Handel fürchtet Verluste im Weihnachtsgeschäft

Von Von Michael Brehme, dpa

dpa/lsw Stuttgart. Ähnlich massiv wie die Kultur und das Gastgewerbe sind die Einzelhändler von der Pandemie betroffen, auch wenn die Betriebe nicht erneut schließen mussten. Der Branchenverband verkündet mit Blick auf die anstehenden Wochen eine „schlimme Botschaft“.

Handel fürchtet Verluste im Weihnachtsgeschäft

Zwei Frauen gehen mit Einkaufstüten über die Königstraße. Foto: Marijan Murat/dpa/Symbolbild

Die baden-württembergischen Einzelhändler stellen sich auf coronabedingt hohe Umsatzeinbußen im wichtigen Weihnachtsgeschäft ein, Zehntausende Betriebe bangen stärker denn je um ihre Existenz. Im Südwesten erwartet einer neuen Umfrage des Handelsverbands zufolge eine deutliche Mehrheit der Einzelhändler teils immense Erlösrückgänge in den kommenden Wochen, auch bedingt durch weniger Besucher wegen ausfallender Weihnachtsmärkte. „Wir rechnen alle mit schlechten Zeiten für den Handel“, sagte der Präsident des Südwest-Handelsverbands, Hermann Hutter, am Mittwoch in Stuttgart. Er sprach von einer „schlimmen Botschaft“.

Im Detail rechnet laut der Erhebung ein Zehntel der befragten Südwest-Händler im Weihnachtsgeschäft gar mit einem Einbruch von mehr als 50 Prozent im Vergleich zu normalen Zeiten. 39 Prozent der Betriebe gehen von Erlösrückgängen zwischen 30 und 50 Prozent aus, weitere 28 Prozent erwarten Einbußen zwischen 10 und 30 Prozent.

Gründe dafür seien einerseits die Corona-Beschränkungen der Politik, andererseits spiele auch die gelebte Zurückhaltung vieler Kunden eine Rolle, hieß es. So ist die Besucherfrequenz in den Innenstädten seit Ausbruch der Pandemie deutlich zurückgegangen - und kaum einer erwartet, dass sich in den kommenden Wochen daran groß etwas ändert. Heißt: Die Menschen fahren seltener in die Städte als früher, stöbern weniger in den Geschäften und kaufen spärlicher ein.

Die stationären Einzelhändler gehören zu den Leidtragenden. Knapp zwei Drittel (65 Prozent) erwarten laut Umfrage im Weihnachtsgeschäft hohe Rückgänge bei den Besucherfrequenzen - auch, weil die meisten Weihnachtsmärkte diesmal ausfallen werden. Und die Menschen, die dennoch in die Geschäfte kommen, sind laut Erhebung auch nicht bester Stimmung: Zwei Drittel der befragten Betriebe gaben an, ihre Kunden seien pandemiebedingt vor allem verunsichert.

Dabei mache die Weihnachtszeit für viele Händler traditionell 40 Prozent des Jahresumsatzes aus. „Wenn hier Störungen auftreten, hat das einen ungleich höheren Durchschlag als noch im Frühjahr“, sagte Hutter. Wenn die Weihnachtsmärkte als Innenstadt-Magneten im Dezember nicht stattfänden, schwäche das die Händler nochmals massiv. Zumal die Erfahrung zeige, dass Online-Shops die wegfallenden Umsätze allenfalls zu einem geringen Anteil ersetzen könnten. Der Branchenverband forderte in diesem Zusammenhang weitere staatliche Unterstützung für den Handel - vor allem für den möglichen Fall, dass die Corona-Beschränkungen nochmals verschärft werden.

In der Stuttgarter Innenstadt halten sich laut City-Initiative, die Hunderte Gewerbebetriebe vertritt, schon jetzt rund 40 Prozent weniger Menschen auf als sonst. Die Lage werde sich verschärfen, weil im Dezember neben Ortsansässigen und Menschen aus dem Umland auch die sonst fest eingeplanten Touristen auf einen City-Besuch verzichten dürften, sagte City-Manager Sven Hahn der Deutschen Presse-Agentur. „All diese Umsätze fehlen dann, und das werden alle Betriebe, die wir hier in der Stadt haben, in ihren Kassen maximal spüren.“

Besonders die Bücher-, Spielwaren- und Parfümbranche hingen stark vom Dezember-Geschäft ab, hieß es vom Handelsverband, der in den nächsten zwei Jahren mit coronabedingt rund 6000 Insolvenzen und Geschäftsschließungen im Südwesten rechnet. Auch andere Handelsbereiche seien stark betroffen - etwa die Modebranche, die mit Saisonartikeln ihr Geld verdient. „Die Ware ist nicht verkäuflich, wenn die Saison vorbei ist, sondern hängt in den Geschäften wie Beton“, sagte Verbands-Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann mit Blick auf die Lage in Hunderten Textilläden.

Als kleinen Mutmacher kann die Branche immerhin eine neue Konsumentenumfrage werten, wonach die Mehrheit der Menschen im Südwesten etwa so viel Geld für Weihnachtsgeschenke ausgeben will wie im vergangenen Jahr. Diesmal sind es im Schnitt 374 Euro, vor einem Jahr waren es 379 Euro. „Die Kunden lassen sich im diesjährigen Weihnachtsgeschäft von Corona nicht beeindrucken“, folgerte Andreas Kaapke von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, der die Arbeit für den Handelsverband erstellt hat. Allerdings wurde die Befragung schon Mitte Oktober - also vor der Verkündung der aktuellen Corona-Beschränkungen - abgeschlossen.

Bei der Frage, wo die Menschen ihre Käufe tätigen wollen, gibt es eine Überraschung: Zwar steigt erwartungsgemäß der Anteil der Online-Shops von 32 auf 37 Prozent, zugleich wächst aber auch die Bindung zu stationären Geschäften innerhalb des eigenen Wohnorts leicht. Deutlich weniger als 2019 sind dieses Jahr Geschäfte in Innenstädten außerhalb des Wohnorts sowie Einkaufszentren gefragt.

Bei den beliebtesten Produktgruppen für Weihnachtsgeschenke bleibt alles wie gehabt: Kosmetik-, Parfüm- und Körperpflegeartikel stehen ebenso wie Schokolade und Pralinen, Wein und Spirituosen sowie Bücher, Schreibwaren und Spielwaren am höchsten im Kurs.

Handel fürchtet Verluste im Weihnachtsgeschäft

Eine Frau geht an einem mit Weihnachtskugeln geschmücktem Schaufenster vorbei. Foto: Marijan Murat/dpa