„Katastrophaler Zustand“: Das dritte Jahr Dürre im Wald

dpa/lsw Stuttgart. Dürre, Hitze und Schädlinge wie der Borkenkäfer machen den Bäumen im Land immer mehr zu schaffen. Wird der Wald die nächsten 100 Jahre überleben? Und falls ja: Wie wird er dann aussehen?

„Katastrophaler Zustand“: Das dritte Jahr Dürre im Wald

Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk steht in einem Waldstück nahe Hürrlingen. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa/Archivbild

Naherholungsgebiet, Rohstofflieferant, Kohlenstoffspeicher, Rückzugsraum für Tiere und Pflanzen: der Wald ist ein echter Alleskönner. Und es gibt viel davon in Baden-Württemberg. Mehr als 13 700 Quadratkilometer sind Wald, das entspricht 38,4 Prozent der Landesfläche.

Aber den Bäumen geht es miserabel. Hitze und Dürre setzen dem Wald zu, Schädlinge wie der Borkenkäfer breiten sich immer weiter aus. Am Donnerstag debattierte der Landtag über die Zukunft des Waldes. Es wird noch schlimmer kommen, warnt Forstminister Peter Hauk (CDU): „Wir werden von einem katastrophalen Ausnahmezustand in einen katastrophalen Dauerzustand kommen.“

WETTEREXTREME

Der Wald befinde sich schon im dritten Jahr einer problematischen Klimasituation, berichtete Hauk. 2018 war es deutlich zu trocken, 2019 deutlich zu heiß, 2020 mangelte es zunächst an Winterfeuchte und Frost, dann am Regen. Deshalb ist der Borkenkäfer überall im Land auf dem Vormarsch - und setzt den Bäumen weiter zu. Ein Teufelskreis, da Bäume besonders wichtig im Kampf gegen den Klimawandel sind: Die deutschen Wälder speichern pro Jahr 127 Millionen Tonnen CO2, wie der Grünen-Abgeordnete Reinhold Pix betonte.

ABTRANSPORT VON TOTEM HOLZ

Bereits jetzt habe sich in den Wäldern so viel Schadholz angesammelt wie im gesamten vergangenen Jahr, schätzt Hauk. Und das muss schleunigst raus aus dem Wald, sonst breitet sich der Borkenkäfer weiter aus. Die Ausnahmegenehmigungen für schwere Holztransporte bis 44 Tonnen liefen aber Ende Mai aus. Dabei will es Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) auch belassen - er sorgt sich um die Straßen und Brücken im Land. Hauk sieht das ganz anders: „Schützen wir die Natur, oder schützen wir Steine und Beton?“ Entweder man nehme leicht erhöhte Sanierungskosten in Kauf oder man laufe in eine ökologische Katastrophe. Auch die FDP fordert eine Verlängerung der Sondergenehmigung. Die Landesregierung lasse 29 000 Unternehmen mit 200 000 Beschäftigten in der Forst- und Waldwirtschaft im Regen stehen, kritisierte der FDP-Abgeordnete Klaus Hoher.

IST DIE FORSTWIRTSCHAFT SCHULD?

Die Grünen schreiben der Forstwirtschaft eine Mitschuld an der Krise zu. Sie habe über Jahre versäumt, rechtzeitig die richtigen Weichen zu stellen, sagte Pix. Sie habe viel zu oft die falsche Baumarten an den falschen Standorten gepflanzt und nur die Gewinnmaximierung im Auge gehabt. Nur eine Balance aus Ökologie und Ökonomie könne die Wälder erhalten. Mit Blick auf Förderprogramme sagte Pix: „Unser Land darf nicht dauerhaft Rückversicherer einer falschen Forstwirtschaft werden.“

WIE SÜDLÄNDISCH SOLL DER WALD WERDEN?

Vor dem Hintergrund des dramatischen Zustands heimischer Wälder will Hauk „klimastabile“ Mischwälder ausbauen. Er wirbt dabei auch für eine Beimischung neuer Baumarten. Er denkt unter anderem an bestimmte Eichenarten aus dem Süden, den Tulpenbaum und die Baumhasel. Auch auf die Douglasie werde man verstärkt setzen müssen, sagte er im Landtag.

Naturschützer sind gegen zu viele fremdländische Bäume. „Wer die Fichte jetzt durch importierte Baumarten wie Tulpenbäume, Atlas-Zedern, Douglasien oder amerikanische Roteichen ersetzen will, ist nach meiner Meinung auf dem Holzweg“, sagte der Nabu-Landesvorsitzende Johannes Enssle. Er kritisiert die geplante Förderung eines Anteils von 50 Prozent fremdländischer Baumarten für die Wiederbewaldung von Schadflächen, wie es eine neue Förderrichtlinie von Hauks Ministeriums vorsieht. Daraus erwüchsen keine klimastabilen Wälder, sondern „Kunstforste“. Ein geringerer Anteil von 20 oder 30 Prozent wäre zur Beimischung völlig ausreichend, meint Enssle. Er fordert zudem weniger Holzernte, weniger schwere Maschinen und eine konsequente Bejagung des Rehwilds. Man dürfe Fichten-Monokulturen nicht durch Douglasien-Monokulturen ersetzen, warnt auch der Grünen-Abgeordnete Pix.

Hauk versichert den Abgeordneten: Man wolle auch künftig keine Bäume, die die heimischen Flora verfälschen und invasiv wirken. Aber man müsse das ganze Spektrum an Arten nutzen, das Mitteleuropa bietet. Fremdländische Arten müssten zunächst in Anbauversuchen getestet werden. „Am Ende ist doch unser Ziel, Wälder zu haben und keine Steppen.“