Heldenhafte Spürnasen und ihre Begleiter

Sommerreportage: Der Besuch beim Training der Rettungshundestaffel Rems-Murr hinterlässt Eindruck. Die Teams aus hoch qualifizierten Schnüfflern mit ihren Frauchen und Herrchen sind konzentriert bei der Arbeit und haben sichtlich Freude dabei.

Heldenhafte Spürnasen und ihre Begleiter

Luna hat bei ihrer Flächensuchtour Melanie Skender entdeckt. Sie bellt und bleibt so lange bei ihr, bis die Hundeführer eintreffen. Fotos: A. Becher

Von Christine Schick

KAISERSBACH. Die Mitglieder der Rettungshundestaffel Rems-Murr trainieren regelmäßig. Damit sie und ihre Vierbeiner das auch unter realistischen Bedingungen tun können, trifft sich die Gruppe in verschiedenen Waldgebieten des Kreises, was vorher mit den Förstern abgesprochen ist. Die Sommerzeit bietet sich dafür natürlich an, allerdings gab es im August auch eine Hitzewelle mit Rekordtemperaturen. „Wir sind dann einfach ganz früh am Morgen los oder haben immer wieder Pausen gemacht“, sagt Melanie Skender, Vorsitzende der Rettungshundestaffel. Am Samstag des ersten Septemberwochenendes liegt das Trainingsterrain zwischen Kaisersbach und dem Ebnisee – und das Wetter mit rund 22 Grad ist ideal, ein bisschen schwül vielleicht. Bei der Anfahrt ist zu sehen, dass das Gebiet auch in anderer Hinsicht beliebt zu sein scheint – Pilzsammler mit Körbchen schwärmen aus, um sich auf die Suche nach Leckerbissen zu machen.

Suche ist auch das zentrale Stichwort für den Vormittag. Auf dem Wanderparkplatz in der Nähe des Kreisels vor Kaisersbach stehen die Mitglieder zusammen. Aus den geöffneten Autos mit Boxen bellt es immer mal wieder, sodass schnell klar ist, wer hier noch zu berücksichtigen ist. Ein wenig Geduld müssen die hoch qualifizierten Vierbeiner allerdings mitbringen, da sie jeweils einzeln in die Trainingssituation gehen.

Zwei Gruppen finden sich zusammen: die Teams, die sich für die Personensuche (Mantrailing) und für die Flächensuche bereitmachen. Die Mantrailertruppe mit Katrin Reichelt, Lesley Johnson und Heike Bühler wird von Anna Skender unterstützt. Die junge Suchtrupphelferin zückt ein Taschentuch, reibt es fest an ihren Handinnenflächen und lässt es in ein Plastiktütchen gleiten, das Lesley Johnson in ihre Gürteltasche steckt. Dann macht sich Anna auf, um sich im Gelände zu verstecken – ausgestattet mit einem Sender, über den das Team sie mittels GPS-Standort und Suche im Blick behalten kann. Die Labradorhündin Ivy kommt in Arbeitskleidung – ihrem Geschirr mit der Aufschrift Rettungshund – aus dem Wagen und freut sich sichtlich.

Lesley Johnson geht mit ihr noch ein Stück zum Waldweg. Dann klickt sie die Leine am Halsband aus und an der hinteren Öse des Geschirrs wieder an und lässt Ivy am Tütchen mit dem Taschentuch schnuppern. „Wenn unsere Hunde den Geruch aufgenommen haben und lossuchen, ist es wichtig, dass sich der Zug auf den Körper gut verteilt“, erklärt Katrin Reichelt. Gleichzeitig ist das Umleinen für den Hund das Signal, dass es ans Arbeiten geht. „Ab jetzt ist sie der Chef“, sagt Katrin Reichel und zeigt auf Ivy. Die Labradorhündin lässt sich nicht lange bitten, bekommt von ihrem Frauchen die Ansage, loszusuchen, startet und läuft mit der Nase am Grünstreifen des Wegs zickzack. Ein kaum merklicher Stopp und Ivy biegt vom Hauptweg auf einen schmaleren ab, zieht zielstrebig weiter. Anna Skender hat sich hinter einem breiten Baumstamm in einem dichteren Waldstück versteckt, die Hündin setzt sich vor sie hin, als wäre das eine Selbstverständlichkeit. Die Suchtrupphelferin, Lesley Johnson und Katrin Reichelt machen ihr klar, dass sie gut gearbeitet hat. „Super, Ivy, toll!“ Ein kleines Tupperdöschen mit Fleisch und Gemüse wird gezückt, einen Schluck Wasser gibt es hinterher, dann folgt noch eine kleine Spieleinheit mit dem Ball.

„Der Hund wird gefeiert“, erklärt Katrin Reichelt mit einem Grinsen, die Bestätigung ist wichtiger Teil der Arbeit. „Die Situation war jetzt natürlich auch vergleichsweise einfach, eine frische Spur auf grünen Untergrund.“ Bei einem echten Einsatz ist die nicht nur sehr viel verblasster, weil Stunden vergangen sind, auf den Wegen finden sich in der Regel zudem Düfte von anderen Menschen, auch von Tieren. Zudem kennen die Heldenspürnasen natürlich die Zweibeiner der Staffel.

Insofern kommt jetzt die Berichterstatterin ins Spiel, die sich auch suchen lassen möchte. Die Idee, die Alltagsmaske als Geruchsprobe zur Verfügung zu stellen, wird abgeklopft: „Ist sie aus Stoff und haben nur Sie die Maske angefasst?“ Das ist auch im Einsatz von Belang. Auf der Kleidung dürfen sich nur Geruchsspuren der vermissten Person befinden. In einer größeren Familie oder Heimsituation gar nicht so selbstverständlich, aber zentral für den Spezialisten auf vier Beinen. Die Stoffmaske kommt in ein neues Tütchen, und ich mache mich auf den Weg. Es ist besprochen, dass ich eine unscheinbarere, mit Gestrüpp zugewachsene Abzweigung nehme. Später öffnet sich die Sicht wieder, erst mache ich einen Abstecher nach rechts zu einer hohen Tanne, beschließe dann aber, doch noch ein Stück weiterzugehen und mich hinter einem Baumstamm zu platzieren. Der Rucksack kommt nach vorne, damit er vom Weg aus nicht zu sehen ist. Vermutlich würde Ace den Kopf schütteln. Schließlich geht es für den sechs Jahre alten Border-Collie-Mischling von Katrin Reichelt um meinen charakteristischen Geruch, der ihn leiten wird. Ace ist deshalb auch kurz rechts in den Wald abgebogen, wie die Frauen später berichten, dann aber genauso zielsicher weitergelaufen. Ein paar Minuten habe ich, dann steht Ace mit leicht fragendem Blick vor mir. „Eine Frau mit Block und Stift im Versteck, das hatte er auch noch nie“, meint sein Frauchen. Gut so, neue Erfahrung gesammelt. Auch Ace wird liebevoll bestätigt. In einem Lederetui, mit dem er spielt, finden sich auch Leckerlis.

Emma muss zwischen zwei frischen Spuren unterscheiden und soll nur die des Suchauftrags verfolgen.

Bei der dritten Runde wird Emma von Heike Bühler auf die Probe gestellt. Um die Sache etwas schwieriger zu machen, schwärmen nun Anna Skender und Lesley Johnson aus, um ein Versteck im Waldgebiet zu finden, nachdem sie beide ihre Geruchsprobe beim Frauchen abgegeben haben. Ihr Weg trennt sich an einem Punkt, den Emma, ihres Zeichens Deutsch-Drahthaar, natürlich nicht sieht. Auch Fußgänger sind in dem Waldstück unterwegs. „Emma nimmt gerne die frischeste Spur“, sagt Heike Bühler. Hinzu kommt, dass die Hündin auch ihren Jagdtrieb im Griff haben muss. Ihr Frauchen lässt sie am Tütchen von Lesley Johnson den Auftrag entgegennehmen. Emma arbeitet sich nach vorne, stoppt an einem Abzweig, entscheidet sich für einen Seitenweg und steuert schließlich zielsicher auf die Kollegin zu. Ihr Felldummy fliegt durch die Luft. Spielen steht für Emma an erster Stelle, Leckerli gibt’s danach zusätzlich.

Anna Skender kommt erst später aus ihrem Versteck, um die Hündin nicht doch noch zu verwirren, und wechselt zum Team, in dem die Flächensuche angesagt ist. Dort geht es etwas lauter und mit noch mehr Speed zu. Die Aufgabe für die Zweierteams: in einem bestimmten Waldstück alles absuchen. Sobald die frei laufende Spürnase einen Menschen ausmacht, bleibt sie vor ihm, mit etwas Abstand, stehen und bellt, bis die Hundeführer bei ihr sind. „Das ist hilfreich, wenn das Suchgebiet groß oder für Mantrailing zu schwierig ist. Manchmal kommen wir zu Fuß nicht weiter, unsere Hunde aber schon“, erklärt Annas Mutter Melanie Skender. Auf die Ansage „Such voran!“ ist nach noch nicht mal einer halben Minute ein klares Bellen zu hören. Erfolg!

Bei der Flächensuche müssen die Teams beispielsweise die Windrichtung beachten, und die Vereinschefin zeigt mit einer kleinen Puderdose, wie sie bestimmt werden kann. Mit einzukalkulieren ist, dass die Gerüche in Windrichtung transportiert werden, damit die Suchparzellen systematisch abgearbeitet werden können. Und was ist, wenn ein Hund mit Jagdtrieb ein Reh wittert? „Die Arbeit muss hochwertiger sein“, sagt Melanie Skender.

Auch Baily von Sabine Moscal ist mit von der Partie. Die zwölfjährige Holländische Schäferhündin ist nicht nur sehr erfahren, sondern hat der Staffel auch ein besonderes Erfolgserlebnis beschert. Im November vergangenen Jahres hat Baily eine demenzkranke Seniorin im Wald gefunden, die schon vier Tage vermisst und zwar unterkühlt war, aber letztlich wohlbehalten wieder zurückgebracht werden konnte. Baily scannt das Gebiet, wie die Profis sagen, weiß, wo die Nase in den Wind zu halten ist. Michael Braun ist mit Nala, einem Labrador-Riesenschnauzer-Mix, am Start. Die Hündin ist fast nicht zu halten, mit so viel Eifer und Freude pest sie los, registriert aber trotzdem die Ansagen des Herrchens, wenn sie in einer weiteren Schleife das Gebiet durchsuchen soll. Wie kommt man eigentlich auf die Idee, zur Rettungshundestaffel zu stoßen? Für Melanie Skender wurde in der Hundeschule klar, dass ihre Luna viel ausgelasteter und zufriedener war. Das noch mit einem sinnvollen Hobby zu verbinden, war ideal – also ist sie bei der Staffel gelandet und sehr glücklich damit. Michael Braun nickt, auch seine Nala will beschäftigt werden.

Nach zweieinhalb Stunden macht Andreas Moscal mit einer großen Brötchentüte und Kuchen die Runde, damit auch die Zweibeiner ihre motivierende Kleinigkeit zwischendurch bekommen. Als Zugführer ist er für die Einsätze zuständig. Typische Szenarien sind vermisste ältere Personen, vermisste Kinder oder Personen, die nach einem Unfall nicht vor Ort sind. Auch beim Verdacht auf einen geplanten Suizid kann die Staffel eingesetzt werden. Oft passiert das abends, bedeutet für die Teams, im Dunkeln und über Nacht mit Unterstützung der Polizei zu arbeiten. Dann heißt es, sich im Gelände zu orientieren. Auch das ist Teil der Ausbildung – Umgang mit Karte, Kompass und GPS. „Die Hunde haben die Arbeit relativ schnell drauf, sie sind etwas leichter trainierbar als ihre Führer“, meint Moscal mit einem Grinsen. Auf seine Leute lässt er aber nichts kommen: „Das ist wirklich eine tolle Truppe, das macht richtig Spaß.“ Nur eins müsse einem klar sein – bei der Rettungshundestaffel aktiv zu sein, ist ein zeitintensives Ehrenamt und da müsse auch der Partner mitspielen. Er weiß, wovon er redet – seine Frau Sabine ist 18 Jahre, er 16 Jahre mit von der Partie.

Heldenhafte Spürnasen und ihre Begleiter

Lesley Johnson (links) mit Heike Bühler und Emma, die für ihre gute Sucharbeit belohnt wird.

Heldenhafte Spürnasen und ihre Begleiter

Hoch motiviert: Michael Braun schickt seine Nala los, damit sie das Waldgebiet scannt.

Viel Training, rein ehrenamtlicher Einsatz

Die Ausbildung zum Mantrailer nimmt drei bis fünf Jahre in Anspruch, die zur Flächen- und Trümmersuche zwei bis drei Jahre. Trainiert wird zweimal die Woche, auf dem eigenen Gelände in Welzheim ergänzend auch mit Geräten, sprich das Laufen über Elemente wie Schrägen oder Leitern.

Zurzeit sind zehn geprüfte Teams bei der Staffel und 13 in Ausbildung. Trümmersuche ist im Kreis als Nicht-Erdbebengebiet zwar eher die Ausnahme, aber das Training ist hilfreich, weil die Hunde sich noch mehr anstrengen, ihre Nase sozusagen vor jede Ritze halten müssen, um das Gebiet nach Verschütteten abzusuchen. Deshalb freut sich die Staffel, wenn sich Firmen oder andere Ansprechpartner beispielsweise im Fall eines Abrisses melden.

Die Rettungshundestaffel arbeitet ausschließlich ehrenamtlich, staatliche Förderungen gibt es nicht. Insofern sind sie auf Spenden und Sponsoren angewiesen, wenn es beispielsweise um Ausrüstung geht. Jüngstes Projekt ist die Anschaffung von neuen GPS-Geräten. Die Gruppe freut sich auch über Interessierte und neue Mitstreiter. Weitere Infos zum Verein im Netz unter www.rh-rm.de.

Weitere Bilder vom Training der Rettungshundestaffel finden sich in einer Bildergalerie unter www.bkz.de.