José Antonio Kast (59) wird am Sonntag wohl zum Präsidenten in der Andenrepublik gewählt. Er inszeniert sich als Hardliner. Das könnte nach einem Wahlsieg zu seinem Problem werden.
José Antonio Kast ist laut Umfragen Favorit bei der Stichwahl am Sonntag.
Von Tobias Käufer
Blaue Augen, weißblondes Haar: José Antonio Kast (59) erfüllt schon rein optisch jene Klischeevorstellung wie sich Südamerikaner gelegentlich einen Deutschen vorstellen. Alle Umfragen sagen voraus, dass der Sohn eines in den 1950er Jahren nach Chile ausgewanderten Wehrmachtssoldaten am Sonntag zum neuen Präsidenten Chiles gewählt wird. Und mit ihm ein strammer Richtungswechsel nach rechts.
Der linke Amtsinhaber Gabriel Boric (39) wurde im Nachgang der Sozialproteste Ende 2021 zum neuen Hoffnungsträger der jungen Generation in den Präsidentenpalast gewählt. Der ehemalige Studentenführer enttäuschte, seine Zustimmungsraten schafften es nur selten über die 30 Prozent. Handwerkliche Fehler und Unerfahrenheit im Regierungsmanagement machten ihm das Leben schwer. Mit 35 Jahren kam für ihn das Amt zu früh.
Neun Kinder, erzkonservativ, fromm
Nun kommt mit Kast der genaue Gegenentwurf: Neunfacher Familienvater, erzkonservativ, Anhänger der frommen katholischen Schönstatt-Bewegung. Sein älterer Bruder Michael Kast war Minister in der rechtsextremen Militär-Diktatur von General Augusto Pinochet (1973 – 1990). Damals wurden mehr als 2000 Menschen ermordet, viele tausende Oppositionelle oder solche, die das Regime dafür hielt, grausam gefoltert. Die spätere chilenische Präsidentin Michelle Bachelet floh damals in die DDR.
„Pinochet würde mich heute wählen“, ist ein Spruch aus der Vergangenheit, der Kast immer wieder verfolgt. Die chilenische Rechte behauptet, Pinochet hätte Chile davor bewahrt, ein südamerikanisches Kuba oder Venezuela zu werden. Dass Kast seine Pinochet-Nähe nicht weiter schadet, liegt auch daran, dass seine kommunistische Gegenspielerin Jeannette Jara ihrerseits ein Problem damit hat, sich von den aktuellen Linksdiktaturen Kuba, Venezuela und Nicaragua zu distanzieren. Diktaturverharmlosung werfen sich sich beide Seiten gegenseitig vor – und neutralisieren damit die Schwäche des Gegenüber.
Nach Bolivien und Honduras wäre Chile bei einem Wahlsieg von Kast das dritte lateinamerikanische Land, dass binnen weniger Monate von einem strammen Linkskurs einen rasanten Richtungswechsel nach rechts- beziehungsweise Rechtsaußen vollzieht.
„Die irreguläre Migration wird in Chile als eng verbunden mit dem Anstieg der allgemeinen Kriminalität wahrgenommen. Das Unsicherheitsgefühl der Menschen hat deutlich zugenommen“, sagt Olaf Jacob, Leiter des Chile-Büros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Santiago im Gespräch mit dieser Zeitung. Kast versucht diese Stimmung mit entsprechenden Versprechen einzusammeln und inszeniert sich als klassischer Law-and-Order-Politiker. Alles kreist um sein zentrales Wahlversprechen: „Chile wird wieder ein sicheres Land werden“.
Kast verspricht Härte
Kast will Massenabschiebungen, weniger staatliche Einflussnahme auf die Volkswirtschaft und mehr wirtschaftsliberale Reformen. Er will eine „Notstandsregierung“ gegen Kriminalität und organisiertes Verbrechen“ einsetzen, schlägt Hochsicherheitsgefängnisse, härtere Strafen, die Schaffung von Spezialeinheiten vor, um „No-Go-Areas“ wieder zurückzugewinnen.
Sein Plan Escudo Fronterizo (Grenzschutzplan) sieht vor, illegale Grenzübergänge zu schließen, illegale Migration unter Strafe zu stellen, Abschiebungen zu intensivieren und den Zugang von Menschen ohne gültige Aufenthalts-Papiere zu Gesundheitsversorgung, Bildung und Wohnraum einzuschränken. Bis zu seinem Amtsantritt Mitte März, ließ Kast wissen, hätten „illegal“ im Land lebende Migranten Zeit, Chile freiwillig zu verlassen.
Genau das könnte aber zu einem Problem für den „chilenischen Trump“ werden, der die „chilenischen Republikaner“ nach amerikanischen Vorbild aufgebaut hat. Denn spätestens seit den Sozialprotesten 2019 verfügt das Land über eine breite linke Zivilgesellschaft, die sich zwar von Boric Präsidentschaft enttäuscht zeigt, mit Kast aber ein Feindbild bekommen würde, dass die chilenische Linke wieder zusammenschweißen könnte. Und dann wäre auch sehr schnell die Straße wieder mobilisiert.