Heißes Zeitalter

Heißzeit ist das Wort des Jahres – und die künftige Schreckensvision

Von Markus Brauer

Der Sommer 2018 war extrem lang und warm. Deutschland, Europa – eigentlich die gesamte Nordhalbkugel lag unter einer Hitzeglocke. Die Temperaturen erreichten Rekordwerte. Die Felder waren knochentrocken, die Wälder brannten beim kleinsten Funken wie Zunder, die Böden waren aufgeplatzt wie in der Sahelzone. Kurzum: Es herrschte Heißzeit.

Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat diesen Kunstbegriff, den Wissenschaftler des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung im Sommer prägten, zumWort des Jahreserklärt. In der lautmalerischen Ähnlichkeit mit Eiszeit sei dies eine interessante Wortbildung, urteilen die Juroren. Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Denn Heißzeit ist nicht nur das Wort des Jahres, sondern auch die Schreckensvision für das 21. Jahrhundert.

Aktueller könnte die Wahl nicht sein. Derzeit tagt im polnischen Kattowitz die UN-Weltklimakonferenz. Ziel ist es, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Das scheint eine lösbare Aufgabe zu sein. Doch was ist in dieser Welt der Klima-Boykotteure, der -Ignoranten und der -Leugner noch normal? Anstatt jetzt zu handeln, um das Überleben zukünftiger Generationen zu sichern, tun viele so, als ob es Wichtigeres gäbe – etwa Strafzölle oder Fahrverbote.

Eine Heißzeit bestimmt nicht nur das Weltklima, sondern auch die öffentliche Debatte, in der viel heiße Luft, aber kaum Substanzielles, geschweige denn Zukunftsweisendes produziert wird. Die Regierenden in den großen Industrienationen wie den USA, China und Russland lässt es offensichtlich völlig kalt, dass in Zukunft Millionen von Menschen das Wasser buchstäblich bis zum Hals stehen wird.

Heißzeit ist nicht nur die aktuellste, sie auch die besteWort-Wahl des Jahres. Allerdings wird das lobenswerte Votum der Germanisten-Jury weder an der Ignoranz der Mächtigen noch am Konsumverhalten etwas ändern. Niemand wird wegen des Wortes des Jahres auf den Kauf eines fetten, spritfressenden SUV oder auf eine klimaschädliche Fernreise verzichten.

markus.brauer@stzn.de