Heimat lässt sich nicht in einen Koffer packen

Feierstunde zum Tag der Heimat in Backnang – Flucht und Vertreibung bleiben als gesellschaftliche Themen aktuell

Heimat lässt sich nicht in einen Koffer packen

Backnangs Erster Bürgermeister Siegfried Janocha (vorne) zitierte anlässlich der Kranzniederlegung am Mahnmal der deutschen Heimatvertriebenen die Widmungsinschrift. Foto: A.Becher

Von Klaus J. Loderer

BACKNANG. Nach dem Willen der damaligen Machthaber sollten die Ungarndeutschen 1946 ihre ungarische Heimat mit einem Bündel verlassen. „Kann man die Heimat in einen Koffer packen?“ So fragte der Direktor des ungarischen Kulturinstituts in Stuttgart Dezsö Szabó provokativ. Viele der Anwesenden bei der Feierstunde zum Tag der Heimat in Backnang werden innerlich den Kopf geschüttelt haben. „Die Heimat trägt man im Herzen“, schloss der Redner festlich seine Ansprache.

1950 war die Feier ein Bekenntnis gegen Rache und Vergeltung

Wegen des regnerischen Wetters fand die Feierstunde zum Tag der Heimat, dem zentralen Gedenktag der deutschen Heimatvertriebenen, die in Backnang immer am zweiten Sonntag im September stattfindet, gestern im Musiksaal der Max-Eyth-Realschule statt. Mit flotter ungarischer Marschmusik des 19. Jahrhunderts leitete die Ungarndeutsche Heimatblaskapelle Backnang unter der Leitung von Thomas Zürn die Veranstaltung ein. Klaus J. Loderer begrüßte als Vertreter der Landsmannschaften die Gäste und erinnerte daran, dass mit der Auftaktveranstaltung vor einer Woche in Berlin der 70. Tag der Heimat begangen wurde. „Menschenrechte und Verständigung – für Frieden in Europa“ war das Motto in diesem Jahr. Bei der ersten Veranstaltung im Jahr 1950 in Stuttgart ging es aber auch darum, ein deutliches Bekenntnis gegen Rache und Vergeltung auszusprechen, die „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“.

Diese Charta würdigte auch Backnangs Erster Bürgermeister Siegfried Janocha in seinem Grußwort. Er stellte das Thema von Flucht und Vertreibung aber auch in einen aktuellen Zusammenhang, da immer noch Flüchtlinge Opfer von Krieg und Gewalt sind. Janocha betonte aber auch den Unterschied: „Damals nach dem Zweiten Weltkrieg kamen jedoch Deutsche zu Deutschen, was auch nicht immer leicht war. Die Vertriebenen und Flüchtlinge mussten – auch hier bei uns – den Verlust der Heimat verkraften und sich ein neues Leben und eine neue Umgebung aufbauen. Es entstanden neue Siedlungen und neue Häuser und Kirchen.“ Es habe Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte gedauert bis zur Integration und der Akzeptanz einer neuen Heimat.

Städtepartnerschaften als Brückenbau zwischen Ländern

Einen kleinen Überblick zu den Themen Verschleppung in die Arbeitslager der Sowjetunion, Arbeitslagerhaft für die Rückkehrer aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft, Flucht und Vertreibung gab Kulturinstitutsdirektor Dezsö Szabó. Diese ungarische Einrichtung in Stuttgart hat seit Beginn auch einen Schwerpunkt in ungarndeutschen Themen. Zuletzt im Januar gedachte das Institut mit einer Gedenkveranstaltung der Vertreibung der Ungarndeutschen. Anlass war der offizielle ungarische Gedenktag an die Vertreibung. Szabó ging aber auch auf die zahlreichen Städtepartnerschaften zwischen Deutschland und Ungarn ein. Dies sei ein schönes Beispiel des Brückenbaus zwischen den Ländern.

Es folgte eine Kranzniederlegung am Mahnmal der deutschen Heimatvertriebenen. Aus Nordböhmen stammte Oskar Kreibich, der Schöpfer dieses Denkmals. Siegfried Janocha zitierte die Widmungsinschrift: „Der alten Heimat zum Gedenken – der neuen Heimat zum Dank“. Er erinnerte daran, dass es sich um die historische Stelle eines Flüchtlingslagers handle. Mit Gedanken von Pfarrer Johannes Koch zum Thema Heimat und Heimatverlust endete die Feierstunde.