Hermann: Kein schneller Durchbruch von Roboter-Autos

Von Von Nico Pointner und Michael Brehme, dpa

dpa/lsw Stuttgart. Massentauglichkeit? Zukunftsmusik. Noch sind selbstfahrende Autos in Deutschland nur zu Testzwecken unterwegs. Verkehrsminister Hermann glaubt nicht, dass sich daran schnell was ändert. Nicht nur wegen technischer Hürden.

Hermann: Kein schneller Durchbruch von Roboter-Autos

Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen), Verkehrsminister von Baden-Württemberg. Foto: Tom Weller/dpa/Archivbild

Für manche mag die Vorstellung unheimlich sein, für andere faszinierend: Ins Auto setzen, das Ziel eintippen und dann zurücklehnen und bis zur Ankunft lesen, arbeiten oder einfach eine Runde dösen. Das Fahrzeug steuert selbst, es reguliert das Tempo, bremst bei Hindernissen und manövriert sich selbst in die Parklücke.

Autonomes Fahren verspricht Klimaeffizienz, Komfort und Sicherheit - und ist längst keine Utopie mehr. Autohersteller und -zulieferer stecken Milliarden in die Entwicklung von Systemen, die über reine Fahrerassistenz hinausgehen. Beim letzten „Autogipfel“ im September preschten Bundesregierung und Branche vor: Deutschland soll eine internationale Vorreiterrolle beim autonomen Fahren einnehmen. Bereits ab 2022 soll ein Regelbetrieb möglich sein.

Baden-Württembergische Unternehmen melden nach Angaben der Landesregierung seit Jahren weltweit die meisten Patente mit Bezug zum autonomen Fahren an. Im Land gibt es mehrere Projekte. Bosch und Daimler wollen etwa im Parkhaus des Stuttgarter Flughafens hochmoderne Autos selbstständig bis zum Stellplatz fahren und einparken lassen. Im sogenannten Testfeld Autonomes Fahren im Raum Karlsruhe erproben Firmen und Forschungseinrichtungen das vernetzte und autonome Fahren im ganz normalen Straßenverkehr. Das Testfeld umfasst alle Arten öffentlicher Straßen: Tempo-30-Zonen ebenso wie Autobahnabschnitte.

Verkehrsminister Winfried Hermann bezweifelt jedoch stark, dass uns in den nächsten ein, zwei Jahrzehnten schon autonome Autos, Busse und Taxis flächendeckend chauffieren werden. Es gebe nicht nur noch viele ungelöste technische Probleme, sondern auch Fragen der Akzeptanz. „Es ist ja nicht so, dass die Menschen sich danach sehnen, in einem autonomen Auto oder Bus durch die Gegend gefahren zu werden“, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Da gibt es eine natürliche Abneigung und eine natürliche Angst.“

Das Selbstverständnis des deutschen Autofahrers sei das eines Fahrers, meint Hermann. Wer sich einen Audi, Daimler oder BMW kaufe, der kaufe den Wagen, um ihn selbst zu fahren. „Ich glaube, dass das das Hemmnis sein wird in den Köpfen der Menschen beim autonomen Fahren“, sagt Hermann. „Dass viele das gar nicht wollen.“ Die Vorstellung, dass alle autonom fahren wollten, sei naiv. Die Industrie konterkariere mit der Automatisierung ihr bisheriges Geschäftsmodell: „Nämlich jeden zum Piloten eines wunderbaren Autos zu machen, um Fahrspaß zu erleben.“ Die Deutschen hätten zudem ungefähr 50 Jahre gebraucht, bis sie die Automatikschaltung anstatt des Handschaltens akzeptiert hätten. Die anfänglichen euphorischen Reden aus der Branche seien ziemlich verstummt, sagt Hermann.

Beim Autobauer Daimler sieht man das etwas anders. Ein Mercedes werde immer ein Lenkrad haben, sagt Daimler-Sprecher Koert Groeneveld. Aber die Automatisierungstechnik biete eben die Freiheit, nur noch dann selbst zu fahren, wenn man das auch möchte - und eben nicht mehr fahren zu müssen. „Das ist aus unserer Sicht eine ideale Welt.“ Wann diese ideale Welt aber für die Massen zugänglich sein wird, dazu will man sich bei Daimler nicht festnageln lassen. Zu viele rechtliche und technische Fragen sind offen.

Fest steht aber: Automatisiertes und mehr und mehr autonomes Fahren wird kommen, das betont auch Verkehrsminister Hermann. Die technischen Möglichkeiten müssten aber für die Verkehrswende genutzt werden. Er verspricht sich Chancen für Klimaschutz und Verkehrssicherheit vom autonomen Fahren. „Der ÖPNV könnte damit verbessert werden. Dazu gehören autonome Shuttle-Busse im ländlichen Raum oder Pendlerbusse.“ Das Potenzial der neuen Technik sieht er auch im Güterverkehr auf der Schiene - aber nicht in der Stadt. „Mein Wunsch ist, dass Städte nicht durch automatisiertes Fahren zum zweiten Mal autogerechte Städte werden.“

Darin schlummert aus Hermanns Sicht auch die große Gefahr der Eroberung des Verkehrs durch Roboter-Autos - dass der Verkehr nicht entlastet wird, wie es die Autoindustrie einst prognostiziert habe, sondern zusätzlich belastet. „Autonomes Fahren reduziert nicht automatisch den Verkehr auf der Straße“, sagt Hermann. Selbstfahrende Fahrzeuge könnten aus seiner Sicht die Straßen im Land noch mehr verstopfen. „Ihre Kinder können dann praktisch mit einem Auto in Kita fahren. Und dann fährt das Auto leer zurück.“