Grün-Schwarz drückt Etat durch und kann Schulden aufnehmen

dpa/lsw Stuttgart. Größer könnten die Gegensätze kaum sein: Die Grünen sehen in ihrem neuen Finanzminister eine „schwäbische Hausfrau“. Die Opposition hält ihn für ein willfähriges Werkzeug der „Verschwendungssucht“ der Koalition. Sparen hält Bayaz jedenfalls derzeit für falsch.

Grün-Schwarz drückt Etat durch und kann Schulden aufnehmen

Landtagsabgeordnetete sitzen während einer Plenarsitzung im Landtag. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Die grün-schwarze Koalition hat ihren Nachtragshaushalt mit neuen Milliarden-Schulden trotz der Warnrufe des Rechnungshofs und der Opposition durch den Landtag gebracht. Grüne und CDU stimmten am Mittwoch mit ihrer Mehrheit im Parlament für den Etat, die Opposition aus SPD, FDP und AfD votierte dagegen.

Die Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) darf somit die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse nutzen und neue Kredite in Höhe von 1,2 Milliarden Euro aufnehmen. Grün-Schwarz will sich mit dem Geld für eine vierte Corona-Welle wappnen. Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) sagte: „Diese Regierung hat entschieden, nicht blind in die Krise hineinzusparen.“

Der Rechnungshof hatte am Montag Zweifel geäußert, ob der Nachtrag der Landesverfassung entspricht. SPD, FDP und AfD warfen der Regierung im Landtag erneut vor, sie nehme ohne Grund neue Schulden auf, da sie genügend Reserven habe. Die AfD hat nach eigenen Angaben schon Klage gegen den Etat eingereicht, die FDP will das noch tun.

Die Liberalen hielten der Koalition vor, sie belüge den Landtag, wenn sie behaupte, es gebe trotz Rücklagen und Resten von bis zu 20 Milliarden Euro kein Geld für den Corona-Puffer. Die angekündigte Klage gegen den Nachtrag sei „eine Art Notwehr gegen die Verschwendungssucht der Regierung“, sagte der FDP-Finanzexperte Stephen Brauer. Die Koalition hamstere Kreditrechte, um nicht sparen zu müssen.

Der AfD-Abgeordnete Rainer Podeswa sagte, die AfD habe schon am Dienstag die Klage gegen den Haushalt eingereicht. Der Etat sei offensichtlich verfassungswidrig und „pure Bürgerverdummung“. Auch die SPD machte Grün-Schwarz schwere Vorwürfe. „Es handelt sich um einen Nebelkerzenhaushalt“, sagte SPD-Finanzpolitiker Nicolas Fink.

Für die Grünen verteidigte der finanzpolitische Sprecher, Markus Rösler, die Pläne. Der Forderung des Rechnungshofs und der Opposition, den Überschuss aus dem Jahr 2020 im Nachtrag zu nutzen, könne die Koalition nicht nachkommen. Der Überschuss sei bisher nur eine Prognose. „Die schwäbische Hausfrau namens Danyal Bayaz gibt aber kein Geld aus, wenn sie noch nicht weiß, wie viel sie hat.“

Bayaz erklärte, es sei gesundheitspolitisch, wirtschaftlich und sozial geboten, diese Krise weiter einzudämmen. „Alles andere wäre fahrlässig, alles andere würde eine mögliche vierte Welle im Herbst auf die leichte Schulter nehmen.“ Ohne neue Schulden hätte das Land mitten in einer der größten Krisen auf jegliche Investitionen verzichten müssen. Die Alternative wäre ein „superhartes Sparprogramm“ gewesen. Der Grünen-Politiker versprach: „Wir verwenden das Geld Corona-scharf oder wir tilgen.“

Die AfD warf derweil SPD und FDP „Heuchelei“ vor, weil sie in den Debatten der Regierung vorwerfe, den Regierungsapparat aufzublähen, aber gleichzeitig dem Landtag neue Stellen genehmige. Vor kurzem hatte sich der Finanzausschuss darauf verständigt, im Landtag 41 neue Stellen zu schaffen. Podeswa schlug den Fraktionsvorsitzenden von SPD und FDP, Andreas Stoch und Hans-Ulrich Rülke, vor: „Bewerben Sie sich um eine Anstellung im Staatstheater.“ Allerdings erhält auch die kleinste Oppositionsfraktion trotz ihrer starken Verluste bei der Landtagswahl ebenfalls 1,5 Stellen für weitere parlamentarische Berater dazu.

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