Hausen wie einst die Römer

Eine Woche lang besetzt die Römergruppe Numerus Brittonum das Ostkastell in Welzheim – Besucher können Limesdienst erleben

Mit einer Römerwoche lässt der Historische Verein Welzheim das Ostkastell neu aufleben. 1700 Jahre nach dem Abzug der Truppen können Besucher ihre Tauglichkeit für den Limesdienst unter Beweis stellen.

Hausen wie einst die Römer

Robin Rechkemmer (rechts) und Marc Bihlmaier sind für die Festivitäten bestens gerüstet – im wahrsten Sinne des Wortes. Fotos: A. Schaaf

Von Philip Kearney

WELZHEIM. Der erste Blick in Richtung der Eingangstore des Ostkastells könnte derzeit beim ein oder anderen Spaziergänger Fragezeichen aufwerfen. Denn inmitten des idyllisch gelegenen Kastells können Besucher noch bis morgen Menschen antreffen, die in traditionell römischer Ausrüstung mit Schwert und Schild kämpfen. Auch innerhalb der Mauern des Kastells heißt es Augen auf. Schließlich wird dort, wie bei dem Römern üblich, mit Pfeil und Bogen geschossen. Neben dem Übungsfeld befindet sich ein Zeltlager. In diesem hausen seit knapp einer Woche die Mitglieder der Welzheimer Römergruppe Numerus Brittonum, benannt nach der Truppe, die vor gut 1700 Jahren im Ostkastell stationiert war.

Die rund 300 bis 400 im Kastell stationierten Soldaten waren übrigens keine gebürtigen Römer, sondern stammten ursprünglich aus dem heutigen England. Sie verfügten jedoch nach 25 Jahren Dienst für das Römische Reich über ein Einbürgerungsrecht. Da der „Roman way of life“ zur damaligen Zeit einen guten Ruf genoss, lebten auch Menschen anderer Herkunft mehr oder weniger freiwillig im Römischen Reich. Immerhin verfügte das Reich über eine nie zuvor da gewesene Infrastruktur. Städte waren beispielsweise schon damals durch Straßen und Brücken miteinander verbunden. Zur Entspannung standen zudem heiße Bäder bereit.

Römische Spezialitäten wie „Puls“ stehen auf dem Speiseplan

Die Welzheimer Römergruppe wurde 2005 vom heutigen Abteilungsleiter Marcus Schaaf gegründet und ist Teil des Historischen Vereins Welzheim. Dieser feiert in diesem Jahr sein 40-JahrJubiläum mit einer römischen Woche. Dabei können Besucher einen Tag in die Rolle eines antiken Römers schlüpfen. Neben der Teilnahme am Lagerleben stehen Bogenschießen, Formationskampf und Kochen nach antiken Rezepten auf dem Programm. Speisen wie die Römer bedeutet: Puls zum Frühstück. Puls ist ein Getreidebrei, der mit Graupen und Bohnen gespickt ist.

Für Spaß ist durch Spiele wie Rundmühle, das nach einem ähnlichen Prinzip wie das Strategiespiel „Vier gewinnt“ funktioniert, sowie verschiedene Fang- und Wurfspiele gesorgt. Ihr handwerkliches Geschick können Besucher bei der Herstellung einer Gürtelschnalle mittels eines Bronzegusses unter Beweis stellen. All diese Aktivitäten gehören zur Ausbildung für den Limesdienst. Schließlich stehen die Feierlichkeiten im Zeichen der Wiederbesetzung des Ostkastells.

„Übernachtet wird bei Wind und Wetter in antiken Zelten, die, wie sich bei einem starken Regenschauer herausstellte, standfester als ihre modernen Nachfolger sind“, erzählt Schaaf. Ziel des Trainings für den Limesdienst ist es, dass sich der Soldat selbst versorgen kann. Dazu gehört auch das Backen von Brot inklusive dem Mahlen des Getreides mit einer Mühle. Überhaupt sind viele der Gegenstände, die sich im Ostkastell befinden, originalgetreu nachgebaut. So bestehen beispielsweise die Bögen aus dem selben Holz, auch das verwendete Horn gleicht dem der Römer. Lediglich die Sehne besteht nicht mehr aus Tiersehnen, sondern Kunstfasern.

Vom Ostkastell selbst ist wenig übrig geblieben. Nur das Fundament und der Graben sind noch sichtbar. Dabei befanden sich im Inneren des Kastells früher ein zentrales Stabsgebäude, das Wohnhaus des Kommandeurs, ein Bade- und Speichergebäude, mehrere Brunnen sowie Mannschaftsbaracken. Zwischen Ost- und Westkastell befand sich zudem ein Dorf. In diesem lebten die Familien der Soldaten sowie etliche Handwerker und Händler. Neben der Sicherung des Limesabschnitts spielte auch die Aufklärung dessen Umgebung eine wichtige Rolle im Alltag der römischen Soldaten.

Während der Vorbereitung auf sowie während des Limesdienstes selbst wird auch heute noch traditionelle römische Ausrüstung getragen. Diese steht dem Original in fast nichts nach. Sowohl Größe als auch Gewicht und Aussehen gleichen einander. Zur 20 Kilogramm schweren Ausrüstung gehören unter anderem ein Kettenhemd sowie ein Helm.

Die römische Gruppe selbst bezeichnet die Festivitäten als experimentelles archäologisches Projekt zum Mitmachen. Das Projekt trägt den Namen Castra und Campus. Übersetzt bedeutet dies Lager und Feld. Dabei repräsentiert das Kastell Castra und das Übungsfeld den Campus.

Zum Abschluss der Römerwoche stehen am Wochenende zwei Aufführungen des Theaterstücks „Aufregung im Lagerdorf“ auf dem Programm. Der Samstag steht unter dem Motto „Auf ins Manöver“ und öffnet seine Tore der Öffentlichkeit um 14 Uhr. Den Abschluss macht am Sonntag das interaktive Spiel „Escape Rome“. Ziel des Spiels ist es, die neue Parole zu erraten, nachdem das vorherige militärische Passwort von Rekruten verraten worden ist. Nur wer die Parole herausfindet, kann dem Kastell entkommen und zurück ins Geschehen des 21. Jahrhunderts eintauchen.