Teil für den Zulieferverkehr zu öffnen und in der Marktstraße spezielle Kurzzeitparkplätze anzulegen, bezeichnet Sammet als „nett“, aber das sei keine wirkliche Lösung und keine Alternative.

„Wir brauchen eine Pause zur Erholung, damit die Kunden den Weg wieder zu uns finden“, sagt auch Christel Schumacher von Geschenk&Design Arkade. Sie ist erleichtert, dass nächstes Jahr nicht gebaut wird, „wir werden durch den bisherigen und den künftigen Bau eh genug Einbußen haben“.

Ihre Nachbarin Iris Lüdecke gibt auch zu bedenken, dass ihre Apotheke am Obstmarkt etwa sechsmal am Tag von Lieferanten angefahren wird. Bei gesperrten Straße in diesem Innenstadtbereich ein Problem. Die Geschäftsfrau erklärt: „Die Coronapandemie hat den Einzelhandel in Backnangs Innenstadt massiv getroffen und erhebliche Umsatzeinbrüche ausgelöst. Die geplanten Baumaßnahmen würden zu einer Sperrung der Dilleniusstraße und des Obstmarktes von bis zu einem Jahr führen. Wir wehren uns gegen diese weitere schwere Belastung des Innenstadtgewerbes.“

Viele Einzelhändler haben ihre Rücklagen bereits aufgebraucht, glaubt Higde Süleyman, der Geschäftsführer des Druti-Print-Ladens. Er plädiert für eine Entschädigung, zum Beispiel in Höhe der Mieten. Dass dies nicht möglich ist, möchte er nicht verstehen: „Durch die Straßenarbeiten werden die Kronenhöfe aufgewertet. Und wir haben die Einbußen. Wir Händler sind bei dem Ganzen die einzigen Gelackmeierten.“

Vor einigen Wochen noch hatte Setzer auch die Argumente für den zeitnahen Ausbau des Obstmarkts aufgelistet. Eingedenk der Tatsache, dass es beim „Vollprogramm“ beim Obstmarkt losgegangen wäre, und zwar ab 2021. Er hätte auch in Kauf genommen, dass die Arbeiten aufgrund der parallelen Baustelle der Kronenhöfe sehr schwierig geworden wären. „Wir müssen dabei immer auch die Abläufe auf der Baustelle Kronenhöfe im Hinterkopf behalten.“ Setzer erinnert aber daran, dass der Gemeinderat das letzte Wort hat und im Oktober die Entscheidung treffen wird: „Das Gremium könnte sagen, Augen zu und durch. Oder es könnte die besondere Situation berücksichtigen und den Ausbau zu einem späteren Zeitpunkt vornehmen. Fest steht nur: Der Ausbau der Eduard-Breuninger-Straße kommt Anfang 2022.“

Alle Bürger sind eingeladen zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung über die städtebauliche Aufwertung der Straßen und Plätze rund um die neuen Kronenhöfe. Diese findet am Mittwoch, 16. September, um 19 Uhr im Backnanger Bürgerhaus statt. Anmeldung unter tiefbauamt@backnang.de ist nötig.

Fertigstellung der Kronenhöfe Mitte 2022

Laien könnten den Eindruck erhalten, dass die Baustelle Kronenhöfe nur schleppend vorankommt. Dem ist aber nicht so, erklärt Aspa-Geschäftsführer Andreas Benignus, „wir liegen voll im überarbeiteten Zeitplan“. Und Werner Schmidgall, Prokurist der Kronenhöfe GmbH, ergänzt: „Wir haben anfangs etwas umplanen müssen. Aber jetzt passt’s.“ Die Fertigstellung des Projekts ist auf Mitte 2022 terminiert.

Die Arbeiten ziehen sich fast schon zwei Jahre hin. Allein schon der Abriss war sehr komplex, die Baugrube sehr aufwendig. Im Bereich Dilleniusstraße wachsen die Gebäude bereits aus der Baugrube heraus, die Erdgeschosshöhe wurde schon überschritten und mit dem Obergeschoss begonnen. Aus Gründen des technischen Ablaufs liegt der westliche Abschnitt immer etwas dahinter. Aber: Die Zufahrt zur Tiefgarage von der Eduard-Breuninger-Straße ist bereits erstellt.

Der Vertriebsstart hat noch nicht begonnen, er erfolgt im Herbst. Benignus ist äußerst zuversichtlich, weil auf dem Sektor Wohnungsmarkt die Nachfrage ungebrochen groß ist, „die Interessentenliste ist lang“. Die Coronapandemie wirkt sich auf diesen Sektor überhaupt nicht negativ aus. Im gewerblichen Bereich, geplant ist unter anderem ein Hotel, „da gäbe es einen besseren Zeitpunkt als jetzt“, so Benignus.

Benignus fände es für vorteilhaft, wenn die Straßen im Quartier parallel zur Baustelle auf Vordermann gebracht werden, „auch wenn wir dadurch Beeinträchtigungen und Nachteile auf der Baustelle haben“. Die Notwendigkeit ist gegeben, da die Leitungen und Straßenbeläge sehr marode sind. „Es hätte viele Vorteil, wenn die Arbeiten auf einmal durchgezogen werden würden.“ Andererseits sagt Benignus: „Wir unterstützen die Anwohner, wo immer wir können, und wollen uns konstruktiv einbringen.“